Heizkostenschuss geplant: Ist nun Wohngeld oder Grundsicherung höher?
Wegen erhöhter Heizkosten bald Hilfen in Sicht.

Heizkostenschuss geplant: Ist nun Wohngeld oder Grundsicherung höher?

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Immer mehr Menschen haben Anspruch auf Sozialleistungen wie Grundsicherung und Wohngeld. Welche Sozialleistung lukrativer ist, hängt von örtlichen Gegebenheiten ab – und vom neu eingeführten Heizkostenzuschuss.

Der leichtere Zugang zu Sozialleistungen liegt an den höheren Freibeträgen, die in den vergangenen Jahren eingeführt wurden, beispielsweise für private und gesetzliche Altersrenten.

Dabei steht es nach einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) den Betroffenen weitgehend frei, ob sie sich für Wohngeld oder die Leistung der Sozialämter entscheiden. Je nach persönlicher Situation und je nach den örtlichen Regelungen kann die eine oder die andere Leistung günstiger sein (Az. B 8 SO 2/20 R).

Welche Sozialleistung hat Vorrang?

Verhandelt wurde in Kassel über den Fall eines Berliner Altersrentners, der zunächst neben seiner Rente zusätzlich Wohngeld bezogen hatte. Zusammen mit dem Wohngeld wurde er mit seinem Einkommen über die Sozialhilfe-Schwelle gehoben. Er hatte also keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter.

Nach dem Auslaufen des Wohngeld-Bewilligungszeitraums verzichtete er jedoch auf einen erneuten Antrag auf Wohngeld und beantragte Grundsicherung im Alter. Im Verständnis der Sozialämter bedeutet das: Er machte sich selbst zum Bedürftigen, indem er auf Wohngeld verzichtete.

Dabei hatte er folgendes Kalkül: Er wollte sich die Vergünstigungen für Sozialhilfeempfänger sichern, die Bezieher von Wohngeld noch nicht erhielten, u.a. den Berlin-Pass, der den Erwerb eines Sozialtickets für den öffentlichen Personennahverkehr ermöglicht.

Unterm Strich wurde er so bessergestellt als durch die Kombination von Altersrente und Wohngeld. Doch damit entschied er sich aus freien Stücken, eine Leistung zu beziehen, die im Grundsatz die Kommunen finanzieren, während die Kosten vom Wohngeld je zur Hälfte vom Bund und den Ländern getragen werden.

Das passte dem Berliner Sozialamt nicht, es lehnte den Sozialhilfeantrag ab. Dabei bezog es sich auf den Nachranggrundsatz bei der Sozialhilfe, der in § 2 Abs. 1 SGB XII geregelt ist. Danach gilt: "Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält".

Das Bundessozialgericht befand nun, dass der Nachranggrundsatz "keine isolierte Ausschlussnorm" ist, sondern lediglich als ein "Programmsatz" anzusehen ist, der keine unmittelbaren Rechtsfolgen hat.

Das bedeutet unter anderem: Senioren haben das Recht, auf einen Wohngeldantrag zu verzichten und stattdessen Grundsicherung im Alter zu beziehen.

Für viele Senioren könnte die umgekehrte Variante interessant sein: der Verzicht auf Sozialhilfe und stattdessen die Beantragung von Wohngeld oder Lastenzuschuss, wie der Zuschuss zu den Wohnkosten für Eigentümer genannt wird. Mancher dürfte es als Vorteil sehen, dass er so von dem mitunter gewöhnungsbedürftigen Klima verschont bleibt, das in vielen Sozialämtern herrscht. Wohngeld und die Wohngeldstellen haben eben immer noch einen besseren Ruf als Sozialhilfe und die Sozialämter.

Wohngeld bald mit Heizkostenzuschuss?

Wohngeld kann sich aktuell noch aus einem anderen Grund besonders auszahlen: Mit einem Zuschuss zu den Heizkosten will die Bundesregierung finanziell schwachen Bürgern unter die Arme greifen, denn seit dem vergangenen Jahr sind die Preise für Heizöl, Strom und Gas geradezu explodiert.

Um die damit verbundene finanzielle Mehrbelastung wenigstens für Geringverdiener aufzufangen, wollen SPD, Grüne und FDP ihnen einen einmaligen Zuschuss zahlen.

Wer soll den Zuschuss bekommen?

Profitieren sollen vor allem die Bezieher von Wohngeld, also Haushalte mit niedrigem Einkommen. Die Ampel-Regierung will aber auch Studenten mit BAföG, Empfänger von Aufstiegs-BAföG und Auszubildende unterstützen, die Berufsausbildungsbeihilfe bekommen.

Bei den Wohngeld-Empfängern ist Voraussetzung, dass sie die Sozialleistung in der Heizphase zwischen Oktober 2021 und März 2022 mindestens einen Monat lang bezogen haben oder beziehen.

Wie hoch soll der Zuschuss sein?

Die Höhe des Zuschusses hängt davon ab, mit wie vielen Personen man zusammenwohnt, denn es wird angenommen, dass in einer kleinen Single-Wohnung weniger geheizt werden muss als bei einer Familie.

Wer allein wohnt und Wohngeld bezieht, soll einmalig 135,- € bekommen, ein Zwei-Personen-Haushalt 175,- €. Für jede zusätzliche Person im Haushalt gibt es weitere 35,- €. Für Studentinnen, Studenten und Azubis sind pauschal 115,- € pro Person vorgesehen.

Wann wird der Zuschuss ausgezahlt?

Das Geld soll spätestens dann auf dem Konto sein, wenn im Sommer die Nachzahlung ansteht. Konkret soll das Gesetz am 1.6.2022 in Kraft treten.

Die meisten Haushalte werden die Förderung automatisch mit dem Wohngeld oder der Berufsausbildungshilfe überwiesen bekommen. Auf andere Sozialleistungen wird der Zuschuss nicht angerechnet.

Auch wer kein Wohngeld bekommt, kann die hohen Energiepreise schmerzhaft zu spüren bekommen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben deshalb in Aussicht gestellt, dass die Ökostrom-Umlage für die Verbraucher früher wegfallen könnte als geplant. Bereits zur Jahresmitte könnte die EEG-Umlage von der Stromrechnung gestrichen werden – laut Lindner eine Milliardenentlastung für Familien, die Rentnerin, den Empfänger von Bafög oder Grundsicherung und Mittelstand und Handwerk. Die Umlage soll dann allerdings aus dem Bundeshaushalt, also mit Steuergeld finanziert werden.

Beim Wohngeld mehr Freiheiten

Über den Heizkostenzuschuss hinaus haben Wohngeld-Bezieher mehr Freiheiten – etwa, wenn es um einen längeren Auslandsurlaub geht.

Erwerbsgeminderte und Senioren, die Grundsicherung im Alter erhalten, dürfen sich nicht länger als vier Wochen im Ausland aufhalten. Die Regelung findet sich in § 41a SGB XII. Dort heißt es: "Leistungsberechtigte, die sich länger als vier Wochen ununterbrochen im Ausland aufhalten, erhalten nach Ablauf der vierten Woche bis zu ihrer nachgewiesenen Rückkehr ins Inland keine Leistungen". Eine entsprechende Regelung gibt es beim Wohngeld nicht.

Wohngeld wird also auch noch weitergezahlt, wenn ein Bezieher beispielsweise auf den Kanarischen Inseln überwintert. Diese Leistung wird nach der Wohngeld-Verwaltungsvorschrift gezahlt, solange der Lebensmittelpunkt des Beziehers sich in der Wohnung befindet, für die Wohngeld oder Lastenzuschuss geleistet wird. Ausdrücklich heißt es hier: "Der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ändert sich nicht allein deshalb, weil die Person ihren Aufenthalt zeitlich begrenzt".

(MS)

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