Teilrente ermöglicht Wechsel in GKV
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Ein besonderes Plus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gegenüber der Privaten Krankenversicherung (PKV) ist die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen – vor allem von Kindern und Ehepartnern. Kaum beachtet wurde bislang: Über diese Nulltarif-Versicherung der GKV können auch manche Senioren in die GKV wechseln.
In Ausnahmefällen können auch privat krankenversicherte Rentner, die vielfach durch hohe Prämien ihrer Versicherung belastet sind, über die Familienversicherung der GKV in die gesetzliche Krankenversicherung kommen. Möglich ist das für Senioren, die alle folgend genannten Voraussetzungen erfüllen:
→ Sie müssen verheiratet sein und einen gesetzlich versicherten Ehepartner haben, Gleiches gilt für offiziell (nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz) Verpartnerte,
→ sie dürfen nicht hauptberuflich selbstständig sein,
→ ihr monatliches Gesamteinkommen darf nicht über 470,– € liegen (gilt für 2022).
Am einfachsten kann man diese Rückkehr in die GKV an einem Beispiel nachvollziehen: Ein Versicherter erhält eine gesetzliche Altersrente in Höhe von 1.300,– €. Dazu bekommt er noch – wie alle privat krankenversicherten Rentenbezieher – einen Beitragszuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung. Maximal gewährt die Rentenversicherung als Zuschuss zur privaten Krankenversicherung den Betrag, den ein freiwillig gesetzlich Versicherter mit einer entsprechenden Rente erhalten hätte. Das sind in diesem Fall 103,35 € (7,95 % von 1.300,– €). Hiermit wird jedoch nur ein kleiner Teil seiner monatlich zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsprämie von insgesamt 800,– € abgedeckt. Damit bleiben dem Betroffenen für seinen Lebensunterhalt monatlich nur (1.403,35 € ./. 800,– € =) 603,35 €.
Lösung: Familienversicherung in der GKV
Der Beispielrentner liegt mit seiner monatlichen Rente zunächst einmal um Welten über der Einkommensobergrenze für die Familienversicherung von 470,– €. Das muss aber nicht so bleiben, denn er kann den Teilrenten-Trick anwenden.
Seit Einführung der Flexirente können sich Rentner auch nach Erreichen des regulären Rentenalters statt ihrer vollen Rente (Vollrente) jederzeit für eine Teilrente zwischen 10 % und 99 % ihrer Vollrente entscheiden. Die Entscheidung zwischen Voll- und Teilrente steht nach § 42 SGB VI allen Versicherten frei.
Bekannt geworden ist die Teilrente im Zusammenhang mit der Angehörigenpflege. Verzichten pflegende Rentner, die schon das reguläre Rentenalter erreicht haben, zeitweise auf 1 % ihrer Rente, so gilt – bei Erfüllung einiger weiterer Voraussetzungen – die Zeit, in der sie einen Angehörigen pflegen, als versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Folge, dass sie ihre Rente nochmals steigern können.
Wenn es um die Einhaltung der Einkommensgrenze für die Familienversicherung geht, ist meist – so auch im Beispielfall – ein deutlich weitgehender Rentenverzicht notwendig. Entscheidet sich der Beispielrentner für eine 35-Prozent-Rente, so kommt er auf eine monatliche Rente in Höhe von 455,– €, bleibt also unter der 470-Euro-Grenze. Dass er zusätzlich noch Anspruch auf einen Zuschuss zur PKV hätte, der ihn über die 470-Euro-Grenze hieven würde, zählt hierbei nicht.
Welche Einkünfte zählen, wenn die Einhaltung der Einkommensgrenze überprüft wird?
Die Familienversicherung kommt nur dann infrage, wenn das regelmäßige Gesamteinkommen der Mitversicherten 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht überschreitet. Die Bezugsgröße wird jährlich angepasst. Derzeit liegt sie bei 3.290,– €, ein Siebtel hiervon sind 470,– €. So viel ist als regelmäßiges Einkommen erlaubt. Liegen die Einkünfte darüber, geht der Gesetzgeber davon aus, dass bei diesen Personen kein Schutzbedürfnis vorliegt. Die Familienversicherung kommt daher nicht infrage.
Bei der Prüfung, ob das Gesamteinkommen über 470,– € monatlich liegt, zählt nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch weitere Einkünfte, etwa Mieteinnahmen, Zinsen und Privatrenten. Einnahmen, die nicht versteuert werden müssen, zählen auch für die Krankenkassen nicht mit. Das gilt etwa für das Wohngeld oder für Pflegegeld, das Pflegebedürftige an den Pflegenden weitergeben.
Wie kann ich in die Teilrente wechseln?
Der Wechsel in die Teilrente funktioniert mit einem einfachen formlosen Schreiben an die Deutsche Rentenversicherung. Ein Antragsformular hierzu gibt es bislang noch nicht.
Genauso kann man später – nachdem der Wechsel in die Familienversicherung vollzogen ist – wieder mit einem formlosen Antrag in die Vollrente wechseln.
Wie funktioniert der Wechsel in die Familienversicherung?
Ihr Ehepartner muss bei seiner gesetzlichen Krankenkasse hierzu einen Antrag stellen. Dafür sollte sie/er bei der Kasse anrufen bzw. eine E-Mail schreiben und sich ein Antragsformular schicken lassen. Die je nach Kasse leicht unterschiedlichen Formulare sehen hier als erste Möglichkeit vor: »Mein Ehe-/Lebenspartner soll beitragsfrei mitversichert werden ab [Datumangabe]«.
Im Formular werden umfangreiche Informationen zu Ihrer eigenen finanziellen Situation abgefragt. U.a. wird hier nach der Rentenhöhe gefragt. Hier können Sie die Höhe der beantragten Teilrente eintragen und als Anlage zum Antrag Ihr Schreiben an die Rentenversicherung beilegen, mit dem Sie die Teilrente beantragt haben. Wahrscheinlich wird die Kasse jedoch einen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung über den Wechsel in eine Teilrente verlangen.
Der (vorübergehende) Wechsel in die Familienversicherung funktioniert nicht einfach. Vielfach dürfte es sinnvoll sein, hierzu eine professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – etwa über einen Rentenberater. Dass dies sinnvoll sein kann, werden Sie spätestens feststellen, wenn Sie den nicht ganz unkomplizierten Antrag zur Familienversicherung erhalten.
Ist der Teilrenten-Trick rechtsmissbräuchlich?
Auf den ersten Blick könnte man das annehmen. Immerhin gibt es in § 46 Abs. 2 SGB I eine Regelung, die eigentlich vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten verhindern soll. Dort findet sich im Zusammenhang mit dem Verzicht auf Sozialleistungen die Vorschrift: "Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden".
Doch genau dies ist nach Ansicht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung beim Teilrenten-Trick nicht der Fall. Dieser erklärt: Im Gegensatz zum völligen Verzicht auf eine Rente »ist die Wahl, eine Altersrente nicht in voller Höhe, sondern als Teilrente in Anspruch zu nehmen (§ 42 Abs. 2 SGB VI), kein Verzicht im Sinne des § 46 SGB I«. Weiterhin erklärt der Spitzenverband: "Soweit Angehörige durch Ausübung dieses Wahlrechts die Einkommensgrenze nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V (aktuell: die 470-Euro-Grenze) unterschreiten, ist die Familienversicherung möglich, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt werden".
Nachlesen können Sie diese Position des Verbands im Papier: "Grundsätzliche Hinweise des GKV-Spitzenverbandes: Gesamteinkommen im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der Familienversicherung vom 12. Juni 2019".
Gilt bei der Familienversicherung keine Altersgrenze?
Nein, die gibt es nicht. Das Teilrenten-Schlupfloch zum Wechsel in die GKV existiert nur wegen des Fehlens einer Altersgrenze. Normalerweise ist für Menschen jenseits der 55 eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung nämlich nicht möglich. Wer 55 Jahre oder älter und privat krankenversichert ist, bleibt versicherungsfrei, auch wenn normalerweise Versicherungspflicht eintreten würde.
So kann ein privat Krankenversicherter, der mit 56 Jahren seine Arbeit verliert und ALG I bezieht, über den Bezug dieser Leistung nicht in die GKV zurückkehren. Das gilt jedenfalls, wenn er in den fünf Jahren vor dem Beginn des ALG-I-Bezugs durchweg privat oder gar nicht krankenversichert war. Eine solche Grenze gibt es bei der Familienversicherung nicht.
Was passiert, wenn ich wieder in die Vollrente wechsle?
In diesem Moment endet die Familienversicherung. Doch damit endet Ihre gesetzliche Versicherung nicht. Dafür sorgt eine Gesetzesänderung, die bereits im August 2013 in Kraft getreten ist.
Seit dem 1.8.2013 schließt sich bei Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung in der GKV endet – egal aus welchem Grund –, automatisch eine freiwillige Versicherung an, denn seit August 2013 gibt es eine obligatorische Anschlussversicherung. Geregelt ist sie in § 188 Abs. 4 SGB V. Danach beginnt nach Beendigung der Versicherungspflicht oder nach dem Ende einer Familienversicherung in der GKV automatisch eine freiwillige gesetzliche Versicherung. Diese Regelung wurde eingeführt, um die seit 2007 (für die GKV) bzw. seit 2009 (auch für die PKV) in Deutschland geltende Versicherungspflicht effektiv durchzusetzen. Die Regelung führt dazu, dass niemand, der bislang gesetzlich versichert war, aus der Krankenversicherung herausfallen kann, bzw. entkommen kann. Diese sogenannte obligatorische Anschlussversicherung tritt unabhängig von der Erfüllung einer Vorversicherungszeit ein. Sie beginnt generell mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder dem Tag nach Ende der Familienversicherung.
Wie teuer ist für mich die Krankenversicherung danach?
Durch die Regelung zur obligatorischen Anschlussversicherung kommt eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung (und in deren Folge auch eine gesetzliche Pflegeversicherung) zustande. Für die Beitragserhebung gelten dann also die Regelungen der freiwilligen Krankenversicherung.
Die Beiträge sind einkommensabhängig. Wenn Sie nur eine gesetzliche Rente beziehen, dann zahlen Sie von der Rente Ihren Versichertenanteil, also die Hälfte des allgemeinen Beitrags von 14,6 % und die Hälfte des Zusatzbetrags, den Ihre Kasse erhebt.
Praktisch läuft das wieder genauso ab wie zu der Zeit, als Sie privat krankenversichert waren: Die Deutsche Rentenversicherung überweist Ihnen zusätzlich zu Ihrer Rente noch den Beitragsanteil zur Krankenversicherung, den sie übernimmt, und Sie überweisen den kompletten Beitrag an Ihre Krankenversicherung – wobei in der Regel der Beitrag monatlich von dieser eingezogen wird. Den Pflegeversicherungsbeitrag übernehmen Sie komplett.
Wie kann ich meine private Krankenversicherung beenden?
Nach § 205 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz können Sie die mit der privaten Versicherung abgeschlossenen Verträge für sich selbst und (falls solche bestehen) auch für Ihre Familienmitglieder kündigen – und zwar zu dem Zeitpunkt, an dem die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung eintritt oder eine Familienversicherung greift.
Das Versicherungsvertragsgesetz regelt eindeutig: »Macht der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, steht dem Versicherer die Prämie nur bis zu diesem Zeitpunkt zu«. Der entsprechende Paragraf ist weitgehend für den Fall formuliert, dass Versicherungspflicht in der GKV eintritt. Der letzte Satz stellt jedoch klar: »Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich«. Der Eintritt der Familienversicherung muss der PKV dann im Regelfall innerhalb von zwei Monaten nachgewiesen werden.
Was geschieht mit meinen Altersrückstellungen bei der PKV?
Die Altersrückstellungen gehen beim Wechsel in die GKV verloren. Insoweit dürfte Ihre private Versicherung über Ihren Wechsel in die GKV nicht ganz traurig sein. Allerdings: Immerhin wurde während der Koalitionsverhandlungen auch das Thema »Mitnahme der Altersrückstellungen beim Wechsel in die GKV« diskutiert – fand aber keinen Eingang in den Koalitionsvertrag. Freilich ist nicht auszuschließen, dass sich beim Thema »Altersrückstellungen« im Laufe dieser Legislaturperiode etwas ändert – vielleicht wird dann gleichzeitig das Schlupfloch zum Wechsel in die GKV geschlossen, um das es in diesem Beitrag ging.
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(MS)