Kein Zwang zur Online-Kommunikation
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Wie kündige ich einen online abgeschlossenen Vertrag? Mit dieser Frage hat sich der Bundestag in den letzten Jahren befasst. Auch in Gerichtsentscheidungen geht es immer wieder um diese Frage. Hier lesen Sie die Antwort.
Schon seit dem 1.10.2016 gilt: Online geschlossene Verträge mit Verbrauchern müssen auch online kündbar sein. Es ist nicht notwendig, einem Energieversorgungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen, das den Online-Abschluss von Verträgen erlaubt – oder als einziges Modell vorsieht –, mit einem persönlich unterschriebenen Brief zu kündigen.
Geregelt wurde das durch das am 17.12.2015 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, durch das u.a. § 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geändert wurde.
Was bedeutet das in der Praxis?
Was die Gesetzesänderung praktisch bedeutet, hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Volker Ullrich in der Aussprache zum Gesetz sehr anschaulich erläutert: "Wenn Sie sich im Internet zu einem Abo für Musik, Filme oder Software entschlossen haben und dieses Abo allein durch einen Mausklick zustande kam, dann konnten Sie dieses Abo bisher nicht selten nur in Schriftform kündigen, das heißt mit einem Brief an das Unternehmen. In nicht wenigen Fällen mussten Sie die Adresse erst umständlich suchen, etwa im Impressum".
Ulrich erläutert weiter: "Zukünftig gilt: Ein Vertrag kann so gekündigt werden, wie er geschlossen worden ist. Wenn der Vertrag durch einen Mausklick zustande kommt, können die Verbraucher per Mausklick kündigen. Wenn der Vertrag durch Textform zustande kommt, können Sie in Textform kündigen".
Gibt es einen Zwang zur Online-Kommunikation?
Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Nachdem zunächst eine Kündigung oder auch ein Vertragswechsel per Mausklick erlaubt wurde, versuchen nun manche Unternehmen dieses Verfahren zur Pflicht zu machen, indem der Verbraucher genötigt wird, nur noch online zu kommunizieren.
Genau über einen solchen Fall wurde am 29.4.2021 vor dem Hamburger Landgericht verhandelt.
Der Entscheidung lag eine Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) gegen den Hamburger Energieversorger Lichtblick zugrunde. Die Kunden konnten hier Gaslieferverträge telefonisch unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse abschließen. Kurz darauf erhielten sie – bei korrekter Angabe und Aufnahme der E-Mail-Adresse – eine Mail zur Verifizierung.
Durch das Verfahren war klar: Die Verbraucher nutzten die E-Mail-Kommunikation. Und: Die entsprechenden Daten lagen bei Lichtblick vor. So weit, so rechtens.
Doch das Unternehmen ging weiter und legte in den Vertragsbedingungen fest: "Diese Lieferverträge sind reine Online-Verträge, d.h., die Kommunikation erfolgt ausschließlich auf elektronischen Kommunikationswegen".
Gegen diese Klausel erhob der vzbv Unterlassungsklage und erhielt vom Landgericht Hamburg recht. Die Klausel lasse einen durchschnittlichen Verbraucher völlig im Unklaren, wie und auf welchem Weg ein Vertrag gekündigt werden könne, denn natürlich sei eine Kündigung per Brief oder Einschreiben mit Rückschein möglich.
Auch eine weitere Vertragsklausel wurde vom Gericht kassiert. Dieser zufolge konnte der Energieversorger seinen Kunden Kosten für Briefe verursachergerecht in Rechnung stellen, wenn sie sich noch nicht auf dem Kundenportal registriert hatten oder dem Unternehmen eine elektronische Kommunikation aus "vom Kunden zu vertretenden Gründen" nicht möglich war. Der Begriff "verursachergerecht" sei völlig unklar. Die Klausel verstoße gegen das "Bestimmtheits- und Verständlichkeitsgebot".
Was folgt aus diesem Urteil?
Der vzbv kommentierte das Urteil so: "Kein Kunde sollte diskriminiert werden, weil er am bewährten Brief bei einer Kündigung festhält. Das Urteil des Landgerichts Hamburg ist deswegen gut und wichtig".
Nicht jeder sitzt häufig vor dem PC und ist gerne – wie man es heute sagt – digital unterwegs. Viele fühlen sich noch immer mit der klassischen Kommunikation per Brief wohler. Das ist auch völlig in Ordnung – auf diesen Nenner könnte man dieses Urteil des Landgerichts Hamburg bringen. Kunden, die ähnliche Erfahrungen mit Vertragsklauseln machen, können sich gegen entsprechende Klauseln wehren.
(MS)