Teilhaftung trotz Unschuld
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Wenn Sie sich durch einen betont übervorsichtig fahrenden Pkw, der vor Ihnen herfährt, behindert fühlen, sollten Sie ein wenig Verständnis für den Schleicher haben: Vielleicht handelt es sich um einen Idealfahrer. Lediglich ein solcher Idealfahrer ist bei einem unverschuldeten Unfall gänzlich aus dem Schneider, befand das Oberlandesgericht Düsseldorf unter Berufung auf den Bundesgerichtshof.
Verhandelt wurde über folgenden Fall, der sich bei regnerischem Wetter in der Dämmerung ereignete. An einer Einmündung in die Hauptstraße wollte ein dunkel bekleideter Fußgänger mit seiner Ehefrau an der dort befindlichen Querungshilfe (= eine Art von Insel mitten in der Straße, die deren Überquerung für Fußgänger einfacher macht) ohne Rücksicht auf den fließenden Verkehr die Straße überqueren. Dabei wurde er von einem Pkw erfasst und schwer verletzt.
Die Beihilfestelle des Betroffenen übernahm – wozu sie verpflichtet war – 70 % der Kosten der stationären und ambulanten Behandlung des Schwerverletzten sowie der danach angefallenen Pflegekosten und der anteilig für die Ehefrau als Pflegeperson gezahlten Rentenversicherungsbeiträge.
Nun versuchte die Beihilfestelle, einen Teil ihrer Kosten von dem Fahrer des Pkw bzw. dessen Versicherung zurückzuerhalten und war damit teilweise erfolgreich. Angesichts des "erheblichen Verschuldens" des Betroffenen und seiner Ehefrau erwog das Gericht zunächst – wie es wörtlich ausführt, "von einer Haftung der Beklagten gänzlich" abzusehen – und tat es schließlich doch nicht.
Dabei sprach vieles dafür: Etwa die Geschwindigkeit des Pkw, der an einer Stelle, wo 100 km/h erlaubt waren, nur mit 60 km/h unterwegs war. Doch letztlich befand das Gericht, dass auch ein grob fahrlässiges Verhalten des Unfallopfers für einen Ausschluss des Anspruchs nicht in jedem Falle genügt.
Vielmehr sei zu berücksichtigen, ob der Unfall "für den Fahrer unabwendbar war". Und zu einer solchen Feststellung konnte sich das Gericht nicht durchringen, denn "ein Idealfahrer bei weit vorausschauender und überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise" hätte den Unfall möglicherweise verhindern können.
Ein solcher Fahrer hätte "bei genauer Beobachtung der Fußgänger die Geschwindigkeit tatsächlich noch weiter reduziert". Daher wurde dem Fahrer eine Mithaftung von 20 % zugesprochen.
Haftung des Halters
Der OLG-Entscheidung liegt § 7 des Straßenverkehrsgesetzes zugrunde. "Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ... ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen". Ausgeschlossen ist die Ersatzpflicht danach nur dann, "wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird".
(MS)