Wie erfolgt die Einkommensanrechnung bei Witwen- und Witwerrenten?
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Bei fast jedem zweiten Bezieher einer gesetzlichen Witwen- oder Witwerrente wird die Rente gekürzt, wenn sein zusätzliches Einkommen einen bestimmten Freibetrag überschreitet. Wie hoch ist dieser Freibetrag? Und wie wird das anzurechnende Einkommen ermittelt?
Fast vier Millionen Hinterbliebene in Deutschland erhalten nach dem Tod ihres Ehepartners eine Witwen- oder Witwerrente. Im Vergleich zu 3,28 Millionen Witwenrenten mit einem durchschnittlichen Rentenzahlbetrag von rund 710,- € zum Stichtag 1.7.2020 gab es lediglich 650.000 Witwerrenten mit durchschnittlich 355,- €.
Nach der kräftigen Rentenerhöhung zum 1.7.2022 steigen die Rentenzahlbeträge auf rund 748,- € bei den Witwen und rund 373,- € bei den Witwern. Brutto werden es im Durchschnitt sogar 840,- bzw. 420,- € bei den Witwen bzw. Witwern sein, da von der Bruttorente noch 11 % für Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen sind.
Der Freibetrag für zusätzliches Einkommen beträgt ab dem 1.7.2022 in den alten Bundesländern monatlich 950,93 €. In den neuen Ländern liegt der Freibetrag bei 937,73 €.
Welche Fälle sind zu unterscheiden?
Da eigene Einkommen der überlebenden Ehepartner grundsätzlich auf die Witwen- bzw. Witwerrente angerechnet werden, sind drei Fälle zu unterscheiden:
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ungekürzte Witwen- bzw. Witwerrenten, da kein eigenes Einkommen vorhanden ist oder das eigene Einkommen geringer als der Witwen- bzw. Witwerfreibetrag von 950,93 € im Westen ab 1.7.2022 ausfällt;
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gekürzte Witwen- bzw. Witwerrenten, da 40 % des über dem Witwen- bzw. Witwerfreibetrag von 950,93 € liegenden eigenen Nettoeinkommens auf die Witwen- bzw. Witwerrente angerechnet werden und nach Einkommensanrechnung noch eine entsprechend gekürzte Witwen- bzw. Witwerrente verbleibt;
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vollständig gekürzte und somit ruhend gestellte Witwen- bzw. Witwerrente (sog. Nullrente), da 40 % des Überschusses aus Nettoeinkommen und Witwen- bzw. Witwerfreibetrag sogar die grundsätzlich zustehende Witwen- bzw. Witwerrente übersteigen.
Die meisten Witwen erhalten eine ungekürzte Witwenrente
Wer als Witwe Anspruch auf die Witwenrente von 60 bzw. 55 % der Rente des verstorbenen Ehepartners hat, bekommt diese meist ungekürzt. Insgesamt gibt es rund zwei Millionen Witwen mit ungekürzter Witwenrente. Bei der Hälfte ist dies die einzige Rente, da sie selbst keinen Anspruch auf eine eigene Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben oder ihre eigene Altersrente noch nicht beziehen.
Die große und ungekürzte Witwenrente von 60 % steht Witwen zu, deren Ehe mit dem verstorbenen Ehepartner bereits vor 2002 geschlossen wurde und bei denen mindestens ein Ehepartner vor dem 1.1.1962 geboren ist. In allen anderen Fällen sinkt die ungekürzte Witwenrente auf 55 % der Rente des verstorbenen Ehepartners.
Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag für die ungekürzte Witwenrente lag zum 1.7.2020 bei rund 741,- € und dürfte ab 1.7.2022 auf rund 781,- € steigen. Brutto werden es dann im Durchschnitt rund 878,- € sein.
Im Gegensatz dazu fällt die ungekürzte Witwerrente mit einem durchschnittlichen Rentenzahlbetrag von rund 433,- € ab 1.7.2020 bzw. 456,- € ab 1.7.2022 deutlich geringer aus. Nur etwa 100.000 Witwer (das sind im Vergleich zu 2 Millionen Witwen gerade einmal 5 %) erhalten eine ungekürzte Witwerrente. Daraus lässt sich unmittelbar schließen, dass Witwer nach Anrechnung ihres eigenen Einkommens nur eine gekürzte oder überhaupt keine Witwerrente bekommen.
Gekürzte Witwen- und Witwerrenten
Rund 1,24 Millionen Witwenrenten wurden im Jahr 2020 gekürzt, da das eigene Nettoeinkommen über dem Hinterbliebenenfreibetrag lag. Nach Kürzung um 128,50 € lag der durchschnittliche Rentenzahlbetrag am 1.7.2020 bei rund 650,- € und dürfte ab 1.7.2022 auf rund 685,- € steigen.
Auch rund 540.000 Witwerrenten wurden um sogar 219,13 € gekürzt und machten beim durchschnittlichen Rentenzahlbetrag nach Kürzung ab 1.7.2020 nur noch rund 340,- € mit einem Anstieg auf rund 358,- € ab 1.7.2022.
Besteuerung von Witwen- und Witwerrenten
Auch Witwen- und Witwerrenten werden besteuert, ob sie nun ungekürzt oder gekürzt anfallen. Der Besteuerungsanteil einer in 2022 beginnenden Witwen- bzw. Witwerrente liegt jedoch nicht bei 82 %, sofern der verstorbene Ehepartner beispielsweise schon 2015 in Rente gegangen war. Der damalige Besteuerungsanteil von nur 70 % wird vom überlebenden Ehepartner übernommen, da dieser rentensteuerlich in die Fußstapfen des Verstorbenen tritt.
Im Sterbejahr sowie im Folgejahr wird steuerlich zudem unterstellt, dass Witwe bzw. Witwer noch verheiratet waren. Somit wird die Splittingtabelle für Eheleute und nicht die Grundtabelle für Alleinstehende bei der Berechnung der Einkommensteuer zugrunde gelegt (Gnadensplitting).
Witwen- bzw. Witwerrenten unterliegen nicht der Erbschaftsteuer, da sie Einkommen und nicht Vermögen darstellen. Allerdings wird der besondere Versorgungsfreibetrag von 256.000,- € für den überlebenden Ehepartner, der beim hinterlassenen Vermögen zusätzlich zum persönlichen Freibetrag von 500.000 € gewährt wird, um den Kapitalwert der Witwen- bzw. Witwerrente gekürzt.
Ruhend gestellte Witwen- und Witwerrenten bei hohem eigenen Einkommen
Es gibt jedoch auch Witwen- bzw. Witwerrenten, die wegen zu hohen eigenen Einkommens ruhend gestellt werden. In diesem eher seltenen Fall steht der besondere Versorgungsfreibetrag von 256.000,- € dem überlebenden Ehepartner in voller Höhe zu.
Die Anzahl der Witwen- und Witwerrenten im Rentenversicherungsbericht 2021 der Bundesregierung enthält nicht die in vollem Umfang ruhenden Renten. Die Anzahl dieser sog. Nullrenten wird auf 0,5 bis 1 Millionen geschätzt.
Vor allem Witwerrenten werden auf Null gesetzt und damit ruhend gestellt, wenn 40 % des über dem Witwerfreibetrag liegenden Überschusses die Höhe der grundsätzlich zustehenden Witwerrente übersteigt. Sofern dieser Überschuss aber wegen sinkenden eigenen Nettoeinkommens (zum Beispiel nach Renteneintritt) sinkt, lebt die Witwerrente wieder auf. Es macht somit durchaus Sinn, eine Witwen- oder Witwerrente auch dann zu beantragen, wenn zunächst eine Nullrente zu befürchten ist.
Unabhängig von der Beantragung der Witwen- oder Witwerrente steht jedem hinterbliebenen Ehepartner die volle Altersrente des verstorbenen Ehepartners für drei Monate zu, die dem Sterbemonat folgen. In diesem Sterbevierteljahr erfolgt keine Anrechnung eigenen Einkommens, sofern es grundsätzlich einen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente gibt.
Freibetrag zur Grundsicherung im Alter bei zu niedrigem eigenen Einkommen
Völlig anders stellt sich die Situation für Witwen mit einer geringen Witwenrente und gleichzeitig niedrigem oder gar fehlendem eigenen Einkommen dar. Zwar fließt ihnen die Witwenrente ungekürzt zu. Da die ungekürzte Witwenrente zusammen mit dem evtl. eigenen Einkommen nicht zum Lebensunterhalt ausreicht, besteht nach Erreichen der Regelaltersgrenze ein Anspruch auf Grundsicherung im Alter.
Ab 2020 wird ein Freibetrag von bis zu 224,50 € brutto im Monat nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter angerechnet, falls der verstorbene Ehepartner eine Mindestversicherungszeit von 33 Jahren aufwies und der hinterbliebene Ehepartner eine Witwen- bzw. Witwerrente bezieht. Bei Witwen- bzw. Witwerrenten ab brutto 515,- € ab 1.7.2022 wird der maximale Freibetrag von 224,50 € erreicht.
(MS)