Am Steuertropf: Pflegekassen erhalten eine Milliarde Steuermittel
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Das Finanzministerium sichert kurzfristig eine Milliarde Euro zu, um die soziale Pflegeversicherung vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Grund sind pandemiebedingte Mehrausgaben. Diese könnten sogar auf fünf Milliarden Euro steigen.
Das Bundesfinanzministerium warnt in einem zweiseitigen Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestags vor der Zahlungsunfähigkeit der Pflegeversicherung. Staatssekretärin Bettina Hagedorn (SPD) schreibt darin, "zur Liquiditätssicherung der sozialen Pflegeversicherung [sei] spätestens Anfang Oktober 2021 eine Zahlung von Bundesmitteln in Höhe von einer Milliarde Euro an die soziale Pflegeversicherung notwendig". Das berichtete am Freitag (24.9.) zuerst die "Bild"-Zeitung.
Grund seien pandemiebedingte Mehrkosten. Die Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hätten Pflegeeinrichtungen dazu verpflichtet, verschärfte Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um eine Infektion der Pflegebedürftigen sowie der Pflegekräfte zu verhindern. Diese Mehrkosten würden nicht durch den bisherigen Beitragssatz zur Pflegeversicherung abgedeckt, wie es in dem Dokument heißt. Folge: ein finanzielles Loch in der Pflegekasse.
Durch die Überweisung der Steuermittel werde eine sonst drohende Zahlungsunfähigkeit vermieden und der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung im Jahr 2021 konstant gehalten, heißt es in Hagedorns Schreiben.
Pflegeleistungen nicht gefährdet
Pflegebedürftige müssen trotz der hohen Corona-Kosten keine Sorge haben, dass ihre Pflegeleistungen nicht mehr von der Pflegekasse bezahlt werden würden. Laut Bundesgesundheitsministerium sei der Milliardenzuschuss bereits im "Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung" enthalten, das im Juni 2021 beschlossen worden war.
Schon am 5. Oktober soll die soziale Pflegeversicherung einen Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro erhalten, um eine Insolvenz der Pflegekassen abzuwenden. Das gehe aus einem Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums hervor, wie das "Handelsblatt" am Freitag berichtet. Die "unvorhergesehenen pandemiebedingten Mehraufwendungen" könnten nicht vollständig im Rahmen des geltenden Beitragssatzes bis Ende dieses Jahres finanziert werden, heißt es in der Begründung. "Zur Liquiditätssicherung der Pflegekassen ist daher die Gewährung von Bundesmitteln an die soziale Pflegeversicherung notwendig", zitiert das "Handelsblatt".
Fünf Milliarden Euro Corona-Mehrkosten?
In einem internen Schreiben des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gehe der Verband laut "Handelsblatt" von deutlich höheren Mehrausgaben der Pflegekassen durch die Pandemie aus. Diese könnten bis zu fünf Milliarden Euro betragen – je nach Verlauf der vierten Welle. "Damit die Pflegekassen zum Jahresende tatsächlich ihr Betriebsmittel- und Rücklagensoll erreichen können, wird nach aktuellen Modellberechnungen des GKV-Spitzenverbandes ein Bundeszuschuss in Höhe von rund fünf Milliarden Euro benötigt", heiße es laut "Handelsblatt" in dem Schreiben.
Es bestehe die erhebliche Gefahr, "dass es bei einzelnen Pflegekassen im November zu Liquiditätsproblemen kommen wird", zitiert das "Handelsblatt" den Spitzenverband. In diesem Monat sei die Belastung der Kassen mit einem Defizit von 2,1 Milliarden Euro am größten, das erst im Dezember durch höhere Beitragseinnahmen auf ein Minus von 1,6 Milliarden Euro gesenkt werde.
Die von Gesundheitsminister Spahn nun zugesagte eine Milliarde Euro sei nach Ansicht der GKV-SV zu wenig, um die Pflegekassen über Wasser zu halten. Damit steige laut "Handelsblatt" nicht nur die Abhängigkeit der gesetzlichen Krankenkassen von Steuerzuschüssen, die stetig gestiegen seien und in diesem Jahr bei bereits 21,5 Milliarden Euro lägen. Auch die Pflegekassen gerieten zunehmend in Abhängigkeit vom Staatshaushalt, die überhaupt erst seit 2020 einen Steuerzuschuss erhalten.
Im Sommer vergangenen Jahres habe Gesundheitsminister Spahn den Pflegekassen zum ersten Mal eine Finanzspritze von 1,8 Milliarden Euro zugesagt, um höhere Beiträge an die Pflegeversicherung abzuwenden, berichtet das "Handelsblatt". Die Bundesregierung hätte sonst ihre Garantie nicht halten können, dass die Sozialbeiträge nicht über die 40-Prozent-Marke steigen.
Die in diesem Jahr beschlossene Pflegereform beinhaltet zudem einen regelmäßigen Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro ab dem kommenden Jahr. Zudem werden die Beitragssätze für Kinderlose angehoben.
(MS)