Hausarztbesuche: Muss der Arzt nach Hause kommen?

 - 

Rund 25 Millionen Hausbesuche haben bundesdeutsche Ärzte im letzten Jahr bei ihren Patienten gemacht, 2009 gab es mit 30,3 Millionen noch deutlich mehr Hausbesuche. Das zeigt die Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Haben Patienten ein Recht darauf, dass der Arzt zu ihnen nach Hause kommt?

Hausbesuche gehören für den Hausarzt zum Pflichtprogramm. § 17 Abs. 6 Bundesmantelvertrag Ärzte regelt klar: »Die Besuchsbehandlung ist grundsätzlich Aufgabe des behandelnden Hausarztes«. § 17 Abs. 7 dieses Vertrages schränkt die Behandlung zu Hause allerdings ein. Danach müssen die Krankenkassen ihre Versicherten darüber aufklären, dass sie einen Anspruch auf Besuchsbehandlung nur dann haben, »wenn ihnen das Aufsuchen des Arztes in dessen Praxisräumen wegen Krankheit nicht möglich oder zumutbar ist«.

Wenn ein Behandlungsvertrag besteht, übernimmt der Arzt die Verpflichtung, Ihnen die erforderliche medizinische Hilfe zu leisten.

Der Vertrag kommt schon dadurch zustande, dass Sie einen Arzt aufsuchen und von ihm behandelt werden. Eine Schriftform ist dabei nicht nötig.

Zur Verpflichtung des Arztes gehört dabei auch der Hausbesuch, wenn Sie nicht zu ihm kommen können – etwa weil Sie hohes Fieber haben oder krankheitsbedingt ans Bett gebunden sind. Die Verpflichtung zum Hausbesuch gilt auch für einen Facharzt, wenn der Patient diesen vorher zur Behandlung aufgesucht hat und ein Behandlungsvertrag besteht. Unterlässt der Arzt den (notwendigen) Hausbesuch, so kann ihm unter Umständen ein berufsgerichtliches Verfahren drohen.

Keine Vereinbarung erforderlich

Eine ausdrückliche Vereinbarung über Hausbesuche müssen Sie mit Ihrem Arzt nicht treffen, auf jeden Fall ist diese unnötig. Dennoch schadet es nicht, wenn Sie Ihren Hausarzt fragen, wie in seiner Praxis mit Hausbesuchen verfahren wird.

Auch als »neuer« Patient haben Sie Anspruch auf Hausbesuche, wenn Sie nicht in der Lage sind, die Praxis aufzusuchen. Ein Arzt darf also die Aufnahme neuer Patienten nicht an die Bedingung knüpfen, dass diese auf einen Hausbesuch verzichten.

Arzt im näheren Umfeld

Gerade wenn Sie älter werden, ist es sinnvoll, dass die Ärzte, die Sie regelmäßig aufsuchen müssen, in Ihrer näheren Umgebung sind. Kurze Anfahrtswege – insbesondere zum Hausarzt und zu oft frequentierten Fachärzten – ersparen Ihnen Zeit und Mühe. Wer kein Auto besitzt, sollte die Praxis gut zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können.

Dass der Arzt seinen Sitz in Ihrer Nähe haben sollte, ist auch beim Thema »Hausbesuche« wichtig. Denn grundsätzlich gilt, dass Ärzte das Recht haben, Hausbesuche »außerhalb des üblichen Praxisbereiches« abzulehnen. Eine feste Kilometerdistanz findet sich hierfür im Bundesmantelvertrag Ärzte nicht. Wie weit der übliche Praxisbereich reicht, hängt von der Siedlungsstruktur und der Arztdichte ab. In einer Großstadt befindet sich eine Praxis, die »am anderen Ende« der Stadt liegt, sicherlich außerhalb des üblichen Praxisbereichs.

Fragen Sie Ihren Arzt, in welchem räumlichen Bereich er sich normalerweise noch für Hausbesuche zuständig fühlt. Auch außerhalb dieses Bereichs ist der Arzt zu einem Hausbesuch verpflichtet, wenn es sich um einen dringenden Fall handelt und ein anderer Vertragsarzt, in dessen Praxisbereich die Wohnung des Kranken liegt, nicht zu erreichen ist.

Hausarztzentrierte Versorgung

Viele Patienten kennen ihren Hausarzt schon lange und vertrauen ihm. Trotzdem besteht keine rechtliche Verpflichtung, bei gesundheitlichen Problemen zunächst den Hausarzt zu besuchen. In Deutschland gilt das Recht der freien Arztwahl. Das bedeutet auch: Jeder hat das Recht, sich einen anderen »Hausarzt« zu wählen – wenn denn in der Gegend verschiedene Allgemeinmediziner oder hausärztlich tätige Internisten tätig sind.

Anders ist es allerdings für diejenigen, die sich für eine »hausarztzentrierte Versorgung« entschieden haben. Solche Modelle wurden schon vor mehr als zehn Jahren in Deutschland eingeführt, um die »Lotsenfunktion« des Hausarztes im Gesundheitssystem zu stärken. Wer sich freiwillig hierfür entscheidet, für den ist der ausdrücklich gewählte Hausarzt Ansprechpartner für (fast) alle medizinischen Fragen. Fachärzte dürfen dann nur auf Überweisung des gewählten Hausarztes in Anspruch genommen werden. Ausnahmen gelten nur in Notfällen sowie für Termine bei Gynäkologen und Augenärzten. Die Hausarztmodelle sind in den einzelnen Bundesländern und zum Teil auch je nach Krankenkasse leicht unterschiedlich. Standard ist aber, dass man hierdurch eine längere vertragliche Bindung an den gewählten Hausarzt eingeht – in der Regel für ein Jahr.

Wer eine solche Bindung vereinbart, wird dafür mit bestimmten Vorteilen belohnt. So können für ihn bestimmte rabattierte Arzneimittel zuzahlungsfrei sein, es kann Anspruch auf eine erweiterte Gesundheitsuntersuchung sowie zusätzliche Präventionsangebote bestehen, gegebenenfalls wird auch eine Reduzierung der Wartezeit festgelegt.

Allerdings: Am Rechtsanspruch auf einen ärztlichen Hausbesuch ändert sich hierdurch nichts. Und niemand muss sich in ein Hausarztprogramm einschreiben, damit im Fall des Falles der Arzt nach Hause kommt.

Im Notfall: 112

In Notfällen – also etwa bei einem möglichen Herzinfarkt oder Schlaganfall – sollten Sie keine Zeit verschwenden mit dem Versuch, Ihren Hausarzt zu erreichen. In diesem Fall sollten Sie sofort die Notrufnummer 112 wählen.

Wenn die Praxis Ihres Hausarztes zu hat und Sie – etwa wegen hohen Fiebers – nicht bis zur nächsten Sprechzeit warten können, können Sie sich unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Dieser versorgt sowohl Kassen- als auch Privatpatienten.

(MS)

Weitere News zum Thema
  • [] Zuzahlungen bei Medikamenten sowie Kosten für Zahnersatz und die Fahrt zum Arzt können bei der Steuer abgezogen werden – allerdings erst ab der individuellen Belastungsgrenze. Wie ist sie zu berechnen? Welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen noch in mehr

  • [] Die Bundesregierung hat einen Bericht zur langfristigen Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung vorgelegt. Der Bericht enthält Szenarien und mögliche Reformen, um die Pflegeversicherung bis 2060 zukunftssicher zu gestalten. mehr

  • [] Wenn ein Grad der Behinderung (GdB) festgestellt werden soll, kann das Gericht eine Begutachtung anordnen. Dieser dürfen sich Betroffene nicht verweigern, wie ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Stuttgart zeigt. mehr

Weitere News zum Thema