Ist die Abgeltungsteuer verfassungswidrig?
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Das FG Niedersachsen hält die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden für verfassungswidrig. Wie das Finanzgericht diese Meinung begründet und wie es jetzt weitergeht, lesen Sie hier.
Inhalt
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Vorschriften über die Abgeltungsteuer für mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht vereinbar und hat sie dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt (FG Niedersachsen, Beschluss vom 18.3.2022, Az. 7 K 120/21)
Abgeltungsteuer: Verstoß gegen Gleichbehandlung?
Das FG Niedersachsen ist davon überzeugt, dass die Anwendung der Abgeltungsteuer, also der Ansatz des abgeltenden Steuersatzes von 25 %, gegen die in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verstößt und daher verfassungswidrig ist.
Die Abgeltungsteuer, so das Gericht, führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerpflichtigen:
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Während die Bezieher von Kapitaleinkünften (nach § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG) mit einem Sondersteuersatz von 25 % abgeltend belastet werden, unterliegen die übrigen Steuerpflichtigen gemäß § 32a EStG einem Steuersatz von bis zu 45 %.
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Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
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Weitere Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich.
Abgeltungsteuer: Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden
Das FG Niedersachsen hat das Klageverfahren jetzt erst einmal ausgesetzt (dazu ist es bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit verpflichtet) und holt nun die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber ein, »ob § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen insoweit mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von 25 % mit abgeltender Wirkung vorsehen«. (FG Niedersachsen, Beschluss vom 18.3.2022, Az. 7 K 120/21)
Auf die Jahre 2013, 2015 und 2016 beziehen sich die Richter, weil es im zugrunde liegenden Fall um diese Jahre geht.
Warum gibt es die Abgeltungsteuer?
Die Abgeltungsteuer gibt es seit dem 1. Januar 2009. Mit ihr werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, also z. B. Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne, mit einem Einkommensteuersatz von 25 % versteuert, falls Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gezahlt werden müssen, kommen diese noch dazu.
Liegt Ihr persönliche Einkommensteuersatz unter 25%, können Sie zu viel gezahlte Abgeltungsteuer vom Finanzamt zurückfordern. Dazu füllen Sie bei der Steuererklärung die Anlage KAP aus. Das Finanzamt nimmt dann eine sogenannte »Günstigerprüfung« und erstattet die zu viel gezahlte Abgeltungsteuer.
Geschaffen wurde die Abgeltungsteuer von der damaligen Regierungskoalition aus SPD und Grünen mit dem Ziel, Deutschland als Finanzplatz attraktiver zu machen und Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Im Gegensatz zu heute existierten damals keine Möglichkeiten, um die Besteuerung von Kapitaleinkünften, die in Deutschland Steuerpflichtige im Ausland erzielten, sicherzustellen. Die Verminderung des Steuersatzes auf 25 % sollte den Anlegern einen Anreiz geben, ihr Geld in Deutschland anzulegen und zu versteuern. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück brachte die Gesetzesintention mit dem Satz auf den Punkt: »Lieber 25 % auf x als 42 % auf nix«.
Außerdem sollte sich durch die Abgeltungsteuer eine Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für die Steuerpflichtigen ergeben.
Abgeltungsteuer: Zweck des Gesetzes hat sich erledigt
Seit dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer haben sich die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert. Das FG Niedersachsen ist daher der Auffassung, dass das Instrument der Abgeltungsteuer heute nicht mehr erforderlich ist.
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(MB)