Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechenbar: verfassungswidrig?
Verluste aus dem Verkauf von Aktien können nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden – und nicht mit den Gewinnen aus anderem Kapitalvermögen. Das hält der BFH für verfassungswidrig.

Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechenbar: verfassungswidrig?

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Verluste aus dem Verkauf von Aktien können nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden – und nicht mit den Gewinnen aus anderem Kapitalvermögen. Das hält der Bundesfinanzhof (BFH) für verfassungswidrig. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entscheiden. Ein auch für Kleinaktionäre wichtiges Thema!

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. In seiner Steuererklärung beantragte er, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen bestanden, zu verrechnen. Solche »anderen Kapitalanlagen«, mit denen die Aktiengewinne nicht verrechnet werden dürfen, sind beispielsweise

  • Exchange Trades Funds (ETF),

  • Investmentfondsanteile,

  • Optionsscheine,

  • Zertifikate oder

  • Termingeschäfte.

BFH: Verfassungswidrige Ungleichbehandlung

Nach Auffassung des BFH liegt darin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung: Steuerpflichtige würden ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben.

Eine Rechtfertigung für diese nicht folgerichtige Ausgestaltung der Verlustausgleichsregelung für Aktienveräußerungsverluste ergebe sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen, so der BFH.

Das Thema betrifft auch viele Kleinaktionäre, da in der Einkommensteuererklärung beispielsweise Gewinne aus den bei der Geldanlage beliebten Exchange Traded Funds (ETF) nicht mit Verlusten aus Aktien verrechnet werden dürfen!

Bundesverfassungsgericht muss entscheiden

Infolge der vom Senat angenommenen Verfassungswidrigkeit muss daher jetzt das Verfahren vor dem BFH pausieren und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eingeholt werden.

Konkret geht es dabei um § 20 Abs. 6 Satz 5 Einkommensteuergesetz (EStG): Nach Überzeugung des Gerichts verstößt § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), als Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit anderen Kapitaleinkünften verrechnet werden dürfen (BFH-Beschluss vom 17.11.2020, Az. VIII R 11/18, Az. beim BVerfG: 2 BvL 3/21).

Wenn auch Ihr Finanzamt die Verlustverrechnung zwischen Aktien und anderen Kapitalanlagen abgelehnt hat, legen Sie Einspruch gegen Ihren Steuerbescheid ein und berufen Sie sich zur Begründung auf den BFH-Beschluss VIII R 11/18!

Hintergrund: Besteuerung von Kapitaleinnahmen und Einführung der Abgeltungsteuer

Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 hat die Besteuerung von Kapitalanlagen, die dem steuerlichen Privatvermögen zuzurechnen sind, komplett verändert.

Durch die Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (u.a. Aktien) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG) unterliegen die dabei realisierten Wertveränderungen (also Gewinne und Verluste) in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteuerung.

Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich der Abgeltungsteuer (Steuersatz: 25%) unterliegen, sieht § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG vor, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen.

Eine zusätzliche Verlustverrechnungsbeschränkung gilt für Verluste aus der Veräußerung von Aktien (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG): Diese dürfen nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dadurch Risiken für den Staatshaushalt verhindert werden.

Wegfall der Spekulationsfrist bei Kapitalanlagen und die steuerlichen Folgen

Durch den Wegfall der einjährigen Spekulationsfrist gehören nun auch die Erträge aus dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren, insbesondere von Aktien, zu den Kapitaleinkünften. Sie werden mit Abgeltungsteuer belegt, wenn die Anschaffung nach dem 31.12.2008 erfolgte.

Für bis zum 31.12.2008 angeschaffte Wertpapiere gilt noch die alte Regelung: Die bei einem Verkauf erzielten Gewinne sind steuerfrei, wenn zwischen Kauf und Verkauf mehr als ein Jahr vergangen ist.

Verlustvorträge aus Aktienverkäufen und Spekulationsgeschäften von vor 2009 konnten bis zum Jahr 2013 mit neu anfallenden Gewinnen verrechnet werden, die aus Geschäften stammten, die bis 2009 unter die Spekulationsgeschäfte nach § 23 EStG fielen. Diese Übergangsregelung für alte Spekulationsverluste ist Ende 2013 ausgelaufen.

Seit 2014 gilt: Verluste nach § 23 EStG aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien aus der Zeit vor 2009, die bis 2013 nicht mit positiven Kapitaleinkünften verrechnet werden konnten, dürfen nur noch mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG verrechnet werden.

Darunter fallen z.B. Gewinne aus dem Verkauf einer Mietimmobilie innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung oder aus dem Verkauf anderer Wirtschaftsgüter innerhalb eines Jahres. Auch bei der Veräußerung von Rechten an Grundstücken, also Nießbrauchsrechten, Erbbaurechten oder Wegerechten, kann ein Spekulationsgewinn anfallen, den Sie mit alten Spekulationsverlusten verrechnen können.

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(MB)

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