Darlehen: Schenkungsteuer wegen zu niedriger Zinsen?
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Gewähren Sie jemandem ein Darlehen, dann möchten Sie dafür Zinsen. Verzichten Sie ganz darauf oder verlangen weniger Zins als üblich ist, hat der Darlehensnehmer einen finanziellen Vorteil, ohne dass er eine Gegenleistung dafür erbringt. Wann und in welcher Höhe ein solcher Zinsverzicht Schenkungsteuer auslöst, muss jetzt der BFH in einem Revisionsverfahren zu einem besonders komplexen Sachverhalt klären.
Das war vorher geschehen: 2007 verstarb der Vater der beiden Darlehensparteien. Die Kinder waren zu diesem Zeitpunkt beide noch minderjährig. Als Vorerbe seines umfangreichen Unternehmensvermögens hatte der Verstorbene seine Schwester eingesetzt. Zum 18. Geburtstag sollte das Vermögen dann auf den Sohn übergehen. Die jüngere Schwester bedachte der Vater nicht. Für sie machte ein Vormund gegenüber dem Bruder einen Pflichtteilsanspruch von rund 2 Millionen Euro geltend.
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Diesen Anspruch wandelten die Geschwister in einem Vergleich in ein unbefristetes Darlehen um, für das der Bruder jährlich 1 % Zins zahlen sollte. Zur Darlehenssicherung wurde eine Grundschuld vereinbart und eingetragen. Später wurden Vereinbarungen über eine Tilgung des Darlehens ergänzt. Bei dieser Vereinbarung war ein Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger für die Schwester tätig, da sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch minderjährig war.
Als das Finanzamt von der Vereinbarung erfuhr, setzte es Schenkungsteuer fest. Grundlage der Besteuerung war der Zinsvorteil. Nach dem Bewertungsgesetz ist eine jährliche Nutzung mit einem Zinssatz von 5,5 % zu bewerten, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass der tatsächliche Nutzungswert geringer ausfällt. Bei ungewisser Nutzungsdauer ist der Gesamtwert der Nutzung mit dem 9,3-Fachen des Jahreswertes anzusetzen (§ 15 Bewertungsgesetz - BewG). Da ein Zins von 1 % vereinbart war, ging das Finanzamt von einer gemischten Schenkung aus und legte den Zinsvorteil mit 4,5 % fest. Daraus ergab sich eine unentgeltliche Bereicherung von rund 800.000 Euro, auf die nach Abzug des Freibetrags von 20.000 Euro Schenkungsteuer festgesetzt wurde.
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Der Bruder klagte vor dem FG Mecklenburg-Vorpommern gegen die Steuerfestsetzung. Er führte an, der Vergleichszins für Kapitalanlagen habe zu der Zeit der Vereinbarung bei rund 1 % gelegen, darum sei keine freigebige Zuwendung der Schwester erfolgt. Der Ergänzungspfleger, der im Verfahren dazu angehört werden sollte, verweigerte unter Hinweis auf seine anwaltliche Schweigepflicht die Auskunft.
Das Gericht folgte der Argumentation des Bruders nicht. Für die Beurteilung der Zuwendung ist nach Ansicht des Gerichts nicht der Zins entscheidend, den die Darlehensgeberin bei einer Anlage alternativ hätte erzielen können, sondern die Zinsersparnis des Darlehensnehmers im Vergleich zu einer Darlehensaufnahme am Kapitalmarkt. Da der Kläger nicht belegen konnte, dass ein Darlehen auch bei anderweitiger Kreditaufnahme zu einem Zins von 1 % möglich gewesen wäre, hat das Finanzamt zu Recht die Bereicherung nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes unter Annahme eines Zinssatzes von 5,5 % ermittelt (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.4.2022, Az. 3 K 273/20, Revision vor dem BFH unter Az. II R 20/22).
Vereinbaren Sie ein Darlehen mit Angehörigen, beschaffen Sie sich vorab Vergleichsangebote für eine Bankfinanzierung. So können Sie nachweisen, dass die Finanzierungskonditionen marktüblich sind und keine freigebige Zuwendung in Form eines verbilligten Zinssatzes vorliegt.
(AI)