Kindererziehungszeit rententaktisch gestalten
Eine Rentenkappung in der Kindererziehungszeit lässt sich durch sinnvolle Zuordnung zu Mutter und Vater vermeiden.

Kindererziehungszeit rententaktisch gestalten

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Um eine Rentenkappung in der Kindererziehungszeit zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, diese dem Vater zuzuordnen. Das geht im Bedarfsfall monatsweise.

Die Zeit der Kindererziehung wird bei der Berechnung der Rente berücksichtigt. Ein Jahr Kindererziehung bringt für die Rente etwa einen Entgeltpunkt. Das Rentenrecht sorgt allerdings dafür, dass Elternteile, die in den ersten Lebensjahren ihres Kindes bereits erwerbstätig sind und ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen, nicht voll von der entsprechenden Regelung profitieren. Bei sehr hohem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze gehen Eltern sogar leer aus.

Hiergegen mit rechtlichen Mitteln vorzugehen, ist nach der Ablehnung einer Verfassungsbeschwerde für die nächsten Jahrzehnte völlig aussichtslos. Umso wichtiger ist es, die Spielräume zu nutzen, die Eltern bei der Verteilung der Elternzeit auf die beiden Eltern (also in der Regel an Mutter und Vater) haben.

Bei der Rente werden einem erziehenden Elternteil in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes pro Monat 0,0833 Entgeltpunkte (EP) gutgeschrieben. Auf ein ganzes Jahr bezogen ergibt dies fast genau einen EP. Doch es ist sinnvoll, hier bei der Monats-Ebene zu bleiben, denn die Anrechnung erfolgt nicht für ganze Erziehungsjahre. Es wird vielmehr Monat für Monat geprüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.

Grundsätzlich ist es so, dass Rentenansprüche monatlich nur entsprechend der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze erworben werden können. Diese liegt 2021 bei 7.100,– €. Die EP-Regelung für die Erziehungszeit sorgt dafür, dass ein Elternteil so behandelt wird, als hätte er im Monat etwa 3.460,– € verdient. Das bedeutet: Rentenrechtlich bleibt für betroffene Elternteile im Jahr 2021 sozusagen »Luft« zum Zuverdienst bis zur Höhe von (7.100,– € ./. 3460,– € =) 3.640,– €. Diese Werte gelten für die alten Bundesländer.

Elternteile, die brutto mehr verdienen, müssen zwar weiter von jedem Euro ihres Arbeitsverdiensts bis zur Beitragsbemessungsgrenze Rentenversicherungsbeiträge zahlen. Die Wirkung der Entgeltpunkte für Kindererziehung wird jedoch mit zunehmendem Einkommen geschmälert und fällt ab der Beitragsbemessungsgrenze weg.

Dagegen haben sich vor allem Frauen aus den neuen Bundesländern, die in der früheren DDR neben der Kindererziehung bereits häufig gut verdient hatten, mit Widerspruch und Klage gewehrt. Sie sind damit jedoch nicht durchgedrungen.

Das Bundessozialgericht wies am 16.10.2019 eine hiergegen gerichtete Klage ab (Az. B 13 R 14/18 R). Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des BVerfG vom 30.9.2020, Az. 1 BvR 757/20). Das Gericht entschied damit nicht zur Sache, sondern hielt es noch nicht einmal für notwendig, sich überhaupt mit der Sache zu beschäftigen, weil der Gesetzgeber in dieser Sache nur den ihm – nach der herrschenden juristischen Meinung – zustehenden Gestaltungsspielraum genutzt hat.

Rententaktisch sinnvolle Disposition über die Kindererziehungszeit

Eltern bleibt damit nur die Option, den ihnen gesetzlich offenstehenden Spielraum zu nutzen: Die rentenrechtliche Kindererziehungszeit (sowie die Kinderberücksichtigungszeit bis zum 10. Geburtstag eines Kindes) sollte so eingesetzt werden, dass keine möglichen Ansprüche verloren gehen.

Eine Mutter pausiert nach der Geburt ihres Kindes für sechs Monate und verdient danach monatlich 4.500,– € brutto, der Vater verdient dagegen durchweg monatlich nur 3.000,– € brutto.

In diesem Beispiel kann die Mutter von der rentenrechtlichen Erziehungszeit nur in den ersten sechs Lebensmonaten voll profitieren. In dieser Zeit sollte die Kindererziehungszeit der Mutter zugeordnet werden. Ab Monat 7 werden die rentenrechtlichen Ansprüche der Mutter dagegen gekappt. Rentenansprüche werden ihr nur für die Spanne zwischen 4.500,– € und der Beitragsbemessungsgrenze von 7.100,– € zuerkannt, also für den Entgeltpunktwert, der einem Bruttoverdienst von 2.600,– € entspricht. Der Vater, der monatlich 3.000,– € brutto verdient, kann dagegen von der Kindererziehungszeit voll profitieren.

In diesem Fall ist es sinnvoll, die Kindererziehungszeiten ab Monat 7 dem Vater zu überlassen. Eine solche rententaktische Aufteilung der Kindererziehungszeiten erlaubt § 56 Abs. 2 SGB VI. Satz 3 bestimmt hierbei: »Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist«.

Diese Regelung hat, wie die Deutsche Rentenversicherung in der Broschüre »Ihr Plus für die Rente – Wie Kindererziehungszeiten Ihren Rentenanspruch erhöhen« erläutert, vor allem für Väter Bedeutung: »Soll der Vater die Kindererziehungszeit erhalten, obwohl er das Kind nicht überwiegend erzieht, müssen Sie für die Zukunft eine übereinstimmende gemeinsame Erklärung abgeben«, heißt es dort. Wer von beiden Elternteilen welchen Beitrag bei der Kinderbetreuung geleistet hat, spielt im Rahmen der gemeinsamen Erklärung keine Rolle. Die Zuordnung ist sozusagen »willkürlich«.

Diese übereinstimmende Erklärung kann sogar monatsweise erfolgen und beliebig geändert werden. Das wird u. a. dann sinnvoll sein, wenn die Ehepartner stark wechselnde Monatseinkommen haben. Falls ein Ehepaar mehrere Kinder hat, für die Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten gleichzeitig zu verteilen sind, können diese per gemeinsamer Erklärung auch aufgeteilt werden. Für Kind 1 kann dann beispielsweise der Vater und für Kind 2 die Mutter die rentenrechtlichen Kinder-Zeiten zugeordnet bekommen.

Für diese selbst gewählte Aufteilung der Kindererziehungszeit bietet die Deutsche Rentenversicherung das Formular V0820 an: »Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeit/Berücksichtigungszeit bei gemeinsamer Erziehung«. Der zeitliche Spielraum für diese willkürliche Zuordnung der Kindererziehungszeiten ist allerdings eng. Gesetzlich ist festgelegt, dass die übereinstimmende Erklärung der Eltern »mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben« ist und rückwirkend lediglich für zwei Kalendermonate erfolgen kann. Eltern sind allerdings nicht gezwungen, diese gemeinsame Erklärung abzugeben. In einem solchen Fall wird bei einer gemeinsamen Erziehung, die die Deutsche Rentenversicherung als Regelfall ansieht, die Erziehungszeit »grundsätzlich der Mutter zugeordnet«. So ist auch in der Vergangenheit regelmäßig verfahren worden.

Zuordnung lässt sich ändern

Doch diese Zuordnung kann unter Umständen später noch »gekippt« werden. Eltern können auch nachträglich noch beantragen, dass die Erziehungszeit dem Vater zugutekommt. Dazu muss dann jedoch begründet werden, wieso der Vater das Kind überwiegend erzogen hat. Dafür müssen keine Tagebucheintragungen o. Ä. vorgelegt werden. Es kommt vielmehr auf die äußeren Bedingungen, die jeweiligen Lebensumstände der Betroffenen an. Wenn ein Vater beispielsweise seine Arbeitszeit reduziert hatte oder arbeitslos war, während die Mutter eine Erwerbstätigkeit begonnen hat, ist das beispielsweise ein gutes Argument für das Überwiegen des Erziehungsanteils des Vaters.

Solche Argumente können jederzeit, beispielsweise in einem Kontoklärungsverfahren oder auch erst bei der Rentenantragstellung, geltend gemacht werden. Das hat das Bundessozialgericht am 16.12.1997 klargestellt (Az. 4 RA 60/97). Der in diesem Beitrag skizzierte Weg der rechtzeitigen gemeinsamen Erklärung ist jedoch weit einfacher. Eine nachträgliche Zuordnung der Zeiten zum Vater erfordert gegebenenfalls einen beträchtlichen Begründungsaufwand und führt unter Umständen sogar zu sozialgerichtlichen Auseinandersetzungen.

Eine Freiheit sollen Eltern nach der Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung allerdings niemals haben: Bei »gleichzeitiger Erziehung von zwei oder mehr Kindern ist die Zuordnung eines Kindes zum Vater und eines anderen Kindes zur Mutter ohne eine rechtzeitig abgegebene übereinstimmende Erklärung regelmäßig nicht möglich«, heißt es in den Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 56 SGB VI. Ob diese Rechtsauffassung im Falle des Falles vom Bundessozialgericht geteilt würde, scheint allerdings offen.

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(MS)

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