Bußgeld: Keine Klage ohne gute Argumente
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Für was manche Menschen vor Gericht ziehen! Für eine Verwarnung in Höhe von 10,– €, die in Tübingen fällig wurde, weil eine Politesse entdeckt hatte, dass der Parkschein eines abgestellten Pkws um zwölf Minuten abgelaufen war.
Der Halter des Wagens wollte das fällige Verwarnungsgeld in Höhe von 10,– € nicht zahlen und führte das Argument an, sein Onkel aus Brasilien habe den Wagen am fraglichen Tag am fraglichen Ort abgestellt und den Parkverstoß begangen. Die Adresse des Onkels teilte er dann gleich mit.
Derartige Fälle sind den Ordnungsämtern wohlbekannt. Zur Anwendung kommt dann § 25a des Straßenverkehrsgesetzes, der die Überschrift trägt: "Kostentragungspflicht des Halters eines Kraftfahrzeugs".
Danach gilt: "Kann in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halte- oder Parkverstoßes der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden oder würde seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern, so werden dem Halter des Kraftfahrzeugs oder seinem Beauftragten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Er hat dann auch seine Auslagen zu tragen".
Zu erwähnen ist: Die Kosten des Verfahrens sind in solchen Fällen häufig höher als die Verwarnungskosten. Genau das geschah auch in Tübingen, und gegen einen entsprechenden Kostenbescheid zog der Pkw-Eigner vor Gericht.
Unangemessen hohe Ermittlungskosten
Der Fall wurde am 27.3.2020 vor dem dortigen Amtsgericht verhandelt. Dieses befand, dass in einem solchen Bagatellfall Ermittlungen in Brasilien unangemessen seien. Hier greife die Halterhaftung. Dem Betroffenen wurden zudem die Gerichtskosten auferlegt (Az. 16 OWi 788/20).
Das Gericht bezog sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1.6.1989. Das Gericht hatte dabei die Regelung zur Kostentragungspflicht des Halters eines Kraftfahrzeugs, die sich im Übrigen nur auf den ruhenden Verkehr bezieht, als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen.
Lesenswertes Urteil
Auszug aus der Urteilsbegründung: "Seit Beginn der 1970er-Jahre wurde beobachtet, dass Halter in zunehmendem Maße ihre Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers versagen. Halter lehnten entweder jede Aufklärung darüber ab, wem sie ihren Wagen überlassen haben und üblicherweise zur Verfügung stellen, oder sie berufen sich darauf, sich nicht mehr an den für den Tatzeitpunkt in Betracht kommenden Fahrer erinnern zu können. In erheblichem Umfang machen Halter auch geltend, dass ihr Fahrzeug von einem nahen Familienangehörigen gefahren werde, dessen Namen sie wegen Ausnutzung ihres Schweige- oder Aussageverweigerungsrechts nicht preisgeben müssten. Andere Halter verweisen auf Fahrer, die für die Behörden nicht erreichbar sein konnten, wie etwa ein angeblich wieder in das Ausland zurückgekehrter Freund oder ein angeblich unter vielen anderen in Betracht kommender Kaufinteressent. All das habe dazu geführt, dass die sich massenhaft ereignenden Bagatellverstöße im ruhenden Verkehr nicht mehr geahndet werden konnten, da über die Befragung des Halters hinausgehende Ermittlungen, weil unangemessen und außer Verhältnis zu der geringen Höhe der zu erwartenden Geldbuße stehend, unterblieben".
Vor diesem Hintergrund wurde die Klage gegen Kostentragungspflicht des Halters abgewiesen. Das gut formulierte Karlsruher Urteil ist noch heute lesenswert (Az. 2 BvR 239/88).
(MS)