Auszug aus Familienheim wegen Krankheit: Erbschaftsteuerbefreiung kann bestehen bleiben
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Verkauft ein Erbe das Familienheim innerhalb von zehn Jahren, entfällt die Erbschaftsteuerbefreiung. Das gilt nicht, wenn der Auszug und die Veräußerung auf ärztlichen Rat hin aufgrund einer Depressionserkrankung erfolgen, entschied der Bundesfinanzhof.
Familienheim: Voraussetzungen für die Erbschaftsteuerbefreiung
Für die steuerliche Begünstigung des sogenannten Familienheims bei der Erbschaftsteuer gibt es drei Voraussetzungen:
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Der Erblasser muss die Immobilie bis zum Erbfall – also bis zu seinem Tod – als eigene Wohnung genutzt haben (Ausnahme: Er war aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert).
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Die Erben (Kinder oder LebenspartnerIn) müssen innerhalb von sechs Monaten in die geerbte Immobilie einziehen und diese dann selbst als Familienwohnheim nutzen.
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Die Wohnfläche darf maximal 200qm betragen (gilt nur für die Übertragung an die Kinder; erbt der/die Lebens- oder EhepartnerIn, gibt es keine Obergrenze).
Bedingung für die Steuerbefreiung ist zudem, dass der Erbe die Wohnung oder das Haus nach dem Tod des Erblassers mindestens zehn Jahre selbst bewohnt. Gibt er die Wohnung vorher auf, fällt die Steuerbefreiung nachträglich weg.
Wer also das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Tod des Erblassers verkauft, vermietet oder daraus auszieht, muss Erbschafsteuer zahlen. Dabei bewirkt auch eine Aufgabe der Eigennutzung nach neun Jahren und elf Monaten den vollständigen Wegfall der Steuerbefreiung!
Was sind zwingende Gründe, die an der Selbstnutzung hindern?
Zwingende Gründe können z.B. Krankheit und Pflegebedürftigkeit sein.
Im entschiedenen Fall war der Ehepartner im Haus gestorben, die Ehefrau litt in der Folge unter Depression und Angstzuständen. Dieses Schicksal war für die Richter des FG Münster kein Grund, die Erbschafsteuerbefreiung beizubehalten – obwohl die Erbin auf Anraten ihres Arztes aus dem Haus ausgezogen war.
Die Richter gingen zwar davon aus, dass die Depressionserkrankung und der Tod des Ehemannes im Einfamilienhaus die Klägerin erheblich psychisch belastet hatten – ein »zwingender Grund« im Sinne des Gesetzes sei jedoch nur dann gegeben, wenn das Führen eines Haushalts schlechthin (etwa aufgrund von Pflegebedürftigkeit) unmöglich sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Und weiter: Diese restriktive Gesetzesauslegung der Rückausnahme zum Steuerbefreiungstatbestand sei auch verfassungsrechtlich geboten, da die Steuerbefreiung für Familienheime Grundeigentümer gegenüber Inhabern anderer Vermögenswerte bevorzuge (FG Münster, Urteil vom 10.12.2020, Az. 3 K 420/20 Erb).
Der Bundesfinanzhof sieht die Sache steuerzahlerfreundlicher: »Zwingend«, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Diese könne auch gegeben sein, wenn der Erbe durch den Verbleib im Familienheim eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu gewärtigen habe (BFH-Urteil vom 1.12.2021, Az. II R 1/21).
Der BFH verwies den Fall zurück an das FG Münster. Dieses muss jetzt im zweiten Rechtsgang, ggf. mit Hilfe ärztlicher Begutachtung, die geltend gemachte Erkrankung einschließlich Schwere und Verlauf prüfen.
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(MB)