Doppelbesteuerung von Renten: Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerden ab
Aus dem Umstellungsprozess von der vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung von Renten kann sich eine Doppelbesteuerung ergeben.

Doppelbesteuerung von Renten: Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerden ab

 - 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Übergangsregelung zur nachgelagerten Besteuerung von Renten für verfassungsmäßig. Verfassungsbeschwerden, die gegen entsprechende Entscheidungen des BFH eingelegt worden waren, sind vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Ende Mai 2021 wurden die lang ersehnten BFH-Urteile zur Doppelbesteuerung von Renten veröffentlicht. In den Verfahren ging es nicht um die Besteuerung der Renten nach der Umstellungsphase von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Besteuerung, also die Besteuerung ab 2040. Es ging nur um die Besteuerung während der Übergangsphase und die Frage, ob es dabei zu einer Doppelbesteuerung kommt.

Ergebnis des BFH: Die Übergangsregelung an sich und die Besteuerung während der Übergangsregelung sind verfassungsmäßig.

Beide Kläger hatten anschließend beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. 2 BvR 1143/21 und 2 BvR1140/21). Leider hat das Bundesverfassungsgericht die Verfahren am 7. November 2023 nicht zur Entscheidung angenommen. Das heißt: Die aktuell geltende Regelung bleibt bestehen.

 

Inhalt

 

So begründet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, da diese aus Sichte des BVerfG nicht den »Substantiierungsanforderungen« genügen, also: nicht begründet sind.

Konkret heißt es in den Entscheidungen:

»Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie unzulässig ist. Sie genügt nicht den Substantiierungsanforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde das angeblich verletzte Recht zu bezeichnen und der seine Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert darzulegen [...]. Die Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zu Grunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen [...]. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat sich der Beschwerdeführer mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen [...]. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll [...]. Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den darin entwickelten Maßstäben zu begründen [...].

Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beschwerdeführer nicht gerecht.«

(BVerfG, Beschlüsse vom 7.11.2023, Az. 2 BvR 1143/21 und Az. 2 BvR 1140/21)

Wann kommt es zur Doppelbesteuerung und wie geht es jetzt weiter?

Aus dem Umstellungsprozess von der vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung von Renten kann sich eine Doppelbesteuerung ergeben.

Das kann vor allem Rentner betreffen, die während des Systemwechsels von der vor- auf die nachgelagerte Rentenbesteuerung in Rente gehen.

Wer als Rentner nicht mindestens so hohe Auszahlungen steuerfrei erhält, wie er während seines Arbeitslebens steuerpflichtig in die gesetzliche Rentenkasse einbezahlt hat, ist von einer Doppelbesteuerung seiner Rente betroffen.

Konkret kommt es zur Doppelbesteuerung (Zweifachbesteuerung), wenn mehrere, aber nicht zwangsläufig alle, dieser Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Sie sind erst vor Kurzem in Rente gegangen,

  • Sie waren selbstständig tätig, haben also keine steuerfreien Arbeitgeberanteile erhalten,

  • Sie sind unverheiratet,

  • Sie sind männlich, denn dann ist ihre statistische Lebenserwartung kürzer.

Ehemalige Arbeitnehmer sind eher nicht von einer Zweifachbesteuerung der Rente betroffen. Letztendlich kommt es aber natürlich immer auf den individuellen Fall und die individuelle Erwerbsbiographie an.

Gegen die Doppelbesteuerung von eingezahlten Rentenbeiträgen und darauf beruhenden Rentenzahlungen kann man sich erst dann wehren, wenn man in Rente geht – vorher ist man nicht betroffen, sagt der BFH.

Gegen eine doppelte Besteuerung kann man bereits bei Beginn des Rentenbezugs vorgehen. Es darf nicht unterstellt werden, dass zu Beginn des Rentenbezugs zunächst nur solche Rentenzahlungen geleistet werden, die sich aus steuerentlasteten Beiträgen speisen. Das hat der BFH klar und deutlich entschieden (BFH-Urteil vom 21.6.2016, Az. X R 44/14).

Wer gegen die zweifache Besteuerung vorgehen möchten, muss nachweisen, dass es im konkreten Fall zu einer doppelten Besteuerung kommt. Wenn das gelingt, kann aus verfassungsrechtlichen Gründen »ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase« gewährt werden (BFH-Urteil vom 21.6.2016, X R 44/14).

Das sind jedoch gleich zwei Probleme:

Dass jedenfalls der BFH mit der aktuellen Regelung zur Rentenbesteuerung nicht glücklich ist, ist klar. Es muss also eine Gesetzesänderung her, die eine doppelte Besteuerung ausschließt – nur: wann und wie?

Im ersten Schritt wurde die (volle) Absetzbarkeit von Rentenbeiträgen in der Steuererklärung um zwei Jahre vorgezogen: statt 2025 ist diese bereits ab 2023 möglich.

Jetzt wird diskutiert, zusätzlich auch die volle (nachgelagerte) Besteuerung weiter nach hinten zu schieben: statt 2040 soll sie auf 2058 verschoben werden. Diese Änderung steht im Wachstumschancengesetz, das zurzeit noch im Vermittlungsausschuss verhandelt wird.

Doppelbesteuerung von Renten – das steht in den BFH-Urteilen

Interessant war vor allem das Urteil X R 33/19. Darin wurde konkret darüber verhandelt, wie die Summe der steuerfreien Rentenbezüge konkret berechnet werden muss:

  • Die Bundesregierung rechnet neben dem Rentenfreibetrag auch den steuerlichen Grundfreibetrag (2023: 10.908 Euro) und selbst getragene Krankenversicherungsbeiträge und Pflegeversicherungsbeiträge mit ein. Begründung: Der Grundfreibetrag sichert das Existenzminimum für alle Bürger, nicht nur für Rentner. Deshalb muss er in die Berechnung mit einbezogen werden.

  • Die Kläger hielten es für falsch, den Grundfreibetrag bei der Berechnung der nicht versteuerten Rentenbezüge einzubeziehen.

In den Urteilen geht es nicht um die Besteuerung der Renten nach der Umstellungsphase von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Besteuerung, also die Besteuerung ab 2040. Es geht nur um die Besteuerung während der Übergangsphase und die Frage, ob es dabei zu einer Doppelbesteuerung kommt.

BFH-Urteil vom 19.5.2021, Az. X R 33/19

Die Revision wurde zurückgewiesen, es liegt keine Doppelbesteuerung (Zweifachbesteuerung) der Rente vor.

Der BFH hält die Übergangsregelung an sich weiterhin für verfassungsmäßig. Neue Argumente dagegen wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht erkennbar, so der BFH.

Berechnungsparameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten

Im Urteil hat der BFH erstmals eine konkrete Berechnungsformel festgelegt für die Berechnung, ob eine doppelte Besteuerung einer Rente vorliegt.

Dabei hat er klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.

Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als »steuerfreien Rentenbezug« in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings nach Auffassung des BFH unberücksichtigt. Sie dienen anderen Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden.

Das bedeutet, dass insbesondere auch der Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des »steuerfreien Rentenbezugs« unberücksichtigt bleibt.

Ebenfalls unberücksichtigt bleiben der Sonderausgabenabzug für die selbst getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, der Werbungskosten-Pauschbetrag (der bei Rentnern 102 Euro beträgt) sowie der Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 Euro.

Insgesamt stellt das Gericht fest, dass nach dieser Berechnungsformel künftige Rentner häufiger von einer doppelten Besteuerung betroffen sein werden. Gegenwärtige Rentnerinnen und Rentner betrifft dies nur in Einzelfällen.

Berechnung nach dem Nominalwertverfahren

Es gilt: Eine doppelte Besteuerung ist nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlich zufließenden Rentenbeiträge mindestens so hoch ist wie die eingezahlten Beiträge. Zur Berechnung wird dabei das sog. Nominalwertverfahren angewendet. Dabei wird die Summe der steuerlich nicht entlasteten Beitragszahlungen der Summe der steuerfreien Renteneinnahmen gegenübergestellt.

Als Rentenbezüge werden bereits erhaltene sowie nach der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartende Rentenzahlungen berücksichtigt. Verglichen wird also die Summe der steuerlich belasteten Altersvorsorgeaufwendungen mit der Summe der zu erwartenden steuerfreien Rentenbezüge. Sind die steuerlich belasteten Altersvorsorgeaufwendungen höher, liegt eine doppelte Besteuerung vor.

Inflation wird nicht berücksichtigt: Der Auffassung der Kläger im Verfahren X R 33/19, nach der die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen sei, folgte der Bundesfinanzhof nicht.

Für eine solche Abweichung vom sog. Nominalwertprinzip sah er weder im Einkommensteuerrecht noch im Verfassungsrecht eine Grundlage. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen – besteuert werden.

Hier können Sie den Volltext des Urteils Az. X R 33/19 auf der Internetseite des Bundesfinanzhofs lesen.

BFH-Urteil vom 19.5.2021, Az. X R 20/19

Die Revision wurde zurückgewiesen, es liegt keine Doppelbesteuerung (Zweifachbesteuerung) der Renten vor.

Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder Rürup-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht – wie von den Klägern begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen. Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung.

Private Renten: Keine Doppelbesteuerung möglich

Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (private Renten) werden – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert. Hier kann der BFH im Urteil X R 20/19 keine doppelte Besteuerung feststellen.

Genau gesagt: Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.

Freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung

Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung.

Die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) sind, so der BFH im aktuellen Urteil, als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern.

Dass die Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.

Öffnungsklausel nur auf Antrag

Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme hatte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel angewendet. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die Rürup-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz.

Das hatte der Kläger hier aber gar nicht beantragt. Die Öffnungsklausel hätte hier also gar nicht angewendet werden dürfen.

Trotzdem blieb ihre Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten: Die ihnen durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre.

Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offen bleiben.

Berücksichtigung der Hinterbliebenenrente

Der BFH stellte zudem klar, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.

Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren – bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen – Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen.

Hier können Sie den Volltext des Urteils Az. X R 20/19 auf der Internetseite des Bundesfinanzhofs lesen.

Wen betreffen diese Rentenurteile?

Auch der BFH entscheidet immer nur über Einzelfälle. Das bedeutet für die hier beschriebenen Urteile: Bei der Entscheidungsfindung werden die individuellen Situationen der Kläger betrachtet und geprüft, ob im konkreten Einzelfall eine doppelte Besteuerung vorliegt.

Das bedeutet aber nicht, dass die Entscheidungen für alle außer den konkret Beteiligten egal sind – im Gegenteil! Viele Entscheidungen sind über den Einzelfall hinaus bedeutsam und für die Finanzverwaltung bindend. Das Finanzamt muss sich dann bei anderen Steuerzahlern an die Entscheidung des Bundesfinanzhofs halten.

Diese Entscheidungen werden im vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Teil II des Bundessteuerblatts veröffentlicht.

Das Gericht entscheidet ausdrücklich nicht über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung aller Rentnerinnen und Rentner! Es entscheidet auch nicht über die Rechtmäßigkeit der Rentenbesteuerung für Rentnerjahrgänge ab 2040, die ihre Renten voll zu versteuern haben, ihre Beiträge hierfür aber nur in den Jahren 2025 bis 2039 bis zum gesetzlichen Höchstbetrag ohne prozentuale Beschränkung abziehen konnten.

Konkret betroffen von den hier beschriebenen Urteilen sind gesetzlich Rentenversicherte, die 48 Jahre alt oder jünger sind. Die bekommen keinen Rentenfreibetrag mehr, haben aber jahrelang Beiträge aus ihrem versteuerten Einkommen in die Rentenkasse eingezahlt.

Die vorsitzende Richterin des entscheidenden 10. Senats des BFH, Jutta Förster, präzisierte dazu:

  • Selbstständige werden stärker betroffen sein als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da sie ihre Rentenversicherungsbeiträge in voller Höhe selbst tragen und versteuern müssen.

  • Männer werden stärker betroffen sein als Frauen, da sie eine kürzere Lebenserwartung haben.

  • Ledige werden stärker betroffen sein als Verheiratete, da bei Unverheirateten nicht auch die Freibeträge des Partners bzw. der Partnerin berücksichtigt werden müssen.

Hintergrund: Ausgangssituation und zu klärende Streitfragen

In beiden jetzt entschiedenen Verfahren ging es um die Frage, ob eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung der Renteneinkünfte vorlag. Was erst einmal ähnlich klingt, stellte sich in vielen Einzelheiten allerdings sehr unterschiedlich dar.

BFH-Verfahren Az. X R 33/19, Vorinstanz: Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2019, Az. 8 K 3195/16

Situation:

Der Kläger war als Angestellter zunächst Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er blieb dies auf Antrag auch während seiner späteren Tätigkeit als Freiberufler. Der Kläger bezieht seit Ende des Jahres 2007 eine gesetzliche Altersrente, die das beklagte Finanzamt im Streitjahr 2008 mit dem Besteuerungsanteil von 54 % berücksichtigte.

Im Hinblick auf seine hohen Beitragsleistungen in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sogenannte Öffnungsklausel an. Sie ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen für einen Teil der Altersrente die steuerlich günstigere Ertragsanteilsbesteuerung beanspruchen zu können. Im Streitfall führte das dazu, dass knapp die Hälfte der gesetzlichen Rente mit einem Ertragsanteil von nur 20 % erfasst wurde. Die Rürup-Renten wurden mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz gebracht.

Im Verfahren zu klärende Fragen:

  • Kommt es bei einem Steuerpflichtigen, der in der Einzahlungsphase als freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherter Selbständiger langjährig den jeweiligen Höchstbeitrag gezahlt, keinen steuerfreien Arbeitgeberanteil erhalten hat und dessen Vorsorgeaufwendungen-Vorwegabzüge durch die Anrechnung der steuerfreien Arbeitgeberanteile des Ehegatten weitestgehend aufgezehrt wurden, durch das Alterseinkünftegesetz bei einem Renteneintritt im Jahr 2007 zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung?

  • Darf bei der Ermittlung der in den Jahren bis 2004 aus versteuertem Einkommen geleisteten Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung der steuerlich abzugsfähige Höchstbetrag der Sonderausgaben für Vorsorgeaufwendungen gleichrangig nach Maßgabe aller Sozialversicherungsbeiträge aufgeteilt werden?

  • Ist die Lebenserwartung der jüngeren Ehefrau im Hinblick auf eine ihr möglicherweise künftig zufließende Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen?

  • Ist der für die Veranlagungszeiträume bis 2004 gewährte Sonderausgabenabzug zwischen den Ehegatten gleichmäßig im Verhältnis der von ihnen geleisteten und geltend gemachten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen und dann der anteilig auf die Rentenversicherungsbeiträge des betroffenen Ehegatten entfallende Anteil am Sonderausgabenabzug zu ermitteln oder ist eine hälftige Aufteilung des Vorwegabzugs sachgerecht?

BFH-Verfahren Az. X R 20/19, Vorinstanz: Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28.05.2018, Az. 7 K 2456/14

Situation:

Der Kläger war freiberuflich tätig und daher Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Außerdem blieb er freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere Rürup-Renten und zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten.

Im Verfahren zu klärende Fragen:

  • Ist eine Leibrente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung abweichend von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Einkommensteuergesetz (EStG) nur mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a Doppelbuchst. bb EStG zu besteuern, wenn der Steuerpflichtige neben seinen verpflichtenden Beitragszahlungen in ein berufsständisches Versorgungswerk freiwillig Beiträge in eine gesetzliche Rentenversicherung erbringt, allerdings bereits die Beitragszahlungen in das berufsständische Versorgungswerk den Sonderausgabenabzug erschöpfen, so dass die Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung als aus versteuertem Einkommen erbracht anzusehen wären?

  • Sind Beiträge in ein berufsständisches Versorgungswerk hierbei als stets vorrangig anzusehen?

  • Kann der Steuerpflichtige zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von Beitragszahlungen und Rentenbezügen - auch und gerade in Fällen einer Höherversicherung - nach Maßgabe von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG die Anwendung der Öffnungsklausel beantragen?

  • Kann sich bei Renten aus privaten Versicherungsverträgen, die nicht der Basisvorsorge i.S. der "ersten Schicht" dienen und daher - steuerlich günstiger - gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem Ertragsanteil zu besteuern sind, systematisch überhaupt das Problem einer doppelten Besteuerung stellen?

  • Sind Bardividenden in die Ertragsanteilsbesteuerung mit einzubeziehen und - wenn ja - mit welchem Ertragsanteil?

Auslöser: Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur unterschiedlichen Besteuerung von Pensionen und Renten

2002 hat das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten für verfassungswidrig erklärt (BVerfG, Urteil 6.3.2002, Az. 2 BvL 17/99). Es musste also eine neue Regelung geschaffen werden.

Dazu stellte das Bundesverfassungsgericht gleich klar: »In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.«

Einfacher ausgedrückt: Eine doppelte Besteuerung muss vermieden werden.

Wechsel zur nachgelagerten Besteuerung der Rente und Übergangszeit

Bis 2004 wurden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus dem bereits versteuerten Nettoeinkommen der Arbeitnehmer bezahlt. Im Gegenzug mussten später die Rentenzahlungen nicht mehr versteuert werden.

Durch das Alterseinkünftegesetz wird seit 2005 das System der Rentenbesteuerung auf die nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Konkret heißt das:

  • Rentenbezüge werden schrittweise steuerpflichtig.

  • Rentenbeiträge, die während des Arbeitslebens in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt werden, können in der Steuererklärung geltend gemacht und als Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich abgesetzt werden.

Die Neuregelung umfasst insbesondere die sogenannte Basisversorgung. Dazu gehören

  • die gesetzliche Rentenversicherung,

  • die landwirtschaftlichen Alterskassen,

  • berufsständische Versorgungseinrichtungen (zum Beispiel Ärzteversorgung) und

  • die sogenannte Rürup-Rente.

Wie hoch der Besteuerungsanteil ist, also: wie viel von der Rentenzahlung der Einkommensteuer unterliegt, hängt ab vom Jahr des Rentenbeginns: 2005 lag der Besteuerungsanteil der gesetzlichen Rente bei 50%; seitdem steigt er schrittweise an, bis er zum Beispiel bei einem Renteneintritt im Jahr 2023 bei 83% liegt.

2040 soll ist diese Übergangsphase beendet sein: Wer ab 2040 in Rente geht, muss 100% der Rente versteuern. Zurzeit besteht die Überlegung, die Übergangsphase bis 2058 zu verlängern

Im Gegenzug wurden die Rentenbeiträge stufenweise steuerfrei gestellt und können seit 2023 komplett steuerlich geltend gemacht werden – allerdings mit einer Deckelung der Altersvorsorgeaufwendungen nach oben (z.B. 2023: maximal 26.528 Euro).

Ratgeber zum Thema Rente, Rentenversicherung, Renteneintritt und Steuererklärung

(MB)

Weitere News zum Thema

Weitere News zum Thema