Kranke Großeltern: Bezahlte Freistellung für Enkel möglich
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Kranke Großeltern: Bezahlte Freistellung für Enkel möglich

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Wer kranke Großeltern betreuen muss und daher vorübergehend seiner Arbeitsverpflichtung nicht nachkommen kann, hat unter Umständen für einige Tage Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber.

Das entschied das Arbeitsgericht Aachen (Urteil vom 17.6.2021, Az. 7 Ca 2748/20).

Im entschiedenen Fall verlangte ein Arbeitnehmer, von seinem Arbeitgeber für die Pflege seiner Großmutter für einige Tage bezahlt freigestellt zu werden. Die Großmutter war zuvor gestürzt, konnte nicht mehr richtig gehen und benötigte vorübergehend die Hilfe ihres Enkels. Der Arbeitgeber aber weigerte sich, für die Tage, in der der Enkel von der Arbeit freigestellt war, Lohn fortzuzahlen. Sein Argument: Die Großmutter sei keine »nahe Angehörige«. § 616 BGB regelt hierzu, dass ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bestehen kann, wenn ein Arbeitnehmer »für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird«.

Wann ein solcher persönlicher Grund vorliegt, lässt sich anhand des Gesetzestextes nicht klären. Hierzu gibt es zahlreiche Gerichtsurteile. Ob und wie lange gegebenenfalls ein Anspruch auf Freistellung besteht, hängt danach unter anderem von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Soweit die Krankheit eines Angehörigen Anlass für die Freistellung ist, ist eine bezahlte Freistellung allenfalls so lange möglich, bis eine alternative Betreuungsmöglichkeit organisiert werden kann.

Zu einer Reihe von Freistellungsgründen gibt es tarifliche Regeln (etwa zur eigenen Hochzeit, der goldenen Hochzeit der Eltern, dem Tod des Ehepartners). Eine bezahlte Freistellung nach § 616 BGB kann allerdings auch tariflich oder arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden.

Die Rechtslage ist also – gelinde gesagt – etwas undurchsichtig. Auch wer genau als »naher Angehöriger« zählt (bei dessen Erkrankung eine bezahlte Freistellung infrage kommt), ist nicht ganz geklärt. So sind nach § 15 Abgabenordnung Großeltern keine nahen Angehörigen, nach § 7 Abs. 3 Pflegezeitgesetz zählen sie jedoch hierzu. Im Aachener Fall berücksichtigte das Gericht, dass der Enkel im gleichen Haus wie die Großmutter wohnte und zugleich als deren Betreuer eingesetzt war, auch aus diesen Gründen wurde ihm wohl die bezahlte Befreiung zugestanden.

Regelungen bei Pflegebedürftigkeit

Günstiger und klarer ist die Regelung, wenn Großeltern pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung sind.

Beschäftigte haben nämlich dann das Recht »bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen«.

Wenn Sie zur Pflegeorganisation von der Arbeit freigestellt sind, haben Sie in der Regel Ihrem Arbeitgeber gegenüber keinen Gehaltsanspruch. Sie können jedoch stattdessen Pflegeunterstützungsgeld beantragen, das für maximal zehn Tage den Lohn ersetzt.

Als naher Angehöriger zählen dann – so regelt es das Gesetz ausdrücklich – auch die Großeltern.

Pflegeversicherung: Wer zählt als Angehöriger?

Die Freistellung zur Pflegeorganisation kann genommen werden für die Betreuung von

  • Großeltern, Eltern, Schwieger- oder Stiefeltern,

  • Ehegatten, Lebenspartnern, Partnern einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwistern, Schwägerinnen und Schwägern,

  • Kindern, Adoptiv- oder Pflegekindern (eigene und die des Ehegatten oder Lebenspartners), Schwieger- und Enkelkindern.

Wie beantragt man Pflegeunterstützungsgeld?

Das Pflegeunterstützungsgeld wird von der Pflegekasse oder der privaten Kranken- und Pflegeversicherung des gepflegten Angehörigen gezahlt. Ist Ihre pflegebedürftige Großmutter beispielsweise in der AOK versichert, so müssen Sie das Pflegeunterstützungsgeld auch bei der AOK beantragen – ganz egal, wo Sie selbst versichert sind.

Geregelt ist das in § 44a Abs. 3 SGB XI. Danach steht das Pflegeunterstützungsgeld Beschäftigten im Sinne des Pflegezeitgesetzes zu, die für die Zeit der pflegebedingten kurzzeitigen Freistellung »keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und kein Kranken- oder Verletztengeld bei Erkrankung oder Unfall eines Kindes« erhalten.

Damit die Pflegekasse Ihr Pflegeunterstützungsgeld berechnen kann, muss Ihr Arbeitgeber eine Entgeltbescheinigung ausfüllen und Ihnen diese aushändigen. Dort muss unter anderem eingetragen sein, wie hoch das durch die Freistellung ausgefallene Arbeitsentgelt war. Weiterhin muss angegeben werden, ob und bei welchen Trägern Sie selbst kranken-, renten- und arbeitslosenversichert ist und ob Sie in den letzten zwölf Monaten beitragspflichtige Einmalzahlungen – wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld – erhalten haben. In diesem Fall wird von der Pflegekasse meist der volle ausgefallene Lohn ersetzt, maximal aber 112,88 Euro pro Tag. 

(AI)

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