Wertguthaben an Deutsche Rentenversicherung übertragen
-
Wer seinen Arbeitsplatz einige Jahre vor dem Rentenalter verliert, erhält häufig vom Arbeitgeber eine Abfindung. Dabei winken mitunter durchaus attraktive höhere fünfstellige Summen. Statt sich die Abfindung auszahlen zu lassen, kann es sehr viel günstiger sein, wenn der Arbeitgeber den Betrag auf ein betriebliches Langzeitkonto einzahlt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann das hierauf verbuchte Wertguthaben an die Deutsche Rentenversicherung übertragen werden.
Wie gewonnen, so zerronnen – so stellt sich die Situation von Arbeitnehmern häufig dar, die sich zunächst über eine höhere Abfindung freuen, denn bei der Auszahlung einer Abfindung gibt es gleich mehrere Haken: Die Abfindung ist steuerpflichtig (wobei trotz der Fünftelregel ggf. die Steuerprogression heftig zuschlägt), in der Zeit bis zur Rente besteht kein Sozialversicherungsschutz – mit den entsprechenden Nachteilen bei der Rente – und ein (möglicher) Anspruch auf Arbeitslosengeld reicht vielfach nicht bis zur Rente.
Eine Lösung für all dieser Probleme kann folgende Variante bringen: Die Abfindung wird nicht ausgezahlt, sondern als Wertguthaben an die deutsche Rentenversicherung übertragen. Wertguthaben werden von Arbeitnehmern im Regelfall längerfristig angespart (auf sogenannten betrieblichen Langzeitkonten). Diese funktionieren meist nach dem Motto: Heute auf die Auszahlung von Teilen des Gehalts verzichten – und dafür später eine bezahlte Auszeit nehmen.
So kann man beispielsweise drei Jahre lang auf ein Viertel seines Bruttogehalts verzichten und dann ein Jahr Auszeit vom Job unter gleichbleibenden Konditionen buchen. Ganz ähnlich funktioniert auch die Altersteilzeit.
Das Wertguthaben-Modell
Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber stattdessen aber auch einmalig einen Betrag in Höhe der ansonsten geplanten Abfindung in ein betriebliches Langzeitkonto einzahlen. Nach der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses kann das Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung übertragen werden. Diese Möglichkeit wurde bereits 2009 durch das Flexible Arbeitszeit-Verbesserungsgesetz geschaffen.
Grundvoraussetzung für eine Übertragung des Wertguthabens an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ist die Beendigung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses. In diesem Fall haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Übertragung eines (vorhandenen bzw. neu geschaffenen) Wertguthabens an die DRV. Dies gilt allerdings nur, wenn das Guthaben eine bestimmte Mindesthöhe hat.
Es muss einen Betrag in Höhe des sechsfachen der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) übersteigen. 2019 liegt die monatliche Bezugsgröße bei 3.115,– €. Das Wertguthaben muss daher mehr als 18.690,– € umfassen. Liegen diese Voraussetzungen vor, so verwaltet die Deutsche Rentenversicherung ein ihr übertragenes Wertguthaben treuhänderisch – und zwar getrennt von ihrem sonstigen Vermögen.
Das Geld wird dabei von der DRV so angelegt, dass ein Verlust nahezu ausgeschlossen ist. Bislang wurde durchweg eine (geringe) Verzinsung erwirtschaftet, die auf dem Niveau vergleichbarer Anlagen am Kapitalmarkt liegt. Gleichzeitig entstehen geringe Verwaltungskosten, die vom Wertguthaben in Abzug gebracht werden. Bei Sozialplänen, die diese Möglichkeit nutzen, errichtet der Arbeitgeber noch während des Arbeitsverhältnisses für zu entlassende Personen ein Wertguthabenkonto.
Zu den Entgeltbestandteilen, die hier eingebracht werden können, zählt das Bundesarbeitsministerium ausdrücklich auch Abfindungen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses überträgt der Arbeitgeber den Kapitalstock auf die DRV Bund, Berlin, Bereich Wertguthaben, Referat 3080. Hierzu wird ein Formular (V9110) benötigt, das die Personalabteilung des Arbeitgebers ausfüllt. Der Arbeitnehmer muss lediglich unterschreiben, dass er informiert wurde.
Der eingestellte Betrag wird auf dem Wertguthabenkonto des Arbeitnehmers abzugsfrei eingestellt. Während eine Abfindung normalerweise voll steuerpflichtig ist, fallen hingegen bei der Errichtung eines Wertguthabens zunächst weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge an. Diese werden – dann allerdings in geringerem Maße – erst in der Entnahmephase fällig.
Die Entnahmephase
Der Deutschen Rentenversicherung kommt, sobald das Wertguthaben eingerichtet ist, so etwas wie eine Arbeitgeberrolle zu. Sobald das Wertguthaben abgerufen wird, wird den Arbeitnehmern – ganz wie in einem normalen Arbeitsverhältnis – monatlich ein fester Betrag aus ihrem Wertguthaben überwiesen. "Als stünden Sie in einem Beschäftigungsverhältnis, schicken wir Ihnen jeden Monat eine Gehaltsabrechnung. Wir melden Sie zur Sozialversicherung und zahlen Beiträge und Steuern", heißt es in der Broschüre "Wertguthaben übertragen" der Deutschen Rentenversicherung.
Bei der Inanspruchnahme der Wertguthaben wird generell ein voll sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fingiert (§ 7f Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Wann das Wertguthaben in Anspruch genommen werden kann, regelt § 7c SGB IV. Für Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis (etwa nach einer Betriebsauflösung) beendet ist, ist Abs. 1 Nr. 2a wichtig. Danach kann das Guthaben genutzt werden "insbesondere für Zeiten, die unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters nach SGB VI bezieht oder beziehen könnte".
Damit wird für ältere Arbeitnehmer, die nach einer Entlassung (und dem wohl in der Regel darauffolgenden Arbeitslosengeldbezug) noch nicht das Rentenalter erreicht haben, eine Brücke hin zur Rente möglich.
Zunächst können die Betroffenen dann zwei Jahre Arbeitslosengeld erhalten, hierauf haben Ältere ab 58 Jahren in der Regel Anspruch. Durch eine Sperrzeit wird der Arbeitslosengeld-Anspruch allerdings ggf. auf 18 Monate verkürzt. Nach Auslaufen des Arbeitslosengelds kann das Wertguthaben genutzt werden.
Gerade wenn einige Jahre bis zum Rentenbeginn zu überbrücken sind, muss sich dieses Wertguthaben allerdings schon auf hohe fünf- oder gar niedrige sechsstellige Beträge belaufen, wenn eine Quasi-Beschäftigung bis zum Rentenalter fingiert werden soll.
Dabei ist nämlich eine Mindestregelung zum Arbeitsentgelt zu beachten (§ 7 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB IV). Danach darf das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Entnahmephase »nicht unangemessen« von dem Arbeitsentgelt für die Zeit der letzten zwölf Kalendermonate der Arbeitsleistung abweichen.
Die Angemessenheitsgrenze wird dabei von den Sozialversicherungsträgern auf 70 % (bzw. nach oben: bei 130 %) angesetzt, was auch vom Bundessozialgericht akzeptiert wurde. Praktisch bedeutet dies beispielsweise, dass bei einem Arbeitnehmer, der zuletzt monatlich 3.000,– € brutto verdient hat, in der Phase der Entnahme aus einem Wertguthaben, das monatliche Brutto-Arbeitsentgelt mindestens bei 2.100,– € liegen muss.
Wenn auf diese Weise zwei Jahre bis zur Rente überbrückt werden sollen, müssen in diesem Beispielfall als Wertguthaben (einschließlich des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung) schon gut 60.000,– € eingestellt sein. Begründet wird diese 70-%-Regelung im Übrigen damit, dass so verhindert wird, dass Arbeitnehmer auf Basis eines unangemessen niedrigen entnommenen Arbeitsentgelts den vollen Sozialversicherungsschutz erhalten (insbesondere bei der gesetzlichen Krankenversicherung).
Die Entnahme aus dem Wertguthaben kann allerdings jederzeit unterbrochen werden, etwa wenn der Inhaber des Guthabens nochmals eine Beschäftigung aufnimmt.
Vorteile: Steuerersparnis und voller Sozialversicherungsschutz
Im Beispielfall würde einem Bruttoarbeitsentgelt von 2.100,– € übrigens bei Steuerklasse I oder IV ein Nettoentgelt in Höhe von 1.452,– € entsprechen. An Lohnsteuer und Solidaritätsbeitrag würden monatlich 220,– € anfallen. Die steuerliche Belastung bei einer zweijährigen Entnahme von brutto 2.100,– € aus dem Wertguthabenkonto würde sich auf knapp 5.300,– € belaufen. Würde der Arbeitgeber dagegen, statt 60.000,– € in ein Wertguthabenkonto einzustellen, diesen Betrag dem Arbeitnehmer als Abfindung auszahlen, würde eine weit höhere steuerliche Belastung greifen.
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Vorteile, die die Quasi-Beschäftigung mittels Wertguthabenkonto bietet. Vor allem besteht ein voller Sozialversicherungsschutz. Das bedeutet u.a.: Diese Zeit gilt für die gesetzliche Rente als vollwertige Pflichtversicherungszeit. Die Betroffenen können somit ggf. die 45-jährige Anwartschaft für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfüllen.
Zudem erhöhen natürlich die an die gesetzliche Rentenversicherung entrichteten Beiträge die bereits vorhandenen Rentenanwartschaften. Weiterhin bleibt die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse erhalten. Die Betroffenen müssen sich damit nicht freiwillig krankenversichern oder sich im Rahmen der Familienversicherung über den Partner absichern.
Der Krankenkassenbeitrag ist etwas geringer (ermäßigter Beitragssatz), da kein Anspruch auf Krankengeld besteht. Während eines Krankheitsfalls in der Freistellungsphase wird das Wertguthaben von der DRV Bund unverändert weiterhin gezahlt. Das Wertguthaben ist insolvenzgesichert und geht auch bei einem sogenannten Störfall nicht verloren und ist darüber hinaus vererbbar.
Soweit ein Störfall eintritt – also die vereinbarungsgemäße Verwendung des Wertguthabens nicht mehr möglich ist –, wird das Wertguthaben aufgelöst. Dann fallen auf das Restguthaben die vollen Sozialversicherungsbeiträge an, ebenso ist das Guthaben voll zu versteuern (nach der Fünftelregelung). Dies ist etwa dann der Fall, wenn bei Erreichen der regulären Altersgrenze noch Wertguthaben vorhanden ist.
Beim Thema "Wertguthaben" gilt es, schriftliche Vereinbarungen zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses zu treffen. Dafür wird im Regelfall die Kompetenz eines Rechts- oder Steuerberaters erforderlich sein. Klar ist, dass Firmen nicht einfach beliebig hohe Beträge in ein Wertguthabenkonto transferieren können, sondern es muss ein Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis bestehen und eine wasserfeste Vereinbarung getroffen werden. Bleiben Sie hartnäckig: Die Berater der Deutschen Rentenversicherung versuchen in solchen und ähnlichen Fällen häufig, ihre Kunden abzuwimmeln – gerade, weil es finanziell lukrativ ist. Mitunter wird das Argument vorgeschoben, dass es sich doch um eine Abfindung handle und dass die Übertragung einer Abfindung nicht möglich sei. Stellen Sie klar: Nicht die Abfindung wird an die Deutsche Rentenversicherung gezahlt, sondern die Deutsche Rentenversicherung verwaltet das Wertguthaben, das zuvor aus der Abfindung angelegt wurde, und da besteht ein Rechtsanspruch, dass dieses an die Deutsche Rentenversicherung übertragen werden kann (siehe das Info-Blatt der Deutsche Rentenversicherung "Wertguthaben übertragen"). Die gleiche Abwehrstrategie verfolgen einige Berater der Deutschen Rentenversicherung auch beim Ausgleich von Rentenabschlägen bei vorzeitigem Rentenbezug. Verlangen Sie notfalls einen offiziellen Ablehnungs-Bescheid oder zumindest eine schriftliche Begründung, gegen die Sie Rechtsmittel einlegen können.
(MS)