Immer mehr Rentner arbeiten weiter
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Mehr als 270.000 Rentner üben auch nach Erreichen ihres regulären Rentenalters eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Diese Senior-Arbeitnehmer könnten ihre Rente nochmals deutlich steigern. Doch nur jeder 50. nutzt diese Chance.
Im Standardfall gilt: Wer bereits seine reguläre Altersrente erhält, ist zunächst einmal bei jeder Beschäftigung rentenversicherungsfrei. Das gilt sowohl für Beschäftigungen, die ansonsten in den anderen Sozialversicherungen beitragspflichtig sind, als auch für Minijobs. Für die Betroffenen fallen somit keine Rentenversicherungsbeiträge an.
Anders beim Arbeitgeber: Er muss bei einem gewerblichen Minijob 15 % und bei einer normalen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung 9,3 % – also den Arbeitgeberanteil – des Bruttolohns des jobbenden Vollrentners an die Rentenkasse abführen. Doch dem Jobber bringt das nichts, weil die Beiträge, die Arbeitgeber für rentenversicherungsfreie Arbeitnehmer zahlen, nur der allgemeinen Rentenkasse zugutekommen und nicht den jeweiligen Rentenkonten der Versicherten gutgeschrieben werden. Ärgerlich – nicht wahr?
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Opting-In möglich
Doch wer aufpasst, kann genau das vermeiden. Senior-Arbeitnehmer können nämlich die (Renten-)Versicherungspflicht ausdrücklich wählen. Auf Neudeutsch nennt sich das Opting-In.
Zwei Folgen
Erstens: Die Betreffenden müssen dann selbst wieder – genau wie Jüngere – eigene Beiträge in die Rentenkasse zahlen und können dadurch weitere Rentenpunkte sammeln.
Zweitens: Auch der Arbeitgeberbeitrag wird dann ihrem eigenen Rentenkonto gutgeschrieben.
Unterm Strich bringt die Neuregelung einem Rentner, der ein Jahr lang mit einem Durchschnittsverdienst weiterarbeitet, ein monatliches Rentenplus von etwa 36,– €. Das Rentenplus wird jährlich am darauffolgenden 1. Juli der Altersrente gutgeschrieben. Dabei werden jeweils die im letzten Kalenderjahr erarbeiteten Rentenansprüche berücksichtigt. Zum 1.7.2022 erhöhen damit beispielsweise die 2021 gezahlten zusätzlichen Rentenbeiträge die künftige, ab Juli 2022 gezahlte Altersrente.
Für die neu erwirtschafteten Ansprüche gibt es zudem noch einen Zuschlag von 0,5 Prozentpunkten pro Monat der verspäteten Berücksichtigung der Ansprüche bei der Rente. Zur Erläuterung: Für Teile einer Altersrente, die erst nach Erreichen der Altersgrenze dem Rentenkonto gutgeschrieben werden, erhöht sich der sogenannte Zugangsfaktor pro Kalendermonat um den Faktor 0,005, einfacher formuliert: um 0,5 Prozentpunkte. So steht es in § 77 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI.
Beispiel
Elvira S. hat im Dezember 2020 sein reguläres Rentenalter erreicht. Seit Januar 2021 bezieht sie Altersrente. Ihr Arbeitgeber hat ihr eine Weiterarbeit mit einem Bruttolohn von 3.500,– € angeboten und sie hat das Angebot gern angenommen. Frau S. wäre rentenversicherungsfrei, sie hat sich jedoch für die Einwahl in die Rentenversicherung entschieden. Deshalb zahlt sie zum einen von ihrem Bruttoverdienst von 3.500,– € Rentenversicherungsbeiträge – und zwar den Arbeitnehmeranteil von 9,3 %. Das sind dann monatlich 325,50 €.
Dafür erwirtschaftet sie 2021 Rentenansprüche im Wert von 1,01 Entgeltpunkten. Auf diesen neuen Anspruch – und nur auf diesen – gibt es ab dem 1.7.2022 noch einen Zuschlag für die 18 Monate (von Januar 2021 bis Juni 2022), für die dieser neue Teil ihrer Rente verspätet bezogen wird (18 × 0,5 % =) 9 %. Ihre Rente steigt damit nicht um 1,01 EP, sondern um 1,1 EP. Das wird ihr dann ein monatliches Rentenplus von 39,62 € bringen. Ein Vergleich von Input und Output ergibt: Für ihre Rentenversicherungsbeiträge von 2021 in Höhe von (12 × 325,50 € =) 3.906,– € erhält sie dann eine jährliche zusätzliche Rente von (12 × 39,62 € =) 475,44 €.
Es lässt sich leicht errechnen, dass Elvira S. diese Investition in gut acht Jahren des Rentenbezugs wieder heraushaben wird. Bezieht man ein, dass hiervon noch Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung anfallen, amortisiert sich die Einzahlung in neun bis zehn Jahren. Die in der Regel jährlichen Rentensteigerungen sind dabei nicht berücksichtigt.
Bei Minijobs ist Opting-In noch weit attraktiver
Bei Minijobs sieht das Verhältnis von Aufwand und Ertrag noch deutlich besser aus, denn bei diesen zahlt der Arbeitgeber ohnehin 15 % des Bruttolohns der Betroffenen an die Rentenkasse. Die Betroffenen müssen diesen Beitrag nur um 3,6 Prozentpunkte aufstocken.
Beispiel
Eine Arbeitnehmerin, die im Dezember 2020 ihr reguläres Rentenalter erreicht hat, übt seit Januar 2021 eine volle geringfügige Beschäftigung aus. Ihr Arbeitgeber zahlt 15 % von 450,– €, das sind 67,50 € monatlich in die Rentenkasse. Würde die Senior-Jobberin es bei der Rentenversicherungsfreiheit ihres Jobs belassen, so hätte sie selbst gar nichts von dieser Einzahlung.
Doch die Jobberin hat sich für die Einwahl in die Rentenversicherungspflicht entschieden und stockt die Arbeitgeberpauschale um 3,6 Prozentpunkte auf. Sie zahlt damit auch selbst monatlich 16,20 € in die Rentenkasse ein. Dieser Betrag zieht der Arbeitgeber von den 450,– € ab. Ihr werden monatlich damit nur 433,80 € überwiesen. 2021 zahlt sie insgesamt 194,40 € an Rentenversicherungsbeiträgen. Das bringt ihr ab Juli 2022 ein monatliches Rentenplus von 5,10 € (einschließlich des Verspätungszuschlags) und auf ein Jahr bezogen eine Zusatzrente von 61,20 €.
Das bedeutet: Die Beitragszahlung amortisiert sich in diesem Fall bereits nach gut drei Jahren.
Attraktive Möglichkeit kaum genutzt
Die Entscheidung für die Rentenversicherungspflicht ist für Senioren finanziell gesehen also attraktiv. Genutzt wird diese Möglichkeit bislang allerdings kaum, wie die Auswertungen der Deutschen Rentenversicherung im Rentenversicherungsbericht 2020 zeigen.
So übten Ende 2018 insgesamt 14,4 % aller Rentner unter 70 Jahren, die das reguläre Rentenalter erreicht hatten, eine sozialversicherungspflichtige oder geringfügige Beschäftigung aus. Doch nur 0,3 % aller Rentner – bezogen auf die Beschäftigen unter ihnen: etwa jeder Fünfzigste – hatte sich in die Rentenversicherungspflicht eingewählt.
Opting-In-Erklärung dem Arbeitgeber gegenüber
Wieso die Möglichkeit der Einwahl in die Rentenversicherungspflicht von den Betroffenen kaum genutzt wird, ist unklar. Vermutlich dürfte es auch daran liegen, dass diese Variante kaum bekannt ist. Größere bürokratische Hindernisse gibt es jedenfalls nicht.
Den Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit müssen die Betroffenen schriftlich gegenüber ihrem Arbeitgeber erklären. Der Verzicht ist dann für die Dauer der Beschäftigung bindend.
Die Erklärung kann jederzeit erfolgen – gilt allerdings nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft. Der Arbeitgeber muss die Erklärung dann anschließend in seinen Entgeltunterlagen aufbewahren.
Die Verzichts-Erklärung finden Sie im Internet – etwa auf Seiten der Minijobzentrale: "Anlage 1 Erklärung zum Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit".
(MS)