Homeoffice: Bei welchen Unfällen zahlt die Versicherung?
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Wenn von Unfällen die Rede ist, denkt man an den Straßenverkehr. Doch die meisten Unfälle passieren zu Hause, mitunter auch im Homeoffice. Nach dem jüngsten Homeoffice-Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8.12.2021 ist der gesetzliche Unfallversicherungsschutz bei der Arbeit von zu Hause nochmals erweitert worden.
Bekannt geworden sind in den letzten Jahren vor allem Treppenunfälle. »Ein Beschäftigter, der auf dem morgendlichen erstmaligen Weg vom Bett ins Homeoffice stürzt, ist durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt«, mit dieser lapidaren Feststellung beginnt die Pressemitteilung des BSG zu dessen Homeoffice-Urteil, mit dem die Entscheidung der Vorinstanz »gekippt« wurde (Az. B 2 U 4/21 R).
Welche Unfälle gelten als arbeitsbezogen?
Verhandelt wurde in Kassel, ob es sich bei einem Treppenunfall eines im Homeoffice arbeitenden Beschäftigten um einen »Arbeitsunfall« im Sinne des SGB VII gehandelt hat. Denn nur für (anerkannte) Arbeits- und Wegeunfälle gilt der Versicherungsschutz. Der Betroffene befand sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in sein häusliches Büro, das eine Etage tiefer gelegen ist.
Dort beginnt er üblicherweise – so fasst das BSG die Tatsachendarstellung der Vorinstanzen zusammen – »unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel«.
All das war unstrittig. Strittig war bloß, ob sich auf dem Weg vom Bett zur Arbeitsaufnahme in den eigenen vier Wänden eines Arbeitnehmers ein Arbeitsunfall ereignen kann.
Das BSG hatte sich schon am 27.11.2018 mit einem Treppenunfall befasst, der sich am Nachmittag eines Arbeitstags in der eigenen Häuslichkeit einer Arbeitnehmerin auf dem Weg ins Homeoffice ereignete (Az. B 2 U 28/17 R).
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Was verstehen die Unfallversicherer unter »Handlungstendenz«?
Entscheidend sei dabei die »Handlungstendenz« der Beschäftigten, hatte das BSG damals befunden. Das meint: Ging es bei der Tätigkeit, die ein Versicherter ausübte, während der Unfall geschah, um seine Arbeit oder hatte der Treppenweg einen privaten Grund? Die Betroffene war im Treppenhaus auf dem Weg in ihr Homeoffice im Keller gestürzt. Und es war klar, dass sie dorthin unterwegs war, um zu arbeiten. Eine solche »Handlungstendenz« war – so befand das BSG – auch im aktuell entschiedenen Fall eindeutig: »Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice diente nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert«.
Das Landessozialgericht NRW hatte noch befunden, gerade weil der Unfall sich morgens nach dem Aufstehen auf dem ersten Weg zum Arbeitsplatz ereignet habe, sei er keinesfalls als Arbeitsunfall, sondern allenfalls als »Wegeunfall« anzusehen, weil der Unfall eben auf dem Weg zur Arbeit passiert sei. Doch gerade eine Anerkennung als Wegeunfall komme hier nicht infrage, weil sich ein solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG erst nach Durchschreiten der Haustür eines Arbeitnehmers ereignen könnte (Az. 17 U 487/19). Das BSG erteilte dieser Rechtsauffassung eine Abfuhr und stellte klar, dass schon vor Inkrafttreten der jüngsten gesetzlichen Klarstellungen auch Wege zur ersten Aufnahme von Arbeitshandlungen im Privathaushalt eines Arbeitnehmers unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung standen.
Alle Wege, die Sie im Homeoffice zu Hause zurücklegen, stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung – wenn sie direkt mit der Arbeit zu tun haben. Das Bundessozialgerichts-Urteil ist vor allem für Unfälle wichtig, die sich vor dem 18.6.2021 ereignet haben. »Altfälle« können unter Bezug auf das Urteil nochmals aufgerollt werden.
Wie umfassend ist der gesetzliche Unfallschutz bei mobiler Arbeit?
Seit dem 18.6.2021 ist der gesetzliche Schutz für mobil Arbeitende ausgeweitet worden. Für sie gilt nun der gleiche Versicherungsschutz wie für diejenigen, die in Betrieben tätig sind. Die genaue Formulierung in § 8 Abs. 1 SGB VII lautet folgendermaßen: »Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt des Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit in der Unternehmensstätte«.
Versichert ist damit nicht nur die inzwischen – dank der Corona-Krise – recht verbreitete Arbeit im Homeoffice, sondern generell mobile Arbeit, egal ob zu Hause, im Intercityzug oder mit dem Notebook auf der Bank im Park. Nach der gesetzlichen Neuregelung steht u.a. der Weg zur Küche oder zur Toilette (etwa bei einem Treppenunfall) in der Privatwohnung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, insoweit hierdurch eine dienstliche mobile Tätigkeit unterbrochen wird (und der Arbeitgeber eine solche Tätigkeit nicht untersagt hat).
Eine weitere Änderung gibt es bei dem Versicherungsschutz auf den Wegen, die Versicherte zurücklegen, um ihre Kinder in eine externe Betreuung zu bringen.
Für diejenigen, die außer Haus arbeiten, gilt schon bisher: Wenn sie auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg machen, um ihr Kind zur Kita oder zur Schule zu bringen, sind sie dabei weiterhin versichert.
Für zu Hause tätige Versicherte waren Wege, um Kinder in Betreuung zu geben, bislang dagegen nicht versichert. Das hat sich nun geändert. Mobil Arbeitende sind nun ebenso geschützt wie Arbeitnehmer, die bei ihrem Arbeitgeber arbeiten.
Bringen Versicherte ihr Kind, das mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt lebt, aus dem Homeoffice zu einer externen Betreuung, stehen sie auf dem direkten Hin- und Rückweg unter Versicherungsschutz.
(MS)