24-Stunden-Pflege: Arbeitsrecht beachten
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Die 24-Stunden-Pflege, auch Live-In-Pflege genannt, wird häufig von Rumäninnen und Bulgarinnen geleistet. Die Arbeitszeiten sind dabei so zu regeln wie in Krankenhäusern und bei der Feuerwehr.
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sind schon länger arbeitsrechtliche Streitthemen. Bislang geht es dabei beispielsweise um Feuerwehrleute oder Krankenhausärzte.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die entsprechenden Regeln auf den Bereich der Pflege in Privathaushalten angewendet – auf eine Branche, die durch überlange Arbeitszeiten und niedrige Entlohnung geprägt ist, vor allem bei der 24-Stunden-Pflege.
In der Branche für private Langzeitpflege arbeiten schätzungsweise 300.000 bis 600.000 Frauen aus Ost- und Mitteleuropa. Sie übernehmen Arbeiten im Haushalt sowie die Pflege und Betreuung von älteren Personen.
Ist Mindestlohn zu zahlen?
"Live-Ins" heißen die arbeitenden Frauen, weil sie während ihres Arbeitseinsatzes im Haushalt der pflegebedürftigen Person wohnen.
Das BAG befand: Der gesetzliche Mindestlohn steht den Betroffenen auch in der Zeit zu, in der sie sich im Haushalt für einen Pflegeeinsatz bereithalten müssen (Urteil vom 24.6.2021, Az. 5 AZR 505/20).
Die Klage richtete sich im entschiedenen Fall gegen die Agentur, die die bulgarische Pflegekraft vermittelt hatte – und nicht gegen den Privathaushalt. Falls Privathaushalte Pflegekräfte selbst einstellen, würden entsprechende Klagen sie selbst treffen.
Das gilt auch dann, wenn es sich um Schwarzarbeit handelt, denn auch illegal beschäftigte Arbeitnehmer haben arbeitsrechtliche Ansprüche, die sie einklagen können. Dazu gehört dann auch der Lohn für Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann – so das Bundesarbeitsgericht – "darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten".
Was muss im Arbeitsvertrag stehen?
Im vor dem BAG verhandelten Fall hatte die Agentur mit der Pflegekraft per Arbeitsvertrag eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten. Dafür erhielt die Betroffene monatlich 950,– €. Sie wohnte bei der gepflegten Person, verrichtete dort Haushaltstätigkeiten (wie Einkaufen, Kochen, Putzen etc.), war für eine "pflegerische Grundversorgung" (wie Hilfe bei der Hygiene, beim Ankleiden etc.) und für "soziale Aufgaben" (z. B. Gesellschaft leisten, Ansprache, gemeinsame Interessenverfolgung) zuständig. Ein Pflegedienst war nicht zusätzlich eingeschaltet.
Die Pflegekraft erhob 2018 unter Berufung auf das Mindestlohngesetz Klage und verlangte weitere Vergütung. Sie erklärte, rund um die Uhr gearbeitet zu haben oder in Bereitschaft gewesen zu sein. Selbst nachts habe die Tür zu ihrem Zimmer offen bleiben müssen, damit sie auf Rufen der zu betreuenden Person dieser – etwa zum Gang auf die Toilette – Hilfe habe leisten können.
Insgesamt beliefen sich ihre Forderungen auf knapp 36.000,– € zusätzliches Arbeitsentgelt. Berechnungsgrundlage dafür war eine tägliche Arbeitszeit von 21 Stunden und der gesetzliche Mindestlohn.
Wie ist Pflege finanzierbar?
Das BAG befand – salopp formuliert: Die Berechnungsgrundlage für die Nachforderung sei ein wenig aus der Luft gegriffen. Allerdings habe die Betroffene tatsächlich weit mehr als die vereinbarten 30 Stunden gearbeitet und auch tatsächlich weit mehr arbeiten müssen, denn im Betreuungsvertrag sei zwar von einer 30-Stunden-Woche die Rede, gleichzeitig aber von einer 24-Stunden-Betreuung jeden Tag.
Die Klärung der tatsächlichen Stundenzahl, die der Entlohnung und der Bemessung des Nachzahlungsanspruchs der Betroffenen zugrunde liegt, wurde deshalb an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Eines ist nach diesem Urteil völlig klar: Die Live-In-Pflege wird auf Dauer noch teurer werden. Lösungen im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung gibt es hier kaum. Zur Finanzierung der Leistungen von den über ausländische Pflegeagenturen vermittelten Pflegekräften steht den Betroffenen und ihren Familien in erster Linie das monatlich gezahlte Pflegegeld zur Verfügung.
Interessant kann in manchen Fällen allerdings das Konzept der Tagespflege sein – also eine tageweise Betreuung der Betroffenen in einer entsprechenden Einrichtung. Eine (teilweise) Finanzierung der Betreuung der Pflegebedürftigen (tagsüber oder auch nachts, dann nennt sich das Konzept "Nachtpflege") wird von der Pflegeversicherung im Rahmen der nach Pflegegraden festgelegten Beträge übernommen. Diese Leistungen erbringt die Pflegeversicherung zusätzlich zum Pflegegeld, das den Betroffenen zusteht.
Leistungsbeträge für Tagespflege
Pflegegrad 2: 689,– €,
Pflegegrad 3: 1.298,– €,
Pflegegrad 4: 1.612,– €,
Pflegegrad 5: 1.995,– €.
Informieren Sie sich mit unseren vier Ratgebern zum Thema Pflege über Ihre Ansprüche und alle notwendigen Abläufe: Pflegekräfte aus dem Ausland, Pflegefall – Was nun?, Der Pflegeassistent, Rechte und Ansprüche des Pflegenden.
(MS)