Öffentlicher Dienst: BGH bestätigt Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte in der VBL
Der BGH hat die Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte in der VBL bestätigt.

Öffentlicher Dienst: BGH bestätigt Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte in der VBL

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Der Bundesgerichtshof beendet einen jahrelangen Streit und bestätigt die Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentenferne Versicherte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.

Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück und erklärte, die Vorinstanz habe ohne Rechtsfehler angenommen, dass die für rentenferne Versicherte getroffene Übergangsregelung wirksam sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine anderweitige Berechnung ihrer Startgutschrift (BGH-Urteil vom 20.9.2023, Az. IV ZR 120/22).

Die Argumente des BGH waren dabei im Einzelnen:

  • Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Ermittlung der Startgutschrift für die Berechnung der Voll-Leistung die von der Höchstversorgung in Abzug zu bringende voraussichtliche gesetzliche Rente des Versicherten nicht individualisiert, sondern nach dem bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen allgemein zulässigen Verfahren (dem sogenannten Näherungsverfahren) zu ermitteln ist.

  • Die Anwendung des Näherungsverfahrens verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen und der Regelung hochkomplizierter Materien, wie der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, können typisierende und generalisierende Regelungen zulässig sein.

  • Die Anwendung des Näherungsverfahrens bewirkt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Insbesondere liegt keine unzulässige Benachteiligung weiblicher rentenferner Versicherter vor.

  • Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Startgutschriftenermittlung nunmehr ein gleitender Anteilssatz von 2,25 % bis 2,5 % für jedes Jahr der Pflichtversicherung zugrunde liegt. Durch die Einführung des gleitenden Anteilssatzes können bei einem angenommenen Renteneintritt mit 65 Lebensjahren nunmehr – anders als noch nach der Vorgängerregelung – auch Versicherte mit einem Diensteintrittsalter zwischen 20 Jahren und sieben Monaten und 25 Jahren theoretisch eine Startgutschrift von 100 % der Voll-Leistung und damit die höchstmögliche Versorgung erreichen. Damit entfällt insbesondere die bisherige Benachteiligung von Versicherten mit längeren Ausbildungszeiten, die nach einem Studium oder einer Ausbildung außerhalb des öffentlichen Dienstes üblicherweise bis zum 25. Lebensjahr in den öffentlichen Dienst eintreten.

  • Es verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch bewirkt es eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters, dass Versicherten mit einem Eintrittsalter von mehr als 25 Jahren infolge der Deckelung des Anteilssatzes auf 2,5 % weiterhin die höchstmögliche Versorgung auch theoretisch nicht erreichen können. In Anbetracht eines typischen Erwerbslebens von mindestens 40 Jahren ist es nicht zu beanstanden, dass Versicherte die höchstmögliche Versorgung lediglich unter der Voraussetzung einer erreichbaren Pflichtversicherungszeit von mindestens 40 Jahren erzielen können.

  • Der gleitende Anteilssatz bewirkt ferner keine neue unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters der vor Vollendung des 25. Lebensjahres in den öffentlichen Dienst eingetretenen Versicherten.

  • Die Übergangsregelung für rentenferne Versicherte ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit nicht zu beanstanden. Eine einseitige Belastung bestimmter Versichertengruppen wie bei der früheren Übergangsregelung liegt nicht mehr vor.

Hintergrund

Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (VBLS) vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um.

Die neugefasste Satzung enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden als so genannte Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall zum Umstellungsstichtag noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Grundsätzlich ist rentenfern, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Das betraf zum Umstellungsstichtag ca. 1,7 Mio. Versicherte.

Die Startgutschrift rentenferner Versicherter wird – vereinfacht dargestellt – in zwei Rechenschritten ermittelt:

  • In einem ersten Rechenschritt wird die so genannte Voll-Leistung berechnet, die die vom Versicherten bei der VBL maximal erzielbare, fiktive Vollrente beschreibt. Dazu wird von der dem Versicherten zum Umstellungsstichtag fiktiv zustehenden Gesamtversorgung, der so genannten Höchstversorgung, dessen voraussichtliche Grundversorgung, d. h. seine gesetzliche Rente, in Abzug gebracht.

  • In einem zweiten Schritt wird rentenfernen Versicherten als Startgutschrift zunächst für jedes Jahr ihrer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anteilig ein Prozentsatz (sog. Anteilssatz) dieser Voll-Leistung gutgeschrieben.

Der Anteilssatz betrug zunächst 2,25 %. Diese Übergangsregelung erklärte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.11.2007 (Az. IV ZR 74/06) wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich und beanstandete insbesondere eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit langen Ausbildungszeiten.

Daraufhin ergänzten die Tarifvertragsparteien und ihnen folgend die VBL die Startgutschriftenregelung um eine Vergleichsberechnung, die unter näher geregelten Voraussetzungen zu einer Erhöhung der bisherigen Startgutschriften rentenferner Versicherte führen konnte. Mit Urteil vom 9.3.2016 (Az. IV ZR 9/15) entschied der Bundesgerichtshof, dass die solcherart geänderte Übergangsregelung weiterhin zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung führe und deshalb ebenfalls unverbindlich sei.

Mit Änderungstarifvertrag von Juni 2017 einigten sich die Tarifvertragsparteien darauf, im Rahmen der Ermittlung der Startgutschrift den bisherigen Anteilssatz von 2,25 % durch einen variablen Anteilssatz zu ersetzen. Dieser beträgt, in Abhängigkeit von den Pflichtversicherungszeiten, die der jeweilige Versicherte bis zum Eintritt des 65. Lebensjahrs erreichen kann, zwischen 2,25 % und 2,5 %. Die VBL übernahm diese Neuregelung mit Wirkung zum März 2018 in ihre Satzung.

(MB)

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