Betriebsrente auch bei befristetem Arbeitsvertrag
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Ab wann ist ein Arbeitnehmer ein Betriebsangehöriger? Seltsame Frage – mögen Sie denken. Aber im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung spielt diese Frage durchaus eine Rolle.
Der Grund: Viele Arbeitnehmer erhalten zunächst einmal einen befristeten Arbeitsvertrag und später – bei Bewährung – gegebenenfalls einen unbefristeten Vertrag. Welches Datum zählt dann in Zusammenhang mit der Betriebsrente?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befand am 22.9.2020: Schon die befristete Beschäftigung zählt mit (Az. 3 AZR 433/19). Dass sich die Antwort auf diese Frage keineswegs von selbst ergibt, belegt allein die Tatsache, dass der Rechtsstreit bis zum obersten Gericht ging.
Was ist bei einer Betriebsrente zu beachten?
Bei der betrieblichen Altersversorgung gibt es Hunderte unterschiedliche Klauseln, durch die Anspruchsvoraussetzungen geregelt sind. Wichtig sind dabei vor allem die Bestimmungen zur notwendigen Dauer der Betriebszugehörigkeit und zum Höchstalter bei Betriebseintritt, bis zu dem überhaupt noch Ansprüche erworben werden können.
Prinzipiell sind solche Klauseln möglich und vom Bundesarbeitsgericht verschiedentlich gebilligt worden. Einzelheiten sind jedoch häufig unklar.
Um welche Klausel ging es vor Gericht?
Verhandelt wurde in Erfurt über die Klage eines Arbeitnehmers, der nach Ansicht seines Arbeitgebers nach Beendigung seines (noch bestehenden) Beschäftigungsverhältnisses keinen Anspruch auf die im Beschäftigungsunternehmen angebotene betriebliche Altersversorgung haben soll. Der Betroffene klagte noch als Beschäftigter und bei andauerndem unbefristeten Arbeitsverhältnis im September 2018 mit dem Ziel, dass festgestellt werden sollte, dass sein Arbeitgeber verpflichtet sei, "ihm im Versorgungsfall Versorgungsleistungen nach der am 1.12.2009 in Kraft getretenen Versorgungsordnung zu verschaffen".
Der Arbeitnehmer war 2013 im Alter von 53 Jahren mit einem befristeten Arbeitsvertrag in das beklagte Unternehmen eingetreten. Der befristete Arbeitsvertrag wurde danach nochmals verlängert und erst 2017 – damals war der Betroffene knapp 57 Jahre alt – in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt. Das Alter des Klägers ist deshalb von Bedeutung, weil die Versorgungsordnung des Chemieunternehmens vorsah, dass Beschäftigte Betriebsrentenansprüche nur erwerben können, "sofern sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben". Weiterhin hieß es: "Nicht teilnahmeberechtigt sind Mitarbeiter(innen), die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen."
Wann werde ich benachteiligt?
Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, hatte der Klage des Betroffenen am 5.9.2019 (Az. 4 Sa 5/19 B) stattgegeben und befunden, die 55-Jahres-Klausel sei zwar grundsätzlich statthaft. Bei dem Ausschluss von befristet Beschäftigten von der betrieblichen Altersversorgung handele es sich jedoch um eine nicht statthafte Diskriminierung von befristet Beschäftigten.
Das vom Arbeitgeber angerufene Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer ebenfalls recht. Allerdings drückte es sich vor einer Grundsatzentscheidung zur möglichen Diskriminierung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern. Letztlich komme es nicht auf diese Frage an, befand das BAG. Es „musste sich daher mit dieser Frage“, so die Formulierung in der Presseerklärung, „nicht auseinandersetzen“.
Nach Ansicht des BAG ist die Versorgungsordnung der Beklagten so auszulegen, dass das Höchstalter bei Beginn der Betriebszugehörigkeit maßgeblich ist. Dabei komme es nicht darauf an, ob zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, wenn sich eine unbefristete Beschäftigung unmittelbar an das befristete Arbeitsverhältnis angeschlossen habe.
Warum klagen so wenige Arbeitnehmer?
Die Arbeitsgerichte beschäftigen sich überwiegend mit Klagen, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingereicht werden. Dabei dürften die meisten Streitfragen während der Beschäftigung auftauchen. Doch gegen seinen Arbeitgeber vor Gericht zu ziehen, ist nicht jedermanns Sache.
Deshalb werden Klagen im Zusammenhang mit der Betriebsrente auch überwiegend von Rentnern erhoben. Eigentlich schade, denn ob im Alter eine Betriebsrente gezahlt wird oder nicht, ist für Arbeitnehmer finanziell gesehen eine existenzielle Frage. Vielleicht macht das Verhalten des mutigen Klägers aus Niedersachsen Schule?!
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(MS)