Private Krankenversicherung: Auch 2022 teils drastische Beitragserhöhungen
Privatpatienten müssen in diesem Jahr erneut höhere Beiträge schultern.

Private Krankenversicherung: Auch 2022 teils drastische Beitragserhöhungen

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Auch dieses Jahr gibt es für viele privat Krankenversicherte teilweise deutliche Beitragserhöhungen. Einige Anbieter erhöhen die Prämie sogar um bis zu 45 %.

Die Gründe für den drastischen Anstieg liegen zum einen in der Entwicklung der Kosten im Gesundheitssystem. Übersteigen die tatsächlichen medizinischen Kosten einen bestimmten Schwellenwert, steigen auch die Beiträge der PKV. Erfolgen darf eine Beitragsanpassung jedoch nur, wenn die Versicherungsleistungen in einem Tarif nachweislich um einen bestimmten Prozentsatz höher liegen als ursprünglich kalkuliert. Der Gesetzgeber schreibt hier einen Prozentsatz von 10 % vor. Vertraglich kann in manchen Tarifen aber auch ein niedrigerer Schwellenwert vereinbart sein.

Ob eine entsprechende Abweichung vorliegt, kontrolliert ein unabhängiger Treuhänder. Ist der Schwellenwert erreicht, führt das dazu, dass die Erhöhung sprunghaft ausfällt, nachdem die Beiträge zuvor oft mehrere Jahre konstant geblieben oder nur moderat gestiegen sind. Den Versicherten werden die Kosten der sogenannten medizinischen Inflation nachträglich auf einen Schlag in Rechnung gestellt. Ausgelöst werden kann eine Beitragsanpassung ebenso, wenn die realen von den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten um mehr als 5 % abweichen.

Doch auch Änderungen beim Rechnungszins haben Einfluss auf die Entwicklung der Prämien der PKV, denn wenn der Schwellenwert erreicht wird, müssen bei der Berechnung der neuen Prämien alle Faktoren mitgedacht werden, die diese beeinflussen. Darunter fallen auch die Altersrückstellungen – also die Teile der Beitragseinnahmen, welche die Versicherer am Kapitalmarkt anlegen, um damit für die Versicherten die Beiträge im Alter möglichst stabil zu halten. Die so erzielte Rendite wird als Rechnungszins bezeichnet, der jahrzehntelang bei 3,5 % lag.

Infolge der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank erwirtschaftet die PKV aus den neuen festverzinslichen Geldanlagen deutlich weniger Erträge. Sämtliche Versicherer haben deshalb ihren Rechnungszins abgesenkt. Das wirkt sich auch unmittelbar auf die Beitragshöhe aus.

Nach Urteil zu ungültigen Erhöhungen: Beiträge für vergangene Jahre zurückfordern

Immer wieder kommt es angesichts von Beitragsanpassungen (BAP) in der PKV zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Versicherten und Versicherungsunternehmen. Zwei Fälle verhandelte der Bundesgerichtshof (BGH) und sprach folgenreiche Urteile (Az. IV ZR 294/19; IV ZR 314/19). Sie bestätigen, dass Beitragsanpassungen in der PKV nur wirksam sind, wenn der Kunde ausreichend informiert wurde. Eine BAP nach § 203 Abs. 2 VVG tritt demzufolge erst dann in Kraft, wenn dem Versicherten eine Begründung für die Anpassung zugekommen ist, die den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt. Die Versicherung muss benennen, bei welcher der Rechnungsgrundlagen – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder bei beiden – die Schwellenwerte überschritten wurden. Eine Pflicht, über die konkrete Veränderung einer Rechnungsgrundlage zu informieren, besteht hingegen nicht.

Geklagt hatten zwei Versicherte gegen die Prämienerhöhungen ihres Versicherers AXA aus den Jahren 2014 bis 2017. Die Anschreiben für die Jahre 2014 bis 2016 ohne Information darüber, welche Grundlage der Berechnung sich konkret verändert hatte, befanden die Richter des BGH für nicht rechtskonform. Infolge musste das Unternehmen die Erhöhungsbeträge zurücknehmen und zuzüglich Zinsen zurückerstatten. Die Prämienanpassung aus dem Jahr 2017 war aus Sicht des Gerichts hingegen ausreichend begründet.

In der Regel weisen Schreiben der verschiedenen Anbieter viele Ähnlichkeiten auf. So liegen für einige Versicherer bereits Entscheidungen und Gerichtshinweise vor, die das bestätigen.

In welchen Fällen kann eine Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrags ungültig sein?

Nicht nur aus formalen Gründen kann eine Prämienanpassung unwirksam sein. In vielen anderen Gerichtsentscheiden wurden Preiserhöhungen aufgrund inhaltlicher Fehler für ungültig erklärt.

Gegeben ist das in folgenden Fällen:

→ aus Werbezwecken anfangs offensichtlich zu niedrig kalkulierte Tarife, die später teurer werden,

→ fehlende Voraussetzung für eine Kostensteigerung und

→ falsche Berechnung der Kosten.

Richter entschieden beispielsweise Folgendes:

→ Schwellenwert nicht erreicht (Landgericht Bonn, Az. 9 O 396/17): Die DKV hatte Beiträge erhöht, nachdem die Kosten um rund 7 % gestiegen waren. Der gesetzliche Schwellenwert von 10 % war also nicht erreicht worden. In ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen hatte die DKV den Schwellenwert auf 5 % abgesenkt. Diese Regelung erklärte das Gericht aber ebenfalls als unwirksam.

→ Erhöhung mit einem Alterssprung begründet (Amtsgericht Berlin Lichtenberg, Az. 11 C 178/19): Eine Erhöhung ist unwirksam, wenn Prämien automatisch bei Vorliegen eines Alterssprungs angepasst werden; also unabhängig von einer Veränderung der Leistungsausgaben. Die DKV beispielsweise hatte eine entsprechende Regelung in ihren Versicherungsbedingungen (AVB) stehen.

Wie kann ich zu viel gezahlte Krankenversicherungsbeiträge zurückfordern?

Wenn Ihnen die Prämienerhöhungen Ihrer privaten Krankenversicherung ungerechtfertigt hoch oder nicht ausreichend begründet erscheinen, können Sie diese – auch rückblickend – überprüfen lassen und sich diesbezüglich an die Verbraucherzentrale oder eine auf solche Fälle spezialisierte Kanzlei wenden.

Versuchen Sie zunächst, die Erhöhung auf außergerichtlichem Weg rückgängig zu machen. Ihr Anwalt wird in der Regel die PKV anschreiben und den Betrag zurückfordern. Selten folgen Versicherer diesem Ansinnen jedoch widerspruchslos. Im nächsten Schritt bleibt Ihnen nur, auf die Erstattung zu klagen. Lassen Sie sich zuvor vom Anwalt über die Erfolgsaussichten und das Kostenrisiko Ihrer Klage beraten. Sonst kann es teuer für Sie werden, falls Sie das Verfahren verlieren – es sei denn, Sie verfügen über eine Rechtsschutzversicherung. Außerdem: Seien Sie skeptisch, wenn Sie im Internet oder sozialen Medien auf selbst ernannte Helfer stoßen, die anbieten, für Sie hohe Rückzahlungen zu erstreiten, aber mit betrügerischen Methoden nur an Ihr Geld wollen. Mitunter nehmen solche Betrüger sogar direkt Kontakt mit Verbrauchern auf.

Wichtig: Versendet der Versicherer ein Schreiben, in dem er dem Versicherten die Gründe für die Erhöhung nachträglich mitteilt, heilt dies den vorherigen Formfehler nur für die Zukunft. Die zu viel gezahlten Beiträge der letzten Jahre kann der Versicherte also weiterhin zurückfordern.

Was kann ich tun, wenn die Krankenversicherungsbeiträge zu hoch werden?

Wer nach einer Beitragsanpassung Probleme hat, die Prämie seiner privaten Krankenkasse weiterhin zu zahlen, hat verschiedene Möglichkeiten zu reagieren.

In einen anderen Versicherungstarif wechseln

Durch einen Wechsel des Tarifs innerhalb des Versicherers lassen sich die PKV-Kosten senken. Dazu haben Versicherte jederzeit das Recht. Die Anbieter müssen Ihnen Möglichkeiten und Tarife aufzeigen, bei denen Sie nach einer Beitragsanpassung Kosten sparen können. Beim Wechsel bleiben alle aufgebauten Altersrücklagen erhalten.

Auf eine erneute Gesundheitsprüfung verzichtet der Versicherer, wenn der Leistungsumfang des neuen Tarifs nicht über dem des alten Tarifs liegt. Achtung: Ein Umstieg auf den Standardtarif der PKV ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, der Wechsel in den Basistarif nur eine Notlösung. Beide Tarifarten ersparen dem Versicherten Kosten, gehen aber mit Leistungseinschränkungen einher.

Der Wechsel in den Tarif eines anderen Anbieters ist ebenfalls möglich, aber nicht unbedingt von Vorteil. Die bereits aufgebauten Altersrückstellungen bleiben dabei zwar ebenfalls erhalten, allerdings darf der neue Krankenversicherer eine Gesundheitsprüfung zur Risikoeinschätzung vornehmen. Das kann dazu führen, dass Sie den gewünschten Versicherungsschutz nicht erhalten oder dies nur zu einem sehr hohen Beitrag.

Versicherungsleistungen verringern

Beiträge lassen sich auch sparen, wenn der Versicherte auf Leistungen verzichtet.

Folgende Leistungen lassen sich kürzen, ohne dass dabei bei Bedarf die Behandlung eingeschränkt ist:

→ Einbettzimmer im Krankenhaus streichen: Umstieg auf einen Zweibett- oder Mehrbettzimmer-Tarif (letzterer meist ohne Chefarztbehandlung).

→ Auf freie Arztwahl verzichten: Umstieg auf Haus- bzw. Primärarztprinzip. Der Versicherte muss dann bei Behandlungsbedarf erst zum Hausarzt, der ihn zum Facharzt überweist.

Selbstbeteiligung erhöhen

Wer bislang keine Selbstbeteiligung vereinbart hatte, kann damit seine Beitragssteigerung reduzieren. Das gilt auch für die Erhöhung des bisherigen Selbstbehalts. Oft liegt die Ersparnis beim Beitrag dabei höher, als der Versicherte für die Eigenbeteiligung ausgeben muss.

Das lohnt sich vor allem für Freiberufler und Selbstständige. Für Angestellte in der Regel nicht: Sie teilen sich die Beitragsersparnis mit dem Arbeitgeber, müssen den höheren Eigenanteil aber komplett allein bezahlen.

In die gesetzliche Krankenversicherung wechseln

Eventuell kommt ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) infrage. Möglich ist dies allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen:

→ Versicherter ist nicht älter als 55 Jahre.

→ Einkommen unterschreitet die Grenze (64.350,– €/Jahr oder 5.362,50 €/Monat brutto).

→ Selbstständiger wird Angestellter und Einkommen liegt unter Verdienstgrenze.

→ Arbeitslosigkeit: Wer unter 55 Jahre alt ist und sich arbeitssuchend meldet, kommt in die GKV.

→ Voraussetzung bei Arbeitslosen über 55 Jahre: in den letzten fünf Jahren mindestens ein Tag in der GKV.

Unser Ratgeber  Private Krankenversicherung im Alter erläutert die Möglichkeiten, die Versicherungsbeiträge im Ruhestand zu senken.

Informieren Sie sich mit unseren sechs Ratgebern zum Thema Pflege über Ihre Rechte und alle notwendigen Abläufe: Die private Pflegeversicherung, Pflegefall – Was nun?, Der Pflegeassistent, Ehrenamtliche Pflegekräfte, Pflegekräfte aus dem Ausland, Rechte und Ansprüche des Pflegenden.

(MS)

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