Pauschalreisen in Corona-Zeiten
-
Die Deutschen sind Reiseweltmeister. Doch dann kam Corona, und alle Pläne mussten über Bord geworfen werden. Lockdown, Reisewarnungen, Einreiseverbote machten den Urlaubern einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Welche Rechte haben Pauschaltouristen in diesem Fall? Muss ich die Reise bezahlen oder kann ich sie kostenfrei stornieren?
Nahezu täglich ändern sich weltweit die Vorgaben, ob und wie gereist werden kann. Informieren Sie sich tagesaktuell unter www.auswaertiges-amt.de über die aktuelle Lage. Das Auswärtige Amt hatte im Frühjahr eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen, die bis zum 15. Juni galt. Auch wenn diese weltweite Reisewarnung aufgehoben wurde, so existieren dennoch Reisewarnungen für einzelne Länder und Regionen.
Existiert eine solche Reisewarnung für Ihr Urlaubsland, so können Sie, ohne dass weitere Kosten für Sie entstehen, von der Reise zurücktreten. Etwaige Restzahlungen, die vertragsgemäß zu erbringen wären, brauchen Sie nicht zu leisten. Geleistete Anzahlungen sind Ihnen vom Reiseveranstalter zu erstatten.
Die Politik diskutierte zunächst die sogenannte Gutscheinlösung. Geleistete Anzahlungen sollten nicht zurückgezahlt, sondern in Form von Gutscheinen kompensiert werden. Auch wenn die Bundesregierung im Mai 2020 von dieser Lösung Abstand nahm, so versuchen dennoch einige Anbieter, Rückzahlungen zu umgehen, indem sie einen Gutschein anbieten.
Sie können den Gutschein annehmen. In diesem Fall tragen Sie aber das Insolvenzrisiko des Reiseveranstalters, das ggf. nur unzureichend über die im Gesetz verbindlich vorgeschriebenen Sicherungsscheine geschützt ist. Lehnen Sie den Gutschein ab und fordern Sie die Zahlung, riskieren Sie ebenfalls die Insolvenz des Reiseveranstalters, denn fordern zu viele Urlauber ihr Geld zurück, kann ein Liquiditätsengpass beim Reiseveranstalter entstehen.
Der kostenfreie Rücktritt kann auf jeden Fall dann erklärt werden, wenn für das Zielland eine Reisewarnung besteht. In diesem Fall liegt nach Auffassung der deutschen Gerichte immer ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vor, der zu einem kostenfreien Rücktritt von der Reise berechtigt.
Stornieren Sie die Reise zu früh, können die Kosten auf Sie zukommen, wenn die Reisewarnung zwischenzeitlich für das Urlaubsland aufgehoben wurde. Lassen Sie sich vor der Stornierung der Reise von auf Reiserecht spezialisierten Stellen, seien es Anwälte oder die Verbraucherzentralen, beraten. Gerade bei teuren Reisen kann sich eine entgeltpflichtige Beratung lohnen.
Die Reisenden, die erst in einigen Wochen oder vielleicht sogar Monaten ihre Reisen antreten, stehen vor der finanziell bedeutenden Frage, ob sie fällige Restzahlungen leisten sollen. Eine klare Antwort hierauf ist leider nicht möglich, denn die weiteren Entwicklungen und auch die politischen Entscheidungen können sich in kurzen Abständen ändern.
So können negative Entwicklungen selbst in einzelnen Regionen des Urlaubslandes zu regionalen Maßnahmen führen, die entweder zu Quarantänemaßnahmen oder zu Vorgaben zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes führen (siehe Mallorca im Juli 2020), die zumindest subjektiv zu erheblichen Einschränkungen der Urlaubsfreuden führen.
Es besteht ein vertraglicher Anspruch des Reiseveranstalters, diese Restzahlung einfordern zu können, wenn weder eine Reisewarnung noch andere erhebliche Gründe gegen eine Durchführung der Reise sprechen.
Neben der Ungewissheit, ob die Reise tatsächlich durchgeführt wird, tragen Sie als Reisender im Falle der Zahlung aber auch das Insolvenzrisiko des Anbieters. Als Pauschaltourist ist das Risiko einer Insolvenz des Reiseveranstalters durch einen Sicherungsschein abgemildert. In Deutschland wurde diese Sicherung aber nur unzureichend umgesetzt, sodass der Staat im Falle der Thomas-Cook-Insolvenz eintrat, um Verluste der Pauschaltouristen zu verhindern.
Verlangt der Anbieter die Restzahlungen und möchten Sie sich die Möglichkeit der Reise solange wie möglich offenhalten, kommen Sie grundsätzlich um eine Zahlung nicht herum. Bei Nichtzahlung riskieren Sie eine Mahnung und im schlimmsten Fall eine kostenpflichtige Kündigung des Reisevertrags. Um Streit zu vermeiden, sollten Sie frühzeitig Kontakt zum Reiseveranstalter aufnehmen, um die Angelegenheit mit ihm zu besprechen.
Hat das Auswärtige Amt keine Reisewarnung ausgesprochen, bedeutet das nicht, dass eine Stornierung der Reise unmöglich ist. Ausschlaggebend ist allein das Vorliegen der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände. Solche Umstände nehmen die Gerichte bei Reisewarnungen an. In welchen Fällen außerhalb einer Reisewarnung solche Umstände gegeben sind, werden die Gerichte in den kommenden Jahren zu klären haben.
Diese Rechte der Pauschaltouristen sind im Gesetz definiert. Anders liegen die Rechte der Individualurlauber, für die kein Sicherungssystem existiert. Hinzu kommt, dass Unterkünfte oder auch andere Dienstleistungen direkt beim Anbieter vor Ort gebucht werden, sodass allein die Anwendbarkeit deutschen Rechts zweifelhaft ist.
Lassen Sie sich als Individualtourist unabhängig beraten. Kontaktieren Sie die Beratungsstellen Ihrer zuständigen Verbraucherzentrale. Eine Reiserücktrittskostenversicherung hilft grundsätzlich nicht weiter, da typischerweise Fälle der eigenen Erkrankung oder andere bestimmte Ereignisse (z.B. Tod von Verwandten, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit) versichert sind. Selbst bei Erkrankung des Urlaubers an COVID-19 kann es zu Problemen bei der Erstattung durch die Versicherung kommen, denn die Klassifizierung als Pandemie wird Versicherer dazu verleiten, höhere Gewalt im Sinne der Versicherungsbedingungen einzuwenden, sodass eine Versicherungsleistung nicht fällig würde.
(MS)