Auch wer das Pflegeheim nicht nutzt, muss die Kosten zahlen
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Viele Pflegeheimbewohner sind in den vergangenen Jahren zu ihren Kindern geflüchtet, weil sie die Corona-bedingten Besuchseinschränkungen unerträglich fanden. Wer dann aber einfach sein Pflegeheimzimmer leer stehen lässt, muss trotzdem die vertraglich vereinbarten Kosten zahlen.
Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 28.4.2022 (Az. III ZR 240/21). Doch es gibt einen Ausweg.
In dem Fall, über den vor dem BGH verhandelt wurde, hatte ein Sohn seine in Pflegegrad 3 eingestufte Mutter Mitte März 2020 wegen der Pandemie zu sich nach Hause geholt. Ihr Zimmer räumte sie nicht, zahlte jedoch nur einen Teil des Monatsentgelts.
Für die Monate Mai bis August 2020 zahlte sie insgesamt 1.162,18 € statt des vereinbarten Monatsentgelts von 3.294,49 € für Mai, Juni und Juli sowie 3.344,07 € für August. Wie sie diesen Betrag errechnete, geht aus dem BGH-Urteil nicht hervor. Die Minderzahlung begründete sie damit, dass das Heim wegen der Corona-Maßnahmen die vereinbarten Leistungen nicht erbracht habe.
Wie lautet das Urteil des Gerichts?
Nachdem der Heimbetreiber vergeblich die Zahlung des Restbetrags eingefordert hatte, kündigte er den Heimvertrag aus wichtigem Grund zum 31.8.2020 und verlangte insgesamt rund 8.900,– € von der Seniorin, die dagegen gerichtlich klagte.
Alle Gerichtsinstanzen einschließlich des Bundesgerichtshofs gaben dem Heimbetreiber vollumfänglich recht.
Das Gericht befand: Die Leistungen, die den Schwerpunkt des Pflegevertrags bildeten, konnten trotz der pandemiebedingt hoheitlich angeordneten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen weiterhin in vollem Umfang erbracht werden. Eine Entgeltkürzung wegen Nicht- oder Schlechtleistung scheide daher von vornherein aus.
Wurden Vertragspflichten verletzt?
Auch komme keine Herabsetzung des Heimentgelts wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Durch die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen habe sich die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien bestehenden Pflegevertrag nicht schwerwiegend geändert.
Ein Festhalten am unveränderten Vertrag sei der Seniorin zumutbar gewesen, zumal die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie angeordneten Einschränkungen sozialer Kontakte (Lockdown) das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben, also auch Nichtheimbewohner, erfasst hätten.
Das BGH-Urteil ist eindeutig und konnte nicht anders ausfallen. Die Seniorin und ihr Sohn haben aber mit ihrer Entscheidung, den Heimplatz ungekündigt einfach beizubehalten, die rechtlich und finanziell gesehen schlechteste Lösung gewählt. Auch wenn ein Heimbewohner einen unbefristeten Heimvertrag unterschrieben hat, kann er diesen jederzeit kündigen. In der Regel enthalten Heimverträge zwar die Klausel, dass eine Kündigung des Vertrags bis zum dritten Werktag eines Monats bei dem Träger des Pflegeheims eingegangen sein muss, wenn das Vertragsverhältnis zum Ende des Monats beendet werden soll. Dennoch entfällt für Pflegeheimbewohner die Zahlungspflicht am Tag nach dem Auszug. Das hat der BGH bereits mit einem Urteil vom 4.10.2018 entschieden (Az. III ZR 292/17). Das bedeutet: Hätte die Seniorin am 19.3.2020 den Heimplatz gekündigt und ihr Zimmer geräumt, wären für sie ab dem 20.3.2020 keine weiteren Kosten entstanden.
(MS)