Lange Krankheit: Was wird aus meinem Urlaubsanspruch?
-
Arbeitnehmer, die lange krank sind, haben viele Fragen zu Urlaub, Krankengeld, Arbeitslosengeld und Erwerbsminderungsrente. Hier unsere Antworten.
Wenn Sie viele Monate lang krank sind und nicht arbeiten können, verfallen ihre Urlaubstage nicht sofort. Ihr Urlaubsanspruch bleibt bestehen, da Sie Ihren Urlaub erst dann nehmen können, wenn Sie nicht mehr krankgeschrieben sind. Doch in welcher Frist müssen Sie – nach Ihrer Rückkehr in den Betrieb – Ihren Urlaub nehmen?
Der Urlaubsanspruch erlischt bei langer Krankheit grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs. Wenn Sie also im Jahr 2020 Ihren Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnten, müssen Sie ihn spätestens bis zum 31.3.2022 antreten.
News: Was bringt die elektronische Patientenakte?
News: Krankmeldung: Der gelbe Schein wird elektronisch
Produkt: Der kleine Rentenratgeber
Produkt: Vorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung
Produkt: Krankheitskosten: So werden sie in der Steuererklärung berücksichtigt
Kann mein Urlaub bei langer Krankheit gekürzt werden?
Der gesetzliche Mindesturlaub darf wegen Fehlzeiten während des Arbeitsverhältnisses nicht gekürzt werden. Der Anspruch auf Erholungsurlaub setzt lediglich ein bestehendes Arbeitsverhältnisses voraus.
Darf mir mein Arbeitgeber wegen Krankheit kündigen?
Eine Kündigung wegen Krankheit ist dann möglich, wenn drei notwendige Bedingungen gegeben sind. Erstens, wenn Sie sechs Wochen im Jahr oder länger krankheitsbedingt fehlen. Zweitens, wenn abzusehen ist, dass auch in Zukunft keine Besserung Ihrer Krankheit eintritt. Drittens, wenn die Interessensabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugunsten des Arbeitgebers ausgeht. Dabei sind vier Aspekte zu berücksichtigen: Dauer des Arbeitsverhältnisses, Krankheitsursache, Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer und Alter des Mitarbeiters.
Kann ich krankgeschrieben in den Urlaub fahren?
Trotz Krankschreibung in den Urlaub zu fahren, ist dann erlaubt, wenn der Urlaub die Genesung nicht behindert. Sie müssen sich so verhalten, dass Sie möglichst bald wieder gesund werden. Sie sollten alles unterlassen, was die Krankheit verschlimmert oder verlängert.
Darf ich, wenn ich Krankengeld bekomme, Urlaub in der EU machen?
Wenn Sie länger als sechs Wochen krank sind, dürfen Sie dennoch Urlaub im EU-Ausland machen und weiterhin Krankengeld beziehen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden (Urteil vom 4.6.2019, Az. B 3 KR 23/18 R).
Darf meine Krankenkasse eine Urlaubsabgeltung mit den Krankengeld verrechnen?
Eine Urlaubsabgeltung führt nicht zum Ruhen des Krankengelds. Es kommt zu keiner zeitlichen Verschiebung des Krankengelds. Ebenso erfolgt keine Anrechnung der Urlaubsabgeltung auf das Krankengeld.
Habe ich Anspruch auf Urlaubsgeld, wenn ich Krankengeld bekomme?
Die Kürzung von Urlaubsgeld als Sondervergütung für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ist zulässig. Nach § 4a EFZG darf der Arbeitgeber das Urlaubsgeld kürzen, und zwar für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit maximal um ein Viertel der Leistung, die im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt.
Bekomme ich Weihnachtsgeld, wenn ich Krankengeld beziehe?
Die Jahressonderzahlung wird grundsätzlich auch an arbeitsunfähig erkrankte Beschäftigte gezahlt. Eine länger andauernde Krankheit kann jedoch zu einer Minderung des Weihnachtsgelds führen.
Welche Ansprüche habe ich auf Krankengeld, Arbeitslosengeld und Erwerbsminderungsrente?
Wenn Sie krank werden, haben Sie zunächst Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch Ihren Arbeitgeber, und zwar in der Regel für sechs Wochen. Im Anschluss daran haben Sie längstens 78 Wochen Anspruch auf Krankengeld, wobei die Zeit der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber angerechnet wird. Faktisch sind es damit meist maximal 72 Wochen. Haben Sie diesen Anspruch voll ausgeschöpft, werden Sie ausgesteuert, d. h., es gibt kein Krankengeld mehr. Hieran schließt sich ggf. noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I an. Das gilt auch dann, wenn Ihnen nicht gekündigt wurde.
Was ist höher: Krankengeld oder Erwerbsminderungsrente?
Im Normalfall ist das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung (und auch das Krankentagegeld der privaten Versicherung) höher als die Ihnen zustehende Rente wegen Erwerbsminderung. Schön, wenn die Krankenkasse Sie in Ruhe lassen würde und Sie Ihre Leistungsansprüche voll ausnutzen könnten. Wahrscheinlich wird die Krankenkasse Sie aber nach einiger Zeit des Krankengeldbezugs auffordern, sich beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen zur Begutachtung vorzustellen. Dort geht es unter anderem um die Frage, ob Sie überhaupt noch erwerbsfähig sind, denn in diesem Fall ist die Krankenkasse (oder auch die private Krankenversicherung) für Sie (zumindest auf Dauer) nicht zuständig. Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst dürfen Sie im Grundsatz nicht ablehnen, da Sie als Leistungsbezieher zur Mitwirkung verpflichtet sind.
Muss ich in Reha gehen?
Nach der Begutachtung drängt die Krankenkasse Sie möglicherweise, einen Antrag auf Rehabilitation zu stellen. Wenn eine Rehabilitation keine Chance auf Verbesserung der Erwerbsfähigkeit verspricht, wird der Antrag automatisch in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente uminterpretiert.
Was kann ich tun, um möglichst lang Krankengeld zu beziehen?
Wenn Ihr Krankengeld höher als die zu erwartende Rente wegen voller Erwerbsminderung ist, gehen Sie am besten wie folgt vor: Solange die Krankenkasse keine formelle Forderung zur Stellung eines Rentenantrags bzw. zum Antrag auf eine Reha-Maßnahme an Sie richtet, brauchen Sie gar nichts zu unternehmen. Ernst wird es erst, wenn eine formelle Aufforderung zum Rentenantrag erfolgt – verbunden mit einer Fristsetzung. Nach § 51 SGB V kann die Krankenkasse Sie nämlich auffordern, innerhalb einer Frist von zehn Wochen einen Rentenantrag zu stellen. Tun Sie das nicht, entfällt Ihr Krankengeldanspruch, weil Sie Ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind. Daher sollten Sie am Ende der 10-Wochen-Frist Ihren Rentenantrag/Antrag auf Rehabilitation einreichen. Dieser kann formlos schriftlich gestellt werden (nicht telefonisch, nicht per E-Mail). Um die Frist zu wahren, reicht notfalls ein Fax. Reichen Sie dann das gefaxte Dokument im Original nach. Anschließend wird ein Termin für die formelle Antragstellung vereinbart.
Was passiert, wenn ich zu viel Krankengeld bezogen habe?
Kommt es zur Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung und einer Nachzahlung der Rente, macht die Krankenkasse ihren Erstattungsanspruch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung geltend, und zwar für den Zeitraum, für den Ihnen rückwirkend – parallel zum Krankengeldbezug – ggf. Rente bewilligt wurde. Doch keine Angst: Auf dem Unterschiedsbetrag zwischen dem höheren Krankengeld und Ihrer niedrigeren Rente bleibt die Krankenversicherung sitzen (§ 50 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Sie brauchen kein Geld zurückzuzahlen. Die Krankenkasse rechnet direkt mit der Deutschen Rentenversicherung ab. Über die Verrechnung der Nachzahlung und einer etwaigen Restnachzahlung erhalten Sie einen Bescheid von der Deutschen Rentenversicherung.
Wann bekomme ich Arbeitslosengeld I, wenn ich krank bin?
Nach dem Auslaufen des Krankengelds haben Sie – in diesem Ausnahmefall auch trotz Ihrer Arbeitsunfähigkeit – Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Geregelt ist das in § 145 SGB III, der die Überschrift "Minderung der Leistungsfähigkeit" trägt (früher bekannt unter dem Stichwort Nahtlosigkeitsregelung). Danach besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I, wenn jemand allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht ausüben kann. Das gilt dann, wenn keine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt wurde.
Wie lang bekomme ich Arbeitslosengeld I, wenn ich krank bin?
Das Arbeitslosengeld I wird in solchen Fällen aber erfahrungsgemäß nicht für einen längeren Zeitraum gezahlt, denn in der Regel bringen die Arbeitsagenturen die Betroffenen umgehend dazu, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Dabei muss – geregelt in § 145 Abs. 2 SGB III – auf Aufforderung der Arbeitsagentur innerhalb eines Monats ein Antrag auf "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben" gestellt werden, der bei Ablehnung als Antrag auf Erwerbsminderungsrente gilt. Wird der Antrag nicht gestellt, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Wird er gestellt, wird Arbeitslosengeld I zunächst weitergezahlt.
Was passiert, wenn ich zu viel Arbeitslosengeld I bezogen habe?
Für den Fall, dass später für Zeiten, in denen Arbeitslosengeld I gezahlt wurde, Erwerbsminderungsrente zugestanden wird, werden diese beiden Leistungen miteinander verrechnet. Der Erstattungsanspruch der Arbeitsagentur besteht dabei nur gegenüber der Rentenversicherung und nicht gegenüber Ihnen.
(MS)