Freiwillig gesetzlich krankenversichert? Beitrag erstatten lassen!
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Gut 400.000 Senioren beziehen zwar eine gesetzliche Rente, sie profitieren aber nicht von der günstigen Krankenversicherung der Rentner, sondern sind freiwillig gesetzlich krankenversichert. In vielen Fällen kann sich für sie oder ihre Angehörigen ein Blick auf die im August 2017 eingeführte Kinderregelung lohnen.
Diese Regelung wird für Bestandsfälle nur auf Antrag angewendet. Der Antrag kann auch jetzt noch gestellt werden und rückwirkend eine Beitragserstattung verlangt werden.
Krankenversicherung der Rentner
Hierbei handelt es sich nicht um eine gesonderte Krankenkasse. Die Versicherten sind auch als Rentner weiterhin Mitglied ihrer bisherigen gesetzlichen Kasse (also z. B. der AOK, der TK oder einer Betriebskrankenkasse). Sie haben die gleichen Leistungsansprüche – sieht man vom Krankengeld ab – wie alle gesetzlich Versicherten. Es gelten für sie jedoch besonders günstige Regeln für die Beitragserhebung.
Versicherungsbeiträge fallen für gesetzlich Pflichtversicherte nämlich bloß für die gesetzliche Rente, die Betriebsrente und Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an.
Freiwillige Krankenversicherung Rentner, die freiwillig gesetzlich krankenversichert sind, haben die gleichen Leistungsansprüche wie pflichtversicherte Rentner, sie zahlen jedoch meist höhere Beiträge. Bei ihnen werden nämlich auch Beiträge auf Privatrenten, Miet- und Kapitaleinkünfte fällig.
Zudem wird – soweit die Betroffenen verheiratet sind oder in einer eheähnlichen Partnerschaft leben – teilweise auch das Einkommen des Partners mitberücksichtigt. Die zusätzlichen Beiträge belaufen sich dabei zum Teil auf einige Hundert Euro im Monat.
Keine Wahlfreiheit
Doch nicht jeder kann in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) kommen. Sie ist so etwas wie eine Exklusiveinrichtung für besonders treue Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dabei kommt es auf die Treue in der zweiten Hälfte des Arbeitslebens an.
Wer Mitglied der KVdR werden will, muss in dieser Zeit zu 90 % gesetzlich krankenversichert gewesen sein. Ob freiwillig, pflicht- oder kostenlos familienversichert, spielt dabei keine Rolle. Salopp spricht man hier von der 9/10tel-Regelung.
Entschärfung der 9/10tel-Regelung
Diese Voraussetzungen wurden zum 1.8.2017 entschärft. Die 9/10tel-Regelung gilt zwar weiter, neu ist nun jedoch, dass bei Versicherten mit Kindern künftig zusätzliche Jahre mit gesetzlichem Versicherungsschutz zugeschlagen werden.
In § 5 Abs. 2 SGB V heißt es nun: Auf "die erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind eine Zeit von drei Jahren angerechnet". Es spielt dabei keine Rolle, ob ein Kind in der ersten oder zweiten Hälfte des Arbeitslebens geboren wurde.
Beispiel
Nehmen wir eine inzwischen 81-jährige Rentnerin, die zwischen 1965 und 1968 drei Kinder zur Welt gebracht hat. Sie war zwischen 1960 und 2000 erwerbstätig und ist Anfang 2000 mit 60 Jahren – was damals noch möglich war – in Rente gegangen. Die zweite Hälfte ihres Arbeitslebens begann 1980 und endet mit ihrem Rentenantrag Anfang 2000. In diesen letzten 20 Jahren vor der Rente war sie 10 Jahre privat und erst in den letzten zehn Jahren vor Renteneintritt gesetzlich krankenversichert. Im maßgeblichen Zeitraum war sie also nur zu 50 % gesetzlich versichert und erfüllte damit die Voraussetzung für die KVdR nicht – bis zum 1.8.2017.
Nun werden ihr jedoch, da sie drei Kinder hat, neun zusätzliche gesetzlich versicherte Jahre anerkannt bzw. neun Jahre mit privater Versicherung getilgt. Damit kommt sie in den zweiten 20 Jahren ihres Arbeitslebens auf 19 Jahre, die für die KVdR-Anwartschaft anerkannt werden. Also ist die 9/10tel-Voraussetzung deutlich erfüllt.
Um in der KVdR aufgenommen zu werden, muss sie allerdings aktiv werden.
Neufälle und Bestandsfälle
Bei allen Neurentnern prüft deren gesetzliche Krankenkasse von sich aus, ob diese unter Berücksichtigung der Kinderregelung die Voraussetzungen für die KVdR erfüllen. Hierzu heißt es im gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands und der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 24.10.2019 zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner: "Die Krankenkasse hat im Rahmen der Prüfung der Vorversicherungszeit von Amts wegen zu prüfen, ob für Kinder jeweils drei Jahre angerechnet werden können. Eines entsprechenden Antrages des Rentenantragstellers bedarf es nicht".
Anders bei denjenigen, die – wie in unserem Beispielsfall – im August 2017 bereits als Rentner freiwillig versichert waren, weil sie zu diesem Zeitpunkt nach den alten Regeln die 9/10tel-Voraussetzung nicht erfüllten. Für sie gilt laut gemeinsamem Rundschreiben: "Eine Prüfung der Vorversicherungszeit nach den geänderten rechtlichen Bedingungen findet bei den Bestandsfällen grundsätzlich nur auf Veranlassung der betroffenen Person statt".
Die Regelung mag nachvollziehbar sein, problematisch ist sie allerdings allemal, denn viele freiwillig gesetzlich versicherte Rentner dürften inzwischen hochbetagt sein und manche von ihnen auch dement. Mithin ist bei Betroffenen oft kaum damit zu rechnen, dass sie die Entwicklungen im SGB V genauestens verfolgen und aktiv werden. Deshalb müssten sich um eine entsprechende Antragstellung in vielen Fällen die Angehörigen kümmern.
Verpasste Antragstellung nachholen
Ob die Voraussetzungen für eine KVdR-Mitgliedschaft vorliegen, können freiwillig Versicherte, aber auch privat Krankenversicherte, derzeit noch prüfen lassen. Das kann bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse jederzeit beantragt werden.
Privat Krankenversicherte können diesen Antrag bei der gesetzlichen Krankenkasse, in der sie zuletzt versichert waren, stellen.
Rückwirkende Umstellung kann zu Beitragserstattung führen
Falls die neue Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR zum 1.8.2017 vorlagen, besteht ggf. ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Erstattung der zu viel gezahlten Krankenversicherungsbeiträge.
Im zitierten gemeinsamen Rundschreiben wird allerdings darauf verwiesen, dass "Beitragserstattungsansprüche bei einer rückwirkenden Umstellung des versicherungsrechtlichen Status nach mehreren Jahren verjährt sein" können. Dabei wird auf § 27 SGB IV verwiesen. Absatz 2 regelt: "Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind".
Das bedeutet: Die Erstattungsansprüche, die sich auf das Jahr 2017 beziehen, sind erst zum Jahreswechsel 2021/22 verjährt. Derzeit steht der Erstattung demnach – soweit die Voraussetzungen vorliegen – nichts entgegen.
Wer als Rentner freiwillig gesetzlich versichert ist und ein oder mehrere Kinder hat, sollte in jedem Fall prüfen, ob er nun die Voraussetzungen für die KVdR erfüllt. Ein solcher Wechsel zahlt sich für Rentner aus, die Zusatzeinkünfte aus Miete oder Zinsen haben oder eine Privatrente beziehen. Auch Riester-Renten sind übrigens für freiwillig Versicherte beitragspflichtig.
(MS)