Entschädigungsloser Entzug von Aktien: Verluste sind abziehbar
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Werden einem Anleger Aktien, die er nach dem 31.12.2008 erworben hat, ohne die Zahlung einer Entschädigung entzogen, kann der Verlust steuerlich abzugsfähig sein. Das hat der BFH entschieden – und stellt sich damit gegen die Auffassung des Bundesfinanzministeriums.
Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine Depotgemeinschaft in der Rechtsform einer GbR, am 14.02.2011 und am 16.01.2012 insgesamt 39.000 Namensaktien einer inländischen Aktiengesellschaft (AG) zu einem Gesamtkaufpreis von 36.262,77 Euro erworben. Im Streitjahr 2012 wurde über das Vermögen der Aktiengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.
Herabsetzung des Grundkapitals auf Null Euro
In einem vom Insolvenzgericht genehmigten Insolvenzplan wurde gemäß § 225a Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) das Grundkapital der AG auf Null herabgesetzt und eine Kapitalerhöhung beschlossen, für die ein Bezugsrecht der Klägerin und der übrigen Altaktionäre ausgeschlossen wurde. Der börsliche Handel der Altaktien wurde eingestellt.
Da die Klägerin für den Untergang ihrer Aktien keinerlei Entschädigung erhielt, entstand bei ihr ein Verlust in Höhe ihrer ursprünglichen Anschaffungskosten, den das Finanzamt nicht berücksichtigen wollte.
BFH: Planwidrige Regelungslücke muss geschlossen werden
Das sah der BFH anders und gab der Klägerin Recht. Er beurteilte den Entzug der Aktien in Höhe von 36.262,77 Euro als steuerbaren Aktienveräußerungsverlust. Dieser Verlust sei nach den Beteiligungsquoten auf die Gesellschafter der klagenden Depotgemeinschaft zu verteilen.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Untergang der Aktien keine Veräußerung darstelle und auch sonst vom Steuergesetz nicht erfasst werde. Das Gesetz weise insoweit aber eine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Die in § 225a InsO geregelte Sanierungsmöglichkeit sei erst später eingeführt worden, ohne die steuerliche Folgen für Kleinanleger wie die Klägerin zu bedenken. Es widerspreche den Vorgaben des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes in seiner Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeits- und Folgerichtigkeitsprinzip, wenn der von der Klägerin erlittene Aktienverlust steuerlich nicht berücksichtigt werde, wirtschaftlich vergleichbare Verluste (z.B. aufgrund eines Squeeze-Out oder aus einer Einziehung von Aktien durch die AG) aber schon (BFH-Urteil vom 3.12.2019, Az. VIII R 34/16).
Mit dieser Entscheidung stellt sich der BFH gegen die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), das dem Revisionsverfahren beigetreten war. Das BMF war insbesondere in den Punkten »Regelungslücke« sowie »Leistungsfähigkeitsprinzip und Folgerichtigkeitsprinzip« anderer Meinung gewesen als das Gericht.
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(MB)