Wenn COVID-19 den Urlaub vereitelt
Corona nimmt keine Rücksicht auf Urlaubspläne.

Wenn COVID-19 den Urlaub vereitelt

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Wenn sich Arbeitnehmer kurz vor einem bewilligten Urlaub mit Corona infizieren, sollten sie unbedingt zum Arzt gehen. Selbst wenn sie keine Symptome haben.

Grundsätzlich gilt: Erkrankt ein Arbeitnehmer im Urlaub und seine Arbeitsunfähigkeit wird ärztlich festgestellt, gelten die Urlaubstage in Krankheit als nicht verbraucht. Diese können später nochmals genommen werden.

Hierzu bestimmt das Bundesurlaubsgesetz: "Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet".

Doch was gilt bei einer Quarantäne?

Mit dieser Frage haben sich bereits etliche Arbeitsgerichte beschäftigt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte über die Urlaubsansprüche einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die mit Corona infiziert war, aber das Glück hatte, keine Symptome zu zeigen. Dennoch musste sie in Quarantäne gehen – vor allem, um andere zu schützen.

Pech für die Erkrankte: Ihr Urlaub war vermiest. Doppeltes Pech: Die kranken Urlaubstage gelten als verbraucht. Der Urlaub kann nicht nachgeholt werden.

So entschied das Landesarbeitsgericht Köln am 13.12.2021 (Az. 2 Sa 488/21). Und genauso urteilte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 15.10.2021 in einem ähnlichen Fall (Az. 7 Sa 857/21).

Der Kölner Fall: COVID-19-Infektion ohne Krankschreibung

Vor dem LAG Köln wurde über den Anspruch einer Arbeitnehmerin auf Nachgewährung von fünf Urlaubstagen aus dem Jahr 2020 entschieden. Der Hintergrund der Klage ist in COVID-19-Zeiten wohl nicht untypisch. Der Betroffenen war vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Erholungsurlaub bewilligt worden. Drei Tage vor dem Urlaub verfügte die zuständige Stadtverwaltung jedoch für sie die Absonderung bzw. häusliche Isolierung als Kontaktperson ersten Grades ihres mit dem Corona-Virus infizierten Kindes.

Ab dem 1.12.2020 – also dem zweiten Urlaubstag – lag bei ihr auch ein positives Corona-Testergebnis vor. COVID-19 ist tückisch. Und zur Tücke gehört auch, dass die Infektion oft symptomfrei verläuft, bei Omikron wohl sogar ziemlich oft. Da sie keine Beschwerden hatte, verzichtete sie darauf, sich von einem Arzt arbeitsunfähig schreiben zu lassen.

Genau das wurde ihr nun im Nachgewährungs-Streit zum Verhängnis. Das LAG befand deshalb: "An einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wegen der symptomlosen Infektion fehlt es vorliegend". Die Arbeit sei ihr nur wegen des behördlichen Verbots unmöglich gewesen – und nicht wegen einer Arbeitsunfähigkeit. Ergo: Sie hat ihren Urlaub in der Quarantäne verbracht und die Urlaubstage sind verbraucht.

Das LAG weist selbst darauf hin, dass wegen der aktuellen Bedeutung dieser Frage ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hierzu sinnvoll sei. Inzwischen ist klar, dass es hierzu kommen wird. Gegen das Urteil wurde Revision beim BAG eingelegt. Das Verfahren beim BAG trägt das Aktenzeichen 9 AZR 63/22.

Inzwischen liegt auch ein Landesarbeitsgerichtsurteil vor, das sich in der Frage Quarantäne und Urlaubsanspruch auf die Seite der Arbeitnehmer gestellt hat. Das LAG Hamm befand am 27.1.2022, dass Urlaubstage, die quarantänebedingt nicht genutzt werden konnten, genau wie Urlaubstage mit nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit dem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben sind. Das Gericht ging von einer planwidrigen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Regelungslücke im Bundesurlaubsgesetz aus, die per Rechtsprechung geschlossen werden müsse (Az. 5 Sa 1030/21).

Auch bei Symptomfreiheit Arbeitsunfähigkeit attestieren lassen

Doch unabhängig davon, wie das höchste deutsche Arbeitsgericht entscheidet: Arbeitnehmer haben es selbst in der Hand, ihren Urlaubsanspruch auch bei einer symptomfreien Infektion zu sichern.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärt hierzu eindeutig: "Bei einer bestätigten Infektion mit dem Corona-Virus ohne Krankheitssymptome kann die Ärztin oder der Arzt grundsätzlich eine AU-Bescheinigung ausstellen, denn der Patient kann wegen der Infektion die Wohnung nicht verlassen, um seinen Arbeitsplatz aufzusuchen. Andernfalls würde er andere in Gefahr bringen, sich ebenfalls zu infizieren." (Link zum PDF)

Das bedeutet: Hätte die Arbeitnehmerin, über deren Klage in Köln entschieden wurde, sich trotz ihrer Symptomfreiheit arbeitsunfähig schreiben lassen, wäre ihr Arbeitgeber verpflichtet gewesen, ihr die Corona-bedingt nicht genutzten Urlaubstage nachzugewähren.

Das gilt allerdings nicht, wenn ein Arbeitnehmer im gesamten Infektionszeitraum seine Tätigkeit im Homeoffice ausüben kann. In diesem Fall benötigt er keine AU-Bescheinigung, da er seiner Arbeit nachgehen kann.

Aufgabe der KBV ist neben der Interessenvertretung der ambulant tätigen Ärzte und Psychotherapeuten die Sicherstellung der medizinischen Betreuung der rund 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherten.

Ist eine Verschiebung des Urlaubs möglich?

Wenn kurz vor dem Urlaubsantritt die Reisepläne durch eine COVID-19-Quarantäne zerschlagen werden, gibt es zur Rettung der Urlaubsansprüche noch eine ganz andere Lösung: die einvernehmliche Annullierung oder Verschiebung des Urlaubs.

Hat der Arbeitgeber "Ja" zu einem Urlaubsantrag eines Arbeitnehmers gesagt, so sind zunächst einmal beide Seiten gebunden. Hier gilt der Grundsatz: Abgemacht ist abgemacht. Einen Rechtsanspruch auf kurzfristige Verlegung oder Annullierung des Urlaubs gibt es nicht. Aber natürlich kann ein Arbeitgeber "Ja" sagen, wenn der Arbeitnehmer ihn darum bittet. Freiwillig und einvernehmlich können die Parteien das regeln. Der Chef wird der Bitte nach einer Verschiebung des Urlaubs häufig nachkommen. Das gilt jedenfalls dann, wenn er noch keine Vertretung eingeplant hat und es für den verhinderten Urlauber in der Zeit der eigentlich geplanten Ferien genug zu tun gibt.

Gibt es eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz?

Stimmt der Arbeitgeber dem zu, so greifen ab Beginn der Quarantäne die Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes.

Für Arbeitnehmer, die kurz vor dem Urlaub in Quarantäne geschickt werden, ist ein möglichst kurzfristiger Anruf bei der Personalabteilung oder – in kleineren Unternehmen – bei ihrem Chef sinnvoll. Stimmt der Chef der Stornierung des Urlaubs zu, gelten ab dann die Quarantäne-Regelungen.

Der Arbeitgeber zahlt dann eine Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz. Er muss den Lohn, der dem Betroffenen in seiner regelmäßigen Arbeitszeit zugestanden hätte, im Falle eines Tätigkeitsverbots bis zu sechs Wochen lang fortzahlen, bekommt die gezahlten Beträge allerdings später auf Antrag erstattet. Der volle Sozialversicherungsschutz des Arbeitnehmers bleibt in dieser Zeit erhalten.

Anspruch auf die Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz besteht allerdings nur so lange, wie die Betroffenen nicht arbeitsunfähig geschrieben werden. Ab dem Zeitpunkt, an dem AU attestiert ist, läuft die ganz normale Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber.

Bestehen Sonderregelungen für Ungeimpfte?

Ungeimpfte, die wegen eines Corona-Verdachts in Quarantäne müssen, haben seit dem 1.11.2021 keinen Anspruch mehr auf eine Lohnfortzahlung nach dem Infektionsschutzgesetz. Hiervon gibt es lediglich zwei Ausnahmen:

Wer sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen und ein entsprechendes Attest vorlegen kann, ist davon nicht betroffen.

Das gilt auch für Personen, die zu einem Personenkreis gehören, für den es bis zu acht Wochen vor der Quarantäne keine öffentliche Impfempfehlung gab, z.B. Jugendliche.

Erhalten Ungeimpfte bei Krankheit Entgeltfortzahlung?

Der seit November 2021 geltende Ausschluss von Ungeimpften von der Lohnfortzahlung gilt allerdings nur für die Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz und nicht für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Wer in der Corona-Quarantäne – egal ob diese nun vor dem Urlaub oder sonst wann angeordnet wurde – wegen COVID-19 arbeitsunfähig geschrieben wird, hat von da an Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch seinen Arbeitgeber für die Dauer von bis zu sechs Wochen gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz.

(MS)

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