Rentenwartezeit: Arbeitslosengeld kann langjährig Versicherten helfen
Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist bei der Deutschen Rentenversicherung nach wie vor der große Renner. Allein mit diesem vorzeitigen Altersruhegeld können Versicherte deutlich vor dem regulären Rentenalter ohne Abschläge in Rente gehen. Die Anspruchsvoraussetzungen für dieses vorgezogene Altersruhegeld bleiben weiterhin in Teilen umstritten.

Rentenwartezeit: Arbeitslosengeld kann langjährig Versicherten helfen

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Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist bei der Deutschen Rentenversicherung nach wie vor der große Renner. Allein mit diesem vorzeitigen Altersruhegeld können Versicherte deutlich vor dem regulären Rentenalter ohne Abschläge in Rente gehen. Die Anspruchsvoraussetzungen für dieses vorgezogene Altersruhegeld bleiben weiterhin in Teilen umstritten.

In einer Entscheidung des bayerischen LSG vom 1.7.2020 ging es um Zeiten des Bezugs der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld (ALG) im Anschluss an ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft bei Insolvenz des ursprünglichen Arbeitgebers. Unter bestimmten Umständen kann danach die Zeit des ALG-Bezugs als Wartezeit für die abschlagfreie Rente anerkannt werden (Az. L 1 R 457/18).

Verhandelt wurde in München über die Klage eines Rentners gegen die Nichtberücksichtigung der Zeit seines ALG-Bezugs innerhalb der letzten beiden Jahre vor der Rente bei der Wartezeit für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Erforderlich sind hierbei 45 Versicherungsjahre (= 540 Monate). Zusammen mit der versicherungspflichtigen Zeit des ALG-Bezugs hätte der Betroffene diese Hürde genommen.

Ausnahme von der Nichtberücksichtigung

Die Deutsche Rentenversicherung hatte die Anrechnung dieser Zeit auf die Wartezeit jedoch abgelehnt und ihm deshalb lediglich die Altersrente für langjährig Versicherte (ohne den Zusatz "besonders") zuerkannt. Diese wurde bloß mit einem erheblichen Rentenabschlag von 9 % gewährt.

Das bayerische LSG verurteilte die Rentenversicherung dagegen zur Zahlung der abschlagfreien Rente für besonders langjährig Versicherte. Generell regelt § 51 Abs. 3a SGB VI: Zu den Zeiten, die bei der 45-jährigen Wartezeit berücksichtigt werden, zählen u.a. auch solche des Bezugs der Versicherungsleistung ALG – mit einer wichtigen Ausnahme: Wenn der Versicherte in den letzten beiden Jahren vor Renteneintritt Arbeitslosengeld bezogen hat, wird diese Zeit im Regelfall nicht berücksichtigt. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass die Zeit des ALG-Bezugs als Brücke in die abschlagfreie Frührente genutzt wird.

Ausnahme von der Ausnahme

Es gibt aber eine Ausnahme von der Ausnahme, auch "Rückausnahme" genannt. Ist die Arbeitslosigkeit dadurch bedingt, dass der Arbeitgeber seinen Betrieb vollständig aufgegeben hat oder insolvent gegangen ist, dann zählt auch die darauffolgende Zeit des ALG-I-Bezugs unmittelbar vor der Rente bei der Wartezeit mit.

Im Münchener Fall war der ursprüngliche Arbeitgeber insolvent gegangen. Der Betroffene war jedoch durch die Insolvenz nicht unmittelbar arbeitslos geworden, sondern wurde zunächst in der nach Insolvenzanmeldung des Unternehmens gegründeten Transfergesellschaft übergangsweise beschäftigt. Dieses im entschiedenen Fall zehn Monate dauernde Transferarbeitsverhältnis wird – unstrittig – voll als versicherungspflichtige Beschäftigungszeit auf die Wartezeit bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte angerechnet.

Strittig war die anschließende Zeit des Arbeitslosengeld-Bezugs. Die Deutsche Rentenversicherung hatte diese nicht als Insolvenz-bedingt angesehen. Schließlich sei der letzte Arbeitgeber die Transfergesellschaft gewesen – und diese sei ja nicht insolvent geworden. Entsprechend hatte auch das BSG am 12.3.2019 entschieden (Az. B 13 R 19/17 R).

Spezieller Ausnahmefall

Das bayerische LSG bezog sich auf diese Entscheidung, befand jedoch, dass im aktuellen Fall die spezielle Vertragsgestaltung zu einer Anerkennung der Zeit des ALG-I-Bezugs als Wartezeit führen müsse. Entscheidend sei dabei, dass nicht nur der Aufhebungsvertrag (des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses), sondern auch der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden sind.

Diese Auslegung orientiere sich am Wortlaut des Gesetzes und stehe in Übereinstimmung mit Sinn und Zweck der Regelung und dessen Entstehungsgeschichte. Für diese Auslegung sprächen, so argumentiert das LSG weiter, auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen: "Würde man nun ältere Versicherte, die – wie der Kläger – nach eingetretener Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht mehr weiter beschäftigt werden könnten, faktisch zwingen, die insolvenzbedingte Kündigung abzuwarten, um nicht die Anwartschaft auf die abschlagfreie Rente für besonders langjährige Versicherte zu verlieren, würde man sie der politisch ausdrücklich erwünschten Möglichkeit berauben, mithilfe der Förderungsmöglichkeiten in einer Transfergesellschaft doch noch eine Anschlussbeschäftigung zu finden und eine Arbeitslosigkeit gerade zu vermeiden". Die Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen.

Dieses Urteil betrifft relativ wenige Ausnahmefälle. Zumeist ist weiterhin davon auszugehen, dass eine Zeit des Arbeitslosengeld-Bezugs vor der Rente nicht auf die für die abschlagfreie Rente geforderte 45-jährige Wartezeit angerechnet wird.

In solchen Fällen hilft ein völlig legaler Trick: Man bezieht Arbeitslosengeld, nimmt jedoch daneben einen Minijob auf. Wichtig ist, dass man es hierbei bei der – standardmäßig eintretenden – Rentenversicherungspflicht belässt. Die Zeit der Job-Ausübung zählt dann voll als normale versicherungspflichtige Beschäftigungszeit.

MS

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