Freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rente lohnen sich vor allem im Jahr 2022
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Jede nicht pflichtversicherte Person kann freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rente zahlen, also Selbstständige, Freiberufler, Beamte, Nichterwerbstätige wie Hausfrauen bzw. Hausmänner und sogar nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frührentner oder Teilrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze.
Es gibt wohl kaum einen Satz, der in dem für die gesetzliche Rentenversicherung maßgeblichen Sechsten Sozialgesetzbuch (SGB VI) so klar und unmissverständlich formuliert ist, wie der in § 7 Abs. 1 SGB VI enthaltene Satz: "Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, können sich für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern".
Freiwillige Beiträge im Jahr 2022 besonders attraktiv
Erstaunlich: In Deutschland gibt es nur rund 210.000 freiwillig Versicherte, die freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rente zwischen zurzeit 1.004,40 € (Mindestbeitrag) und 15.735,60 € (Höchstbeitrag) leisten.
Im Jahr 2022 ist die Zahlung von freiwilligen Beiträgen für Nicht-Pflichtversicherte besonders attraktiv. Das vorläufige Durchschnittsentgelt für 2022 liegt coronabedingt nur bei 38.901,- € und damit 6,4 % niedriger im Vergleich zum vorläufigen Durchschnittsentgelt von 41.541,- € im Jahr 2021. Das endgültige Durchschnittsentgelt für 2022 wird mit Sicherheit höher liegen als 38.901,- €, aber erst im Herbst 2023 festgelegt.
Daraus folgt, dass vom niedrigen Durchschnittsentgelt im Jahr 2022 freiwillig Versicherte profitieren, die im Jahr 2022 oder im Jahr 2023 in Rente gehen, sowie alle Pflichtversicherten, die im Jahr 2022 Sonderzahlungen zum Ausgleich von Rentenabschlägen leisten. Wer frühestens ab 2024 in Rente geht und im Jahr 2022 keine Sonderzahlungen zum Ausgleich von Rentenabschlägen leistet, hat nichts davon. Er erhält bei höherem endgültigen Durchschnittsentgelt für 2022 entsprechend weniger Entgeltpunkte gutgeschrieben.
Im Jahr 2022 liegt der Beitragssatz weiterhin bei niedrigen 18,6 %. Laut Gesetzentwurf zum Rentenanpassungsgesetz soll dieser Beitragssatz auch im Jahr 2023 und 2024 so bleiben. Erst ab 2025 soll der Beitragssatz deutlich steigen.
Ein weiterer Pluspunkt: Da der aktuelle Rentenwert West ab 1.7.2022 von bisher 34,19 € auf dann 36,02 € für einen Entgeltpunkt steigt, werden auch die gesetzlichen Renten im Westen ab 1.7.2022 um 5,35 % steigen.
So günstig wie im Jahr 2022 war das Beitrag-Rente-Verhältnis seit Jahrzehnten nicht mehr.
Wer den Höchstbeitrag von 15.735,60 € als freiwillig Versicherter beispielsweise im Dezember 2022 auf einen Schlag einzahlt, erhält dafür 2,1748 Entgeltpunkte (= Höchstbeitrag 15.735,60 € : Durchschnittsbeitrag 7.235,59 €) gutgeschrieben und erwirbt damit einen Rentenanspruch von endgültig 940,04 € brutto (= aktueller Rentenwert 36,02 € x 2,1748 Entgeltpunkte x 12 Monate) gutgeschrieben, sofern er 2023 in Rente geht. Diese Zusatzrente macht immerhin 5,97 % des Höchstbeitrags aus. Einen solch hohen jährlichen Rentensatz hat es seit 30 Jahren nicht mehr gegeben.
Freiwillige Beiträge für Frührentner
Seit dem 1.1.2017 können auch Frührentner noch freiwillige Beiträge zahlen, sofern sie nicht zur gleichen Zeit versicherungspflichtig beschäftigt sind. Das macht ein durch das Flexirentengesetz eingefügte Satz in § 7 Abs. 2 SGB VI möglich, der wie folgt heißt: "Nach bindender Bewilligung einer Vollrente wegen Alters oder für Zeiten eines Bezugs einer solchen Rente ist eine freiwillige Versicherung nicht zulässig, wenn der Monat abgelaufen ist, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde".
Im Umkehrschluss heißt das: Personen mit einer Vollrente wegen Alters können sich bis zum Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, freiwillig versichern. Frührentner mit einer zeitlich vorgezogenen Altersrente für langjährig Versicherte, besonders langjährig Versicherte oder schwerbehinderte Menschen können sich dies zunutze machen. Zahlen Sie einen freiwilligen Beitrag im Jahr 2022 ein, wird ihre gesetzliche Rente nach Erreichen der Regelaltersgrenze entsprechend erhöht. Sofern sie die Regelaltersgrenze im Laufe des Jahres 2023 erreichen und danach die reguläre Altersrente beziehen, profitieren sie unmittelbar von dem attraktiven Beitrag-Rente-Verhältnis.
Freiwillige Beiträge für Teilrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze
Selbst nach Erreichen der Regelaltersgrenze können künftige Rentner noch freiwillige Beiträge leisten, sofern sie sich für eine Teilrente entscheiden und daher auf Seite 2 ihres Rentenantrags Teilrente (statt Vollrente) ankreuzen und dabei den gewünschten Prozentsatz angeben.
Laut § 7 Abs. 2 SGB VI ist die Zahlung von freiwilligen Beiträgen nach Erreichen der Regelaltersgrenze nur nach bindender Bewilligung einer Vollrente unzulässig. § 42 Abs. 1 SGB VI bestimmt aber: "Versicherte können eine Rente wegen Alters in voller Höhe (Vollrente) oder als Teilrente in Anspruch nehmen". Daher kann jeder Altersrentner eine Teilrente von beispielsweise 99 % der Vollrente beantragen.
Sogar 99,99 % können es nach einem rechtskräftigen Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14.9.2021 (Az. L 6 R 1991/12), sein, da der Gesetzgeber nur den Mindestprozentsatz von 10 % für eine Teilrente vorgegeben hat und keinen Höchstprozentsatz. Zwar ging die Deutsche Rentenversicherung bei Teilrenten von einen glatten Prozentsatz zwischen 10 % und 99 % aus. Dies steht laut Bayerischem Landessozialgericht so aber nicht im Gesetz mit der Folge, dass auch krumme Prozentsätze möglich sind.
Dazu ein Beispiel: Ein am 15.10.1956 geborener Versicherter erreicht seine Regelaltersgrenze am 15.8.2022. Seine reguläre Rente beginnt am 1.9.2022. Drei Monate vorher reicht er seinen Rentenantrag ein und kreuzt eine Teilrente mit 99,99 % an. Sofern die volle Bruttorente 2.161,20 € (= 60 Entgeltpunkte x 36,02 € aktueller Rentenwert West) ausmacht, verzichtet er nur auf 22 Cent und erhält dann eine Teilrente von 2.160,98 € (= 2.161,20 € x 0,9999).
Angenehme Folge dieses legalen Teilrententricks: Er kann nach Bewilligung seiner Teilrente einen freiwilligen Beitrag von 15.735,60 € noch im Jahr 2022 zahlen und erhält dafür eine monatliche Zusatzrente von 78,34 € brutto. Bereits nach 16 Jahren und 8 Monaten hätte er seinen freiwilligen Höchstbeitrag wieder raus, vor Berücksichtigung von Steuervorteilen und künftigen Rentensteigerungen.
Freiwillige Beiträge für Nicht-Rentner
Wer noch nicht in Rente ist, sollte ebenfalls die Zahlung von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rente noch im Jahr 2022 prüfen. Dazu zählen insbesondere folgende Personengruppen:
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besonders langjährig Versicherte, denen für eine abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren nur noch einige Monate fehlen
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Mütter mit Kindererziehungszeit für ein Kind, denen für eine Regelaltersrente nach fünf Beitragsjahren noch bis zu 2,5 Jahre fehlen
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nicht erwerbstätige Hausfrauen bzw. Hausmänner
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nicht pflichtversicherte Beamte
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nicht pflichtversicherte Selbstständige und von der Versicherungspflicht befreite Freiberufler oder Angestellte mit berufsständischer Versorgung.
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(MS)