Erwerbsminderungsrentner klagt auf Gleichbehandlung
Wer seit 2019 eine neue Erwerbsminderungsrente bewilligt bekommt, erhält zum Teil deutlich mehr, als er nach dem vorher geltenden Recht bekommen hätte. Dafür sorgen u.a. die 2018 im Rahmen des Rentenpakts beschlossenen Leistungsverbesserungen. Die Mehrheit der Erwerbsminderungsrentner, also diejenigen, die 2018 bereits Rente bezogen hatten, gingen bei der Reform der Erwerbsminderungsrente dagegen leer aus. Bei ihnen blieb es beim bestehenden Berechnungsverfahren. Das Bundessozialgericht hat am 13.11.2020 eine von den Sozialverbänden VdK und SoVD unterstützte Musterklage hiergegen angenommen.

Erwerbsminderungsrentner klagt auf Gleichbehandlung

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Wer seit 2019 eine neue Erwerbsminderungsrente bewilligt bekommt, erhält zum Teil deutlich mehr, als er nach dem vorher geltenden Recht bekommen hätte. Dafür sorgen u.a. die 2018 im Rahmen des Rentenpakts beschlossenen Leistungsverbesserungen. Die Mehrheit der Erwerbsminderungsrentner, also diejenigen, die 2018 bereits Rente bezogen hatten, gingen bei der Reform der Erwerbsminderungsrente dagegen leer aus. Bei ihnen blieb es beim bestehenden Berechnungsverfahren. Das Bundessozialgericht hat am 13.11.2020 eine von den Sozialverbänden VdK und SoVD unterstützte Musterklage hiergegen angenommen.

Das entscheidende Stichwort bei der Reform der Erwerbsminderungsrente zum Jahreswechsel 2018/19 heißt "Zurechnungszeit". Diese soll die Lücke zwischen dem Eintritt der Erwerbsminderung – im Schnitt mit etwa 51 Jahren – und dem regulären Rentenalter zumindest einigermaßen schließen.

In der Zeit dazwischen werden die Erwerbsgeminderten rechnerisch so gestellt, als hätten sie weiterhin mit ihrem bisherigen Durchschnittsverdienst, der jeweils in Relation gesetzt wird zum Durchschnittsverdienst aller Rentenversicherten, Beiträge an die Rentenkasse abgeführt.

Bis zum Jahr 2018 endete die Zurechnungszeit für neue Erwerbsminderungsrentner/-innen bei 62 Jahren und drei Monaten. Seit Anfang 2019 läuft sie bis zum regulären Rentenalter. Das liegt für den Jahrgang 1955 bei 65 Jahren und 9 Monaten. Damit wird die (Versicherungs-)Lücke für neue Erwerbsminderungsrentner jetzt vollständig geschlossen.

Die Verlängerung der Zurechnungszeit bringt Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern mit einem Rentenbeginn ab dem Jahr 2019 nach den Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung im Schnitt monatlich etwa 70,– € mehr Rente.

Nur für Neurentner

Die Anhebung der Zurechnungszeiten gilt allerdings – so die gesetzliche Regelung – nicht für diejenigen, die bereits Ende 2018 eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben.

Auch wenn die Erwerbsminderungsrente nach einer zunächst befristeten Bewilligung erneut zugestanden wird (ggf. dann auch unbefristet), handelt es sich nicht um einen Neuantrag. Also bleibt es dann bei der vorherigen schlechteren Regelung der Zurechnungszeiten.

Musterklage der Sozialverbände

Gegen diese ungleiche Behandlung wehrt sich unter anderem in einer vom VdK unterstützten Musterklage dessen Mitglied Josef F., der bereits seit 2004 Erwerbsminderungsrente erhält und gleich von mehreren Gesetzesverbesserungen nicht profitierte.

Seine Klage gegen die Ungleichbehandlung wurde von den beiden ersten Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit mit Standardargumenten, die auch in Bundesverfassungsgerichtsurteilen regelmäßig auftauchen, abgelehnt. Das Sozialgericht Duisburg – als erste Instanz – verwies auf den breiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Es sei "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dieser die Vergünstigungen des § 253a SGB VI nur auf diejenigen Versicherten erstreckt hat, die bis zu den maßgeblichen Stichtagen noch keine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen haben". Das gelte umso mehr, als "die sich aus Zurechnungszeiten ergebenden Entgeltpunkte nicht auf einer eigenen Beitragsleistung der Betroffenen beruhen".

Genauso hatte das Bundesverfassungsgericht in einer vergleichbaren Rechtsfrage am 7.2.2011 geurteilt (Az. BvR 642/09). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen schloss sich der Argumentation der Vorinstanz an und ließ noch nicht einmal Revision beim Bundessozialgericht in Kassel zu.

Unerwarteter Erfolg in Kassel

Hiergegen erhob Josef F. – unterstützt vom VdK – Nichtzulassungsbeschwerde. Solch eine Beschwerde lässt das BSG im Schnitt noch nicht einmal in jedem zehnten Fall zu. Doch dieses Mal gab es der Beschwerde statt – mit der Folge, dass das Verfahren nun vor dem Bundessozialgericht verhandelt wird (Az. B 13 R 24/20 R).

Experten gehen nicht davon aus, dass der Klage von Josef F. in Kassel stattgegeben wird. Die Sozialverbände haben jedoch bereits angekündigt, dass ihr eigentliches Ziel Karlsruhe heißt. Sie möchten erreichen, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage beschäftigt.

Erwerbsminderungsrentner können unter Verweis auf die anstehende Entscheidung in Kassel einen Antrag auf Neufeststellung ihrer Rente stellen und die Erhöhung aufgrund der seit Januar 2019 geltenden neuen Zurechnungszeiten für Erwerbsminderungsrentner fordern. Gleichzeitig können sie unter Verweis auf das laufende Verfahren das Ruhen des Verfahrens beantragen. Allerdings: Große Hoffnung, dass auf dem Rechtsweg eine Rentenerhöhung durchgesetzt werden kann, sollte sich niemand machen. Wenn viele Betroffene sich jedoch gegen die vielfach niedrigen Erwerbsminderungsrenten für Bestandsrentner aus der Zeit vor 2019 wehren, kann dies den Druck auf den Gesetzgeber erhöhen, zumindest die Situation von Langzeit-Erwerbsgeminderten zu verbessern. Denn Erwerbsminderungsrentner wie Josef F. wurden gleich bei mehreren gesetzlichen Verbesserungsrunden nicht berücksichtigt. 

(MS)

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