Grundrentenzuschlag berechnen: Infos zur Grundrente 2022
-
Wie wird die neue Grundrente berechnet? Hier gibt es Rechenbeispiele für Brutto- & Netto-Rente. So bestimmen Sie die Grundrente richtig.
Die Große Koalition hat sich nach einem langen und zähen Ringen geeinigt, eine Grundrente einzuführen. Sie gilt seit dem 1.1.2021 sowohl für Neurentner als auch für Bestandsrentner. Bei der Grundrente handelt es sich um einen individuellen Zuschlag zur Rente.
Wer ein Leben lang gearbeitet, aber unterdurchschnittlich verdient hat, erhält nun Anspruch auf einen Grundrentenzuschlag. Wie hoch dieser Zuschlag ist, hängt vom Durchschnittsverdienst und der finalen Gesamtrente ab. Beispielberechnungen zeigen, dass die Grundrente selten mehr bringt als die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Inhalt
Grundrentenzeiten für langjährig Versicherte
Mindestens 33 Pflichtbeitragsjahre für eine versicherte Beschäftigung, Kindererziehung und nicht erwerbsmäßige Pflege sind als Grundrentenzeiten erforderlich, um eine der beiden wesentlichen Bedingungen für den Anspruch auf die Grundrente zu erfüllen. Wer 35 Beitragsjahre mit Grundrentenzeiten vorweisen kann, erhält eine etwas höhere Grundrente. Von 33 bis 35 Beitragsjahren gilt eine sogenannte Gleichzone.
Zu den Grundrentenzeiten zählen auch bestimmte rentenrechtliche Sonderzeiten wie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege bis zu zehn Jahren oder wegen des Bezugs von Leistungen bei Krankheit und Rehabilitation (Kranken- und Übergangsgeld) sowie Zeiten der auf Antrag pflichtversicherten Selbstständigen.
Nicht zu den Grundrentenzeiten zählen Zeiten von Arbeitslosigkeit, Anrechnungszeiten für Schul- und Hochschulausbildung und Zeiten mit freiwilligen Beiträgen. Diese Zeiten werden lediglich bei der Wartezeit von 35 Jahren für die abschlagspflichtige Rente mit 63 Jahren bei langjährig Versicherten berücksichtigt.
Im Gegensatz zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die erst ab Erreichen der Regelaltersgrenze (zum Beispiel 66 Jahre für im Jahr 1958 geborene Versicherte) und nach eingehender Bedürftigkeitsprüfung bezogen werden kann, setzt die seit Anfang 2021 mögliche Grundrente nicht das Erreichen der Regelaltersgrenze voraus und beschränkt sich auf die Prüfung des Einkommens.
Ratgeber Der kleine Rentenratgeber
Ratgeber Die Rentenlücke schließen
Durchschnittliche Entgeltpunkte für Niedrigverdiener
Nur langjährige Niedrigverdiener erhalten seit Anfang 2021 mit der Grundrente einen Zuschlag auf ihre erworbene Rente. Deren Beitragsleistung muss im Durchschnitt von 35 Jahren bei mindestens 30 % und höchstens 80 % des Durchschnittseinkommens aller Rentenversicherten gelegen haben. Die durchschnittlichen Entgeltpunkte machen somit pro Beitragsjahr zwischen 0,3 und weniger als 0,8 aus.
Das ist neben der Erfüllung der Grundrentenzeit von 35 Pflichtbeitragsjahren die zweite notwendige Bedingung für den Bezug der Grundrente.
Beispiel 1 zur Berechnung der Grundrente
Der Versicherungsverlauf weist durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkte für 35 Pflichtbeitragsjahre auf, also zusammen 17,5 Entgeltpunkte. Beim aktuellen Rentenwert West von 36,02 € ab 1.7.2022 liegt die erreichte Rente somit bei 630,35 € brutto. Davon gehen die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von rund 11 % der Bruttorente ab (69,34 €), sodass ein Rentenzahlbetrag von 561,01 € verbleibt.
Beispiel 2 zur Berechnung der Grundrente
Bei durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkten errechnet sich im Jahr 2022 eine monatliche Bruttorente von 1.008,56 € und ein Rentenzahlbetrag von 897,62 € nach Abzug des Kranken- und Pflegekassenbeitrags von 11 % der Bruttorente. Eine Grundrente kommt nicht infrage, da die Voraussetzung "unter 0,8 Entgeltpunkten" nicht erfüllt ist.
Wichtig für langjährige Minijobber
Die Grundrente scheidet auch für langjährige Minijobber aus, da diese mit einem Minijob von monatlich 450,- € nur lediglich rund 13 % des Durchschnittseinkommens und damit nur etwa 0,13 Entgeltpunkte erreichen. Die Höhe der durchschnittlichen Entgeltpunkte für die Pflichtbeitragszeiten ist dem Rentenbescheid oder Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zu entnehmen. Hier erfahren Sie mehr zur Grundrente für Minijobber.
Aufstockungsbetrag bzw. Grundrentenzuschlag zur erreichten Rente
Wenn die beiden notwendigen Bedingungen – 35 Beitragsjahre als Grundrentenzeit und durchschnittliche Entgeltpunkte zwischen 0,3 und weniger als 0,8 pro Jahr – erfüllt sind, wird die erreichte Rente durch einen Zuschlag an Entgeltpunkten aufgestockt.
Dieser Zuschlag macht 87,5 % der erreichten Rente aus, sofern zwischen 0,3 und 0,4 Entgeltpunkte im Durchschnitt der Grundrentenzeit von 35 Jahren erreicht werden.
Beispiel für Zuschlag bei durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkten:
35 Jahre x 0,4 x 36,02 € x 0,875 = 441,25 €.
Der für 35 Beitragsjahre errechnete Zuschlag von 441,25 € liegt also – anders als ursprünglich vorgesehen – um 12,5 % bzw. ein Achtel unter der bereits erreichten Rente von 504,28 €. Diese Kürzung des Zuschlags erfolgt zur "Stärkung des Äquivalenzprinzips", wie es im Koalitionsbeschluss vom 10.11.2019 heißt. Im Faktenpapier zur Grundrente von Bundessozialminister Hubertus Heil liest sich das wie folgt: "So findet sich das Äquivalenzprinzip auch bei der Grundrente wieder". Der Abzug von 12,5 % erfolgt also, um zumindest einen kleinen Abstand zwischen Grundrente und einer ohne Zuschlag erreichten Rente von 504,28 € bei 35 Beitragsjahren mit durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkten zu wahren (Abstandsgebot).
Dieser finanzielle Abstand macht gerade einmal 63,03 € aus. Ob damit das Äquivalenzprinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung (je höher bzw. niedriger der Beitrag, desto höher bzw. niedriger die gesetzliche Rente) gewahrt ist, darf bezweifelt werden.
Wichtig: Sofern die durchschnittlichen Entgeltpunkte pro Jahr mehr als 0,4 und weniger als 0,8 ausmachen, reduziert sich der Zuschlag weiter, da die Grundrente als Summe aus erreichter Rente und Zuschlag bei 0,8 Entgeltpunkten pro Jahr gedeckelt wird.
Beispiel für Zuschlag bei durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkten:
35 Jahre x (0,8-0,5) x 36,02 € x 0,875 = 35 x 0,3 x 36,0 x 0,875 = 330,93 €.
Der Zuschlag auf die erreichte Rente liegt mit 441,25 € am höchsten bei Entgeltpunkten von durchschnittlich 0,4 pro Jahr. Er sinkt, je höher die durchschnittlichen Entgeltpunkte für Geringverdiener ausfallen. Bei durchschnittlich 0,5 Entgeltpunkten ist er genauso hoch wie bei durchschnittlich 0,3 Entgeltpunkten. Bei 0,79 Entgeltpunkten im Durchschnitt würde er nur 11,03 € betragen, und ab durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkten pro Jahr entfällt der Zuschlag völlig.
Grundrente nach Einkommensprüfung
Den Zuschlag und damit die Grundrente erhalten langjährige Niedrigverdiener nur, wenn sie außer den beiden bisher genannten Bedingungen (35 Pflichtbeitragsjahre und durchschnittlich 0,3 bis weniger als 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr) auch die hinreichende Bedingung in punkto Einkommen erfüllen.
Dabei gilt ein monatlicher Einkommensfreibetrag von 1.250,- € für Alleinstehende und 1.950,- € für Paare - unabhängig davon, ob Zusammenveranlagung oder getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt. Wer ein monatliches Alterseinkommen von mehr als 1.250 bzw. 1.950,- € hat, geht leer aus. Bei geringfügiger Überschreitung dieses Einkommensfreibetrags innerhalb einer noch festzusetzenden Gleitzone wird die Grundrente verringert.
Vorteil: Sie müssen selbst keinen Antrag auf Grundrente stellen, sofern Sie alle Voraussetzungen (35 Pflichtbeitragsjahre, durchschnittlich 0,3 bis weniger als 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr, monatliches Einkommen von höchstens 1.250,- € für Alleinstehende bzw. 1.950,- € für Paare) erfüllen.
Software SteuerSparErklärung 2022 für Rentner
Wie erfolgt die Einkommensanrechnung?
Beim Grundrentenzuschlag erfolgt eine Einkommensprüfung. Das bedeutet, dass den Grundrentenzuschlag in voller Höhe nur die Rentnerinnen und Rentner bekommen, die als Alleinstehende ein Monatseinkommen von bis zu 1.250,- € oder als Ehepaar von bis zu 1.950,- € zur Verfügung haben. Liegt das Einkommen darüber, wird es zu 60 % auf den Grundrentenzuschlag angerechnet. Ab einem Monatseinkommen von 1.600,- € beziehungsweise 2.300,- € bei Ehepaaren wird es zu 100 % angerechnet.
Als Einkommen werden die eigene Rente und weiteres zu versteuerndes Einkommen berücksichtigt. Maßgebend ist grundsätzlich das Einkommen des vorvergangenen Kalenderjahres, Im Jahr 2022 gilt also das Einkommen des Jahres 2020 als Entscheidungsgrundlage.
Beispiel: Frau A. hat nach der Scheidung von ihrem Mann die gemeinsame Wohnung bekommen, die sie vermietet. Zusammen mit ihrer Rente kommt sie auf monatliche Einnahmen in Höhe von 1.350,- €. Diese Einnahmen liegen 100,- € über dem Einkommensfreibetrag beim Grundrentenzuschlag. Davon 60 % sind 60,- €. Diese 60,- € werden vom Grundrentenzuschlag abgezogen. Liegt der Grundrentenzuschlag von Frau A. z. B. bei 115,-€, werden ihr 55,- € brutto als Grundrentenzuschlag ausgezahlt (115,- € minus 60,- €).
Prüfen Sie, wie die Deutsche Rentenversicherung Ihr monatliches Einkommen ermittelt. Um das monatliche Einkommen bis auf den Einkommensfreibetrag von monatlich 1.250,- € für Alleinstehende bzw. 1.950,- € für Paare nach unten zu drücken, kann es sich empfehlen, Kapital- oder Mietreinerträge durch Verkauf von Kapital- oder Immobilienvermögen künftig zu vermeiden und die erzielten Verkaufserlöse in Tagesgelder, Festgelder oder Bankauszahlungspläne mit Mini-Zinsen zu investieren. Das in diesen Anlagen steckende Geldvermögen wird bei der Prüfung, ob eine Grundrente gezahlt wird, nicht erfasst.
Grundrente oft niedriger als Grundsicherung
Sofern man als Grundrente die Summe aus erreichter Rente und Zuschlag ansieht, errechnen sich bei 35 Pflichtbeitragsjahren folgende Grundrenten brutto und netto nach Abzug von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Zahlbetrag der Grundrente wird im Jahr 2022 bei 35 Beitragsjahren in allen Fällen zwischen 613,- € und 865,- € liegen und damit vielfach unter der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung inklusive Unterkunfts- und Heizkosten von aktuell 852,- € für Alleinstehende.
Dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis hat mit den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu tun. Die Grundrente ist wie jede Rente beitragspflichtig. Das heißt, von der erreichten Rente brutto und dem Zuschlag auf diese Bruttorente ist noch der Beitrag zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen, der von der Deutschen Rentenversicherung bei der Zahlung der gesetzlichen Rente direkt einbehalten wird. Im ersten Gesetzentwurf des Bundessozialministeriums zur Grundrente vom 21.5.2019 heißt es auf Seite 23 ausdrücklich: Die Grundrente führt zu höheren Beiträgen in die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung.
Somit kommt es unterm Strich auf den Zahlbetrag der gesetzlichen Rente an und nicht auf die Bruttorente. Die neue Grundrente als eine Rentenleistung gemäß SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung) darf nicht mit der beitragsfreien Grundsicherung gemäß SGB XII (Sozialhilfe) verwechselt werden. Die Grundsicherung ist im Unterschied zur Grundrente keine Rente, sondern eine Sozialhilfe bzw. Sozialleistung und verpflichtet das Sozialamt bzw. Grundsicherungsamt auch zur direkten Zahlung der Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung an die zuständige Krankenkasse.
Daher ist lediglich ein Vergleich von Zahlbetrag der Grundrente mit der beitragsfreien Grundsicherung zielführend und sinnvoll. Leider wird auf diesen Vergleich in fast allen Publikationen (auch denen des Bundessozialministeriums) verzichtet, da die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht von der Grundrente brutto abgezogen werden. Dies führt dann zu irreführenden Ergebnissen. Tatsächlich wird der Zahlbetrag der Grundrente bei abschlagspflichtigen Frührenten noch niedriger liegen. Die Grundrente setzt im Unterschied zur Grundsicherung nicht das Erreichen der Regelaltersgrenze aus. Wer also als langjährig Versicherter mit 63 Jahren vorzeitig in Rente geht, muss mit einem Rentenabschlag rechnen.
Beispiel: Wer im Jahr 1959 geboren ist und im Jahr 2022 als langjährig Versicherter mit 63 Jahren in Rente geht, muss einen Rentenabschlag von 11,4 % einkalkulieren. Der Zahlbetrag der Grundrente sinkt nach 35 Pflichtbeitragsjahren und durchschnittlich 0,75 Entgeltpunkten dann sogar auf rund 838,- € und liegt damit unter dem Grundsicherungsniveau.
Vergleich der Grundrente mit der Grundsicherung
Die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung liegt für Alleinstehende aktuell bei 859,- € inklusive durchschnittlichen Unterkunfts- und Heizkosten von 410,- €.
Bei 40 Beitragsjahren wird der Abstand zwischen dem Zahlbetrag der Grundrente und der Grundsicherung geringer. Je nach Höhe der durchschnittlichen Entgeltpunkte erhöht sich die erreichte Rente (nicht der Zuschlag) um 54,03 € brutto (= 5 Jahre x 0,3 Entgeltpunkte x 36,02 €) bis 135,08 € (= 5 Jahre x 0,75 Entgeltpunkte x 36,02 €). Nach Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung verbleibt dann ein Zahlbetrag zwischen rund 660,- € bei durchschnittlich 0,3 und rund 982,- € bei durchschnittlich 0,75 Entgeltpunkten.
Bei durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkten und 40 Beitragsjahren errechnet sich zwar eine monatliche Grundrente von brutto 965,87 € bei einem aktuellen Rentenwert von 36,02 € im Westen (= erreichte Rente 40 x 0,4 x 36,02 = 576,32 € + Zuschlag 35 x 0,4 x 36,02 x 0,875 = 441,25 €). In diesem Fall muss aber noch der Beitrag zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung von rund 11 % abgezogen werden (111,93 €), um zum Zahlbetrag von aktuell 905,64 € zu kommen.
Fazit: Nur bei Vernachlässigung der Kranken- und Pflegekassenbeiträge liegt die Grundrente brutto im Beispiel einer Friseurin mit durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkten und 40 Beitragsjahren noch über der Grundsicherung. Nach Abzug des Beitrags zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fällt der Zahlbetrag der Grundrente in diesem Beispiel jedoch unter die Höhe der durchschnittlichen Grundsicherung. Sind noch Rentenabschläge wegen einer vorzeitig bezogenen Frührente fällig, wird der Zahlbetrag der Grundrente noch deutlicher von der Grundsicherung abweichen.
Bei insgesamt 40 Beitragsjahren und 35 Jahre Grundrentenzeiten für die Berechnung des Zuschlags bleibt zudem offen, welche 35 Jahre für die Ermittlung der durchschnittlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden. Sind es die ersten oder die letzten 35 Beitragsjahre? Oder werden die 35 Beitragsjahre mit den höchsten bzw. niedrigsten Entgeltpunkten aus der Gesamtzahl von 40 Beitragsjahren ausgewählt?
Erst bei 45 Beitragsjahren und durchschnittlichen Entgeltpunkten von 0,4 wird der Zahlbetrag der Grundrente in allen Fällen über der Grundsicherung liegen, sofern keine abschlagspflichtige Frührente vorliegt.
Grund: Die erreichte Rente wird um rund 147,- bis 274 € steigen (= 10 Jahre x 0,4 bis 0,75 Entgeltpunkte x 36,02 €). Dadurch erhöht sich die Grundrente brutto auf rund 1.050 € bis 1.200 € und der Zahlbetrag der Grundrente steigt auf rund 934 € bis 1.079,- €.
Wer aber nur auf durchschnittlich 0,3 oder 0,35 Entgeltpunkte kommt, bleibt mit seiner Grundrente weiterhin unter der Grundsicherung. Gleiches gilt für Grundrentner mit durchschnittlich 0,4 bis 0,6 Entgeltpunkten, die mit hohen Rentenabschlägen vorzeitig in Rente gehen bzw. gegangen sind.
Fazit: In den weitaus meisten Fällen von langjährigen Niedrigverdienern mit 35, 40 oder 45 Beitragsjahren wird der Zahlbetrag der Grundrente unter der Grundsicherung liegen. Davon, dass die Grundrente laut Koalitionsvertrag rund 10 % über der Grundsicherung liegen soll, kann nur in absoluten Ausnahmefällen (zum Beispiel 40 oder Beitragsjahre mit durchschnittlich 0,75 Entgeltpunkten) die Rede sein.
Sicherlich ist noch zu berücksichtigen, dass Grundrentner im Gegensatz zu Grundsicherungsbeziehern Anspruch auf Wohngeld haben. Flankierend zur Grundrente soll daher ein Freibetrag beim Wohngeld eingeführt werden, damit die Aufstockung der erreichten Rente nicht durch eine Kürzung des Wohngeldes wieder aufgehoben wird. Doch auch die Summe von Zahlbetrag der Grundrente und Wohngeld wird in den meisten Fällen noch unter der Grundsicherung (ohne Wohngeld) liegen.
Die geschätzte Anzahl der Grundrentner wird mit 1,2 bis 1,5 Millionen angegeben und die Kosten der neu eingeführten Grundrente sollen jährlich rund 1,5 Milliarden Euro betragen. Somit läge der durchschnittliche Aufstockungsbetrag bzw. Zuschlag nur bei rund 1.250 bis 1.000 Euro im Jahr bzw. 104 bis 100 Euro im Monat. Das wäre aber nur der Fall, wenn die Grundrentner im Schnitt auf 0,7 Entgeltpunkte im Jahr kommen. Die auch vom Bundessozialministerium verbreiteten Fallbeispiele gehen jedoch von geringeren durchschnittlichen Entgeltpunkten und demzufolge deutlich höheren Zuschlägen aus.
Freude und Enttäuschung über die Grundrente
Wer im Jahr 2022 den Grundrentenbescheid in den Händen hält, wird zunächst sehr erfreut über den Zuschlag sein, der je nach Anzahl der Beitragsjahre und der durchschnittlichen Entgeltpunkte brutto bis zu 87,5 % der erreichten Rente ausmachen kann.
Die Enttäuschung wird aber bei den meisten künftigen Grundrentnern groß sein, wenn der nach Abzug der Kranken- und Pflegekassenbeiträge verbleibende Zahlbetrag der Grundrente weiterhin unter der Grundsicherung bleibt und diese auch unter Hinzurechnung des Wohngeldes so bleiben wird.
Sofern Sie als künftiger Grundrentner nur Alterseinkünfte unterhalb der Grundsicherung und ein Vermögen von höchstens 5.000,- € haben, sollten sie einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Auf Grundsicherung besteht ein Rechtsanspruch, sofern der/die Antragsteller/in tatsächlich bedürftig ist. Zusätzlicher Vorteil: Zur Grundsicherung kommt on top ein Zuschlag von 224,50 € (= ½ des Regelsatzes von 449,- € im Jahr 2022) hinzu, sofern die individuelle gesetzliche Rente bei mindestens 500,- € liegt.
Dank Freibetrag gibt es Grundsicherung plus Zuschlag
Bereits in Punkt 1 des Koalitionsbeschlusses vom 10.11.2019 steht der Satz: "Für Rentnerinnen und Rentner, die 35 Beitragsjahre geleistet haben und Grundsicherung im Alter beziehen, wird künftig ein Freibetrag für das Einkommen aus der gesetzlichen Rente in der Grundsicherung in Höhe von 100 Euro zuzüglich 30 Prozent der darüber hinaus gehenden Ansprüche aus der gesetzlichen Rente bis maximal 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (analog und zusätzlich zur bestehenden Regelung für Einkommen aus betrieblicher und privater Vorsorge: aktuell: 224,50 €) eingeführt".
Im Faktenpapier Grundrente des Bundessozialministeriums vom 11.11.2019 wird dazu auf der letzten Seite ergänzt: "Damit stellen wir in allen Fällen für langjährig Versicherte sicher, dass das Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung liegt. Schließlich muss es einen Unterschied machen, ob man sein Leben lang gearbeitet und vorgesorgt hat oder nicht – auch im Geldbeutel. Der Freibetrag soll abhängig von der individuellen Rente berechnet werden und maximal 224,50 € (50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1) betragen“.
Damit steht fest: Wer 35 Beitragsjahre geleistet hat und Grundsicherung im Alter bezieht, kann ab 2022 ein Plus bis zu aktuell 224,50 € (= 50 % des Regelsatzes von 449,- € im Jahr 2022) zur Grundsicherung erhalten. Diese "Grundsicherung plus" gilt auch für langjährige Niedrigverdiener, die Anspruch auf eine Grundrente haben, die unterhalb der Grundsicherung liegt, und bedürftig sind.
Selbstverständlich steht die um bis zu 224,50 € höhere Grundsicherung auch den Grundsicherungsbeziehern zu, die aufgrund von durchschnittlichen Entgeltpunkten von 0,8 und mehr keinen Anspruch auf Grundrente haben, aber die geforderten 35 Pflichtbeitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen können.
Diese Grundsicherung plus in Höhe von maximal 1.140,- € (= geschätzte Grundsicherung 920,- € im Jahr 2022 plus maximal 224,50 € in Abhängigkeit von der individuellen gesetzlichen Rente aus Pflichtbeiträgen) wird in den meisten Fällen über der Summe aus dem Zahlbetrag der Grundrente und dem Wohngeld liegen, da auch der Freibetrag von maximal 224,50 € in der Grundsicherung in aller Regel das Wohngeld übersteigt. Der neue Freibetrag für die gesetzliche Rente aus Pflichtbeiträgen kann somit Grundsicherungsbeziehern, die neben der eigenen gesetzlichen Rente keine weiteren Alterseinkünfte beziehen und keinen Zusatzjob ausüben, ein finanzielles Plus zu ihrer Grundsicherung bescheren.
Dieses Freibetragsmodell (auch als Plus-Rente bezeichnet) hatte bereits die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) mit ihrem Chef Karl-Josef Laumann vorgeschlagen und fand sich auch bereits im ersten Faktenpapier von Bundessozialminister Hubertus Heil – allerdings mit der Einschränkung, dass dieses Rentenplus auf monatlich 112,25 € (= 25 % des aktuellen Regelsatzes von 449,- €) begrenzt wird.
Die erwähnten 106,- € sind laut Koalitionsbeschluss vom 10.11.2019 auf 224,50 € (= 50 % des aktuellen Regelsatzes von 449,- €) mehr verdoppelt worden und werden wie folgt berechnet: 100 € plus 30 % der darüber liegenden gesetzlichen Rente bis maximal 50 % des Regelsatzes.
Rechenbeispiel
Bei einer gesetzlichen Rente von brutto 600,- € bleiben nach Abzug der Kranken- und Pflegekassenbeiträge noch 534,- € als Rentenzahlbetrag übrig. Davon werden zunächst 100,- € als Plus verbucht. Hinzu kommen 30 % des darüber liegenden Rentenzahlbetrags von 434,- € und somit zunächst 130,20 €. Diese insgesamt 230,20 € werden aber gedeckelt auf die Hälfte des Regelsatzes von 446,- € im Jahr 2022, also letztlich auf 224,50 €. Das Rentenplus macht daher insgesamt 224,50 € aus, da der Regelsatz im Jahr 2022 bei 449,- € liegt.
Im Beispiel der Friseurin mit 40 Pflichtbeitragsjahren und durchschnittlich 0,4 Entgeltpunkten pro Jahr würde die erreichte gesetzliche Rente 576,32 € brutto und netto 512,92 € im Jahr 2022 ausmachen. Sofern dieser Betrag von 512,92 € zur Berechnung des Rentenplus zugrunde gelegt wird, kommt bereits ein Plus von 219,52 € zur Grundsicherung heraus, das nur 3,48 € unter dem maximalen Plus von 224,50 € liegt.
23 % der Grundsicherungsempfänger haben überhaupt keine gesetzliche Rente und 14 % nur eine Hinterbliebenenrente. Sie bleiben also von der Plus-Rente ausgeschlossen und würden weiter nur die Grundsicherung pur beziehen. Höchstens rund 42 % der Grundsicherungsempfänger kämen auf mindestens 35 Pflichtbeitragsjahre und hätten somit Anspruch auf die Plus-Rente bzw. die Grundsicherung plus. 21 % haben zwar eine eigene Versichertenrente aus Pflichtbeiträgen, kommen aber auf weniger als 35 Pflichtbeitragsjahre. Würde man auch diese Gruppe mit einbeziehen, könnten zumindest 63 % und damit rund zwei von drei Grundsicherungsbeziehern von dieser Grundsicherung plus profitieren.
Im ersten Gesetzentwurf des Bundessozialministeriums zur Grundrente vom 21.5.2019 wird die Zahl der Grundsicherungsbezieher, die einen Anspruch auf diesen Freibetrag gemäß neuem § 82a SGB XII haben werden, nur auf 150.000 geschätzt. Dies wären nur rund 25 % aller Grundsicherungsbezieher. Die Kosten werden mit 200 Millionen Euro angegeben, allerdings bei Annahme des damaligen Freibetrags von maximal 106,- €. Geht man nach dem Koalitionsbeschluss vom 10.11.2019 vom doppelten Freibetrag aus, werden die Kosten auf geschätzte 400 Millionen Euro steigen.
Höchstwahrscheinlich wird die Zahl der Grundsicherungsbezieher mit Freibetrag nach § 82a SGB XII aber weiter steigen, wenn die Grundrente in den weitaus meisten Fällen unter der Grundsicherung liegt und die bedürftigen Rentner dann einen Antrag auf Grundsicherung beim örtlichen Sozial- oder Grundsicherungsamt stellen.
Sie können diesen Antrag auch an die Deutsche Rentenversicherung richten, die dann den Antrag an das zuständige Grundsicherungsamt weiterleitet.
Wichtig zu wissen: Noch besser stehen sich Grundsicherungsbezieher, die eine zusätzliche private oder betriebliche Rente bzw. eine zusätzliche gesetzliche Rente aus freiwilligen Beiträgen erhalten. Gemäß § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII können sie seit 2018 von einem weiteren Freibetrag profitieren, der genau so berechnet wird wie der ab 2021 eingeführte Freibetrag für gesetzliche Renten aus Pflichtbeiträgen. Eine Riester-Rente von beispielsweise 100,- € käme also als weiteres Plus zur Grundsicherung hinzu.
Der bereits ab 1.1.2018 geltende Freibetrag von aktuell bis zu maximal 224,50 € (= 50 % des Regelsatzes von derzeit 449,- €) gilt für alle Renten, die nicht aus Pflichtbeiträgen stammen. Dazu zählen außer der Riester-Rente also auch Rürup-Rente, Rente aus der privaten Rentenversicherung und gesetzliche Rente aus freiwilligen Beiträgen.
Sofern Ihr Vermögen über 5.000,- € liegt, sollten Sie den überschießenden Vermögensbetrag für eine Sofortrente aus der privaten Rentenversicherung oder – falls Sie nicht mehr pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung sind – für freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rente verwenden. Dies muss allerdings vor Erreichen der Regelaltersgrenze und Antragstellung für die Grundsicherung geschehen.
Sie erzielen durch diese legale Gestaltungsmöglichkeit einen doppelten Vorteil: Erstens wird Ihnen die Grundsicherung bewilligt, sofern Ihr Vermögen nicht über 5.000,- € für Alleinstehende bzw. 10.000,- € für Paare und Ihre Alterseinkommen nicht über das örtliche Grundsicherungsniveau hinausgehen. Und zweitens erhalten Sie ein zusätzliches Plus zu Ihrer Grundsicherung gemäß § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII. Sie schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe.
Dazu ein Beispiel: Bei Zahlung eines Einmalbeitrags von 30.000,- € in eine private Rentenversicherung können Sie mit einer garantierten Sofortrente von rund 100,- € im Monat rechnen.
Zum Schluss ein weiterer Hinweis: Gemäß § 82 Abs. 3 SGB XII gibt es auch einen Freibetrag für zusätzliches Einkommen aus nichtselbstständiger oder selbstständiger Arbeit. Dieser macht 30 % des Arbeitseinkommens aus und wird auf 50 % des Regelsatzes begrenzt, also ebenfalls auf aktuell 224,50 €. Sofern Sie als Grundsicherungsbezieher einen Minijob auf 450-Euro-Basis ausüben, würden also zumindest 135,- € nicht auf die Grundsicherung angerechnet und kämen als Plus zur Grundsicherung hinzu.
Die Grundsicherung inklusive der genannten Freibeträge gemäß § 82 Abs. 3 bis 5 und neuem § 82a SGB XII sollte man ohne Scham in Anspruch nehmen, sofern alle Voraussetzungen (Erreichen der Regelaltersgrenze, eigenes Alterseinkommen unter Grundsicherungsniveau und Vermögen höchstens 5.000,- € für Alleinstehende bzw. 10.000,- € für Paare) erfüllt sind.
Leider stellen laut einer DIW-Studie schätzungsweise zwei von drei zur Grundsicherung berechtigte Rentner keinen Antrag – sei es aus Unwissenheit oder schlechtem Gewissen. Jeder Regelaltersrentner hat jedoch einen Rechtsanspruch auf Grundsicherung, sofern er tatsächlich bedürftig ist.
(MS)