Termingeschäfte: Beschränkte Verlustverrechnung verfassungswidrig?
Der BFH hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte für verfassungswidrig.

Termingeschäfte: Beschränkte Verlustverrechnung verfassungswidrig?

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Die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes, sagt der BFH. Was bedeutet das für Kapitalanleger?

 

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BFH: Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften verfassungswidrig

Im entschiedenen Fall hatten die Antragsteller gegen die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften Einspruch erhoben, da sie diese Regelung für verfassungswidrig hielten. Der Antragsteller hatte im Streitjahr über einen Broker Differenzkontrakte (CFDs) gehandelt und dabei sowohl Gewinne als auch Verluste erzielt.

Das Finanzamt hatte die Verluste aus den Termingeschäften des Antragstellers nur bis zum gesetzlichen Höchstbetrag von 20.000 Euro mit den Gewinnen verrechnet und die darüberhinausgehenden Verluste nicht berücksichtigt.

Der BFH wies die Beschwerde des Finanzamts gegen den vorherigen Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz zurück und bestätigte, dass die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung nicht verfassungskonform ist (BFH-Beschluss vom 7.6.2024, Az. VIII B 113/23 (AdV).

Auch interessant:

Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechenbar: verfassungswidrig?

(Hinweis: Das in diesem Artikel genannte Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist noch nicht entschieden / Stand: 2.7.2024)

Was bedeutet die Entscheidung für Kapitalanleger?

Das Kürzel »AdV« im Aktenzeichen steht für »Aussetzung der Vollziehung«. Damit wird die Vollstreckung eines Verwaltungsaktes, (hier: des Steuerbescheids) vorläufig gestoppt. Die AdV kommt zum Beispiel zum Einsatz, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen.

Im konkreten Fall muss also der betroffene Kapitalanleger die Vollstreckung der strittigen Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte vorläufig nicht akzeptieren, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Dazu wird beim BFH jetzt ein sogenanntes »Hauptsacheverfahren« geführt.

Falls es im Ergebnis dabei bleibt, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung verfassungswidrig ist, müssten Kapitalanleger die Möglichkeit bekommen, Verluste aus Termingeschäften ohne die bisherige betragsmäßige Beschränkung mit anderen Einkünften zu verrechnen.

Das könnte zu einer erheblichen Steuerersparnis führen, da unbeschränkt Verluste geltend gemacht werden könnten, die bisher aufgrund der gesetzlichen Höchstgrenze nicht vollständig anerkannt werden.

Allerdings würde wohl auch die Finanzverwaltung reagieren und entsprechende gesetzliche Anpassungen anregen, um die Verlustverrechnung wieder zu beschränken.

Wer entsprechende Verluste aus Kapitaleinkünften hat, sollte gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch einlegen und die Verrechnung mit anderen Einkünften verlangen.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) fordert, dass die Bundesregierung die Regelungen umgehend überarbeiten solle. Das wäre natürlich begrüßenswert, ist aber leider unwahrscheinlich.

Vermutlich wird der BFH die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Dies würde den Fall auf eine höhere rechtliche Ebene bringen und könnte zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage führen.

Falls der BFH ohne Anrufung des Bundesverfassungsgreichts selbst entscheidet, muss die Finanzverwaltung die Entscheidung des BFH umsetzen und darf die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte nicht mehr anwenden. Steuerbescheide von betroffenen Kapitalanlegern müssten dann angepasst werden. Alternativ könnte die Finanzverwaltung Verfassungsbeschwerde einlegen und selbst das BVerfG mit ins Spiel bringen.

Beschränkung der Verlustverrechnung: Die aktuelle Rechtslage

Normalerweise werden Gewinne und Verluste innerhalb einer Einkunftsart miteinander verrechnet und nur ein übersteigender Gewinn muss versteuert werden. Das gilt bei Kapitaleinkünften so nicht mehr, denn 2020 hat der Gesetzgeber eine Begrenzung der Verlustverrechnung für bestimmte Kapitaleinkünfte eingeführt.

Bei bestimmten Anlagen ist die Verrechnung von Verlusten nicht nur auf die Einkunftsart der Kapitaleinkünfte beschränkt, sondern es gilt auch ein Höchstbetrag pro Jahr.

So dürfen schon für den Veranlagungszeitraum 2020 Verluste aus dem Ausfall von Forderungen und dem Verfall von Wertpapieren nicht mehr unbegrenzt verrechnet werden. Das betrifft insbesondere den Ausfall von Privatdarlehen, stillen Beteiligungen oder den Ausfall von Aktien bei Insolvenz eines Unternehmens.

In diesen Fällen darf nur noch ein Verlust von höchstens 20.000 Euro im Jahr von den Kapitaleinkünften abgezogen werden. Liegen die Verluste darüber, müssen diese in die Zukunft vorgetragen werden, und es können jedes Jahr weitere 20.000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden.

Seit 2021 geht die Einschränkung der Verlustverrechnung noch weiter. Jetzt dürfen auch Verluste aus Termingeschäften, bei denen nur ein Differenzausgleich stattfindet, sowie Verluste aus anderen Finanzinstrumenten, die nach dem gleichen Prinzip wie Termingeschäfte funktionieren, nicht mehr unbegrenzt verrechnet werden. Während Optionen und Termingeschäfte für Privatanleger keine Rolle spielen, nutzen viele Anleger auch Optionsscheine, Hebelzertifikate oder Contracts for Difference (CFDs).

Mit einem Teil solcher Einkünfte ist in der Vergangenheit intensive Steuergestaltung betrieben worden. Darum ist auch hier die Höhe der pro Jahr verrechenbaren Verluste auf den Betrag von 20.000 Euro begrenzt worden. Übersteigen die Verluste diesen Betrag, muss man den nicht verrechenbaren Verlust vortragen und in zukünftigen Jahren mit positiven Einkünften verrechnen.

Das kann für Anleger zu großen Nachteilen führen. Denn werden Gewinne und Verluste nicht mehr unbegrenzt aufgerechnet, kann das zu einer steuerlichen Verzerrung führen. Diese Regelung kann zu einem Problem werden, weil Anleger nicht selbst bestimmen können, wann ein Verlust eintritt. Fällt ein Darlehen aus oder wird ein CFD beendet, entsteht der Verlust, ohne dass man das verhindern oder auf eine Erholung warten kann. Das Gleiche gilt bei Auslaufen von Termingeschäften und Optionen.

(MB)

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