Testament bei Demenz?
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Deutschland – Erbenland: Billionen werden in den nächsten Jahren in Deutschland vererbt. Doch Deutschland ist auch Demenzland. Daher sind Testamente unter Umständen wenig wert. Über einen solchen Fall entschied das Oberlandesgericht Celle. Es ging um den Steuerberater einer alten Dame, den diese per Testament zum Alleinerben von etlichen Millionen bestimmt hatte.
Verstorbene war nicht testierfähig
»Auch guter Glaube schützt nicht davor, das Erbe herausgeben zu müssen«, stellt das OLG Celle schon in der Überschrift seiner Pressemitteilung zum Verfahren fest. Damit verdeutlicht das Gericht, dass es im Erbstreit, mit dem sich das Gericht beschäftigte, nicht etwa darum ging, dem als Erben eingesetzten Steuerberater moralische Vorwürfe zu machen. Er habe möglicherweise »gutgläubig« gehandelt und »Vertrauen in die Testierfähigkeit der ihm lange bekannten Erblasserin« gehabt. Doch das spiele keine Rolle, wenn die Verstorbene tatsächlich gar nicht testierfähig gewesen sei.
Verhandelt wurde über folgenden Sachverhalt: Eine alleinstehende und kinderlose ältere Frau mit einem Vermögen von mehreren Millionen Euro hatte durch ein Testament im Jahr 2008 und erneut durch einen vor einem Notar im Jahr 2014 geschlossenen Erbvertrag ihren langjährigen Steuerberater als alleinigen Erben eingesetzt. Sie verstarb 2015. Bereits anlässlich der Erteilung eines Erbscheins hatte das Amtsgericht Hannover ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das zu dem Ergebnis kam, dass die Verstorbene aufgrund wahnhafter Störungen nicht in der Lage war, wirksam zu testieren.
Das Testament ist damit unwirksam. Nicht der Steuerberater, sondern die entfernten Verwandten der Verstorbenen erben das Vermögen. Dass das Testament vor einem Notar geschlossen wurde, spielt dabei keine Rolle (OLG Celle, Urteil vom 27.12.2022, Az. 6 U 2/22).
Auch notarielle Testamente können nichtig sein
Dass auch ein notarielles Testament nichtig sein könne, haben Gerichte bereits mehrfach bestätigt, so das Oberlandesgericht Hamm in einer Entscheidung vom 13.7.2017 (Az. I-10 U 76/16).
Das Gericht befand damals nach Sichtung medizinischer Unterlagen, dass ein mithilfe eines Notars errichtetes Testament nichtig sein kann, auch wenn ein Notar befunden hatte, dass die Verfasserin des Testaments geschäfts- und testierfähig ist. In Hinblick auf die Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit ihrer Klienten seien Notare gegenüber Laien nicht qualifizierter. Schließlich könnten »Demenzerkrankte auch im fortgeschrittenen Stadium für einen Laien noch geistig klar und orientiert wirken und eine nach außen intakte Fassade aufweisen«, so das OLG. Das Gericht befand: Ausschlaggebend bei der Beurteilung der Demenz ist überwiegend das Urteil von Ärzten und anderen Fachleuten.
Demenz ist für Laien nicht unbedingt erkennbar. Auch mit der Einschaltung eines Notars sind Sie bei der Testamentsverfassung nicht auf der sicheren Seite. Niemand sollte sich daher darauf verlassen, dass ein von einem Notar errichtetes Testament unanfechtbar ist.
(AI)