Altersvorsorge 2022: Was plant die Ampelkoalition?
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Bei der Altersvorsorge hält sich die neue Regierung auffällig bedeckt. Deshalb fragen sich viele: Was kann ich selbst tun, wenn meine Rente voraussichtlich nicht reichen wird?
Dem für unsere finanzielle Zukunft entscheidenden Thema Altersvorsorge widmet der 178-seitige Koalitionsvertrag insgesamt 45 Zeilen. Der größte Teil davon (acht Zeilen) ist dabei der teilweisen Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung gewidmet.
Geplant ist, aus Haushaltsmitteln (gemeint ist: Mitteln des Bundes) der gesetzlichen Rentenversicherung einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuzuführen. Das soll dazu beitragen, das Rentenniveau und den Rentenbeitrag langfristig zu stabilisieren.
Allerdings: Hier kreißte der Berg und gebar eine Maus. Wirtschaftsforscher und Sozialpolitiker haben bereits ausgerechnet, dass dies kaum eine Maßnahme zur dauerhaften Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sein kann. So befand das ifo Institut: "Mit einem Kapitalstock von nur zehn Milliarden Euro kann man jedem Rentner einmalig etwa 240,– € auszahlen". Dennoch kann diese Maßnahme auf längere Sicht wichtiger sein, wenn man sie eben als Einstieg versteht. Fortsetzung kann also folgen.
Für die Generation 50plus dürfte sich durch die Einrichtung dieses Fonds – wie auch immer er ausgestaltet wird – wenig ändern. Bei Jüngeren ist die Entwicklung abzuwarten. Wichtig wäre vor allem, ob der Fonds – das ist bislang nicht vorgesehen – für Einzahlungen von Versicherten geöffnet wird, ob also über den Fonds auch individuelle Ansprüche erworben werden können.
Renteneintrittsalter: unverändert
Es wird keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben, formuliert der Koalitionsvertrag. Diese Festlegung gilt nur für die derzeitige Ampelkoalition. Dennoch ist bis in die 2030er-Jahre hinein eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wenig wahrscheinlich.
Für die Generation 50plus dürfte es bei der aktuellen Regelaltersgrenze bleiben. Für die Jüngeren gilt: Es lohnt sich, für den Fall einer Erhöhung des Renteneintrittsalters Vorsorge zu treffen. Wer plant, vorzeitig in Rente zu gehen, sollte verstärkt Rücklagen bilden.
Erwerbsminderungsrente: Verbesserungen in Sicht
Relativ wenig Beachtung fand in den Medien die vielleicht klarste Festlegung im Koalitionsvertrag: "Wir wollen Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand umsetzen".
Hintergrund: Von den mehrfach vorgenommenen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente, die Neufällen vielfach ein Rentenniveau wie Altersrentnern nach Erreichen der Regelaltersrente sichern, haben Bestandsfälle bislang nicht profitiert. Langjährig Erwerbsgeminderte wurden von bis zu drei Verbesserungsrunden bei der Erwerbsminderungsrente ausgeschlossen.
Das wird für viele langjährig Erwerbsgeminderte ein deutliches Rentenplus geben. Es ist zu erwarten, dass das automatisch und ohne Antragstellung gewährt wird.
Hinzuverdienst: für Frührentner erhöht
Derzeit ist – Corona-bedingt – für Bezieher eines vorzeitigen Altersruhegeldes ein jährlicher Hinzuverdienst von 46.060,– € brutto erlaubt – ohne dass die Rente gekürzt wird. Die Ampelkoalition will diese Regelung entfristen. Möglicherweise wird danach der aktuelle Betrag auch künftig gelten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dieser jährlich angepasst wird – etwa durch eine Ankopplung an die Entwicklung der Bezugsgröße.
Die großzügige Regelung zum Hinzuverdienst kann manche Arbeitnehmer in rentennahen Jahrgängen zur Revision ihrer Ausstiegspläne motivieren. Immerhin können nun viele Versicherte gleichzeitig Arbeitsentgelt und die ungekürzte vorzeitige Altersrente beziehen. Auf die Weise kann man in kurzer Zeit einige Zehntausend Euro zurücklegen, um sich im Alter einige Wunschträume zu erfüllen.
Nachholfaktor: nachträglich aktiviert
"Wir werden den sogenannten Nachholfaktor in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren". Das bedeutet: Die unterbliebene Rentenkürzung von 2021 wird teilweise mit der 2022 rein rechnerisch fälligen Rentenerhöhung verrechnet.
Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steigen die Renten im Westen damit möglicherweise um 4,4 % statt um 5,1 %. Das betrifft allerdings nicht nur die aktuellen Rentner, sondern auch die kommenden Rentnergenerationen, denn die jährliche Rentenanpassung sattelt immer auf dem vorher gegebenen aktuellen Rentenwert auf.
Rentenniveau: 48 % garantiert
Nicht nur für diese Legislaturperiode, sondern dauerhaft hat die Ampelkoalition das Mindestrentenniveau von 48 % garantiert. Dieses wird nicht unterschritten.
So positiv diese Festlegung für Rentner ist – es bedeutet auch, dass die Politik möglicherweise mehrfach in die Rentenentwicklung wird eingreifen müssen, denn grundsätzlich ist die Rentenformel gesetzlich geregelt und nach dieser Formel ist schon in dieser Legislaturperiode durchaus damit zu rechnen, dass das Rentenniveau zunächst rechnerisch unter 48 % sinkt. Das wird dann durch die 48-Prozent-Garantie verhindert.
Private Zusatzvorsorge: mehr denn je unverzichtbar
Das Rentenniveau sinkt zwar nicht unter 48 % – die Regeln zur Rentenberechnung werden aber auch dafür sorgen, dass das Rentenniveau bei 48 % stagniert. Die zentrale – allerdings nicht klar ausgesprochene – Nachricht des Altersvorsorge-Teils lautet jedoch: Die Rentenlücke bleibt bestehen und muss gefüllt werden. Die in den letzten Jahrzehnten vorgenommenen Senkungen werden nicht zurückgenommen.
Das klingt schon so selbstverständlich, dass es kaum wahrgenommen wird. Fast vergessen ist unter anderem die sogenannte Riester-Treppe. Dabei geht es um Folgendes: Der Gesetzgeber hat mit der Rentenreform von 2001 die sogenannte Riester-Rente eingeführt. Danach wird die private Altersvorsorge durch Zulagen und durch Steuervorteile gefördert. Steuerlich absetzbar sind bis zu 4 % des sozialversicherungspflichtigen Einkommens.
Der Abschluss eines Riester-Vertrags ist zwar nach wie vor nicht verpflichtend. Doch beim Rentenniveau wurde die Riester-Vorsorge "eingepreist". Bei der Rentenhöhe wird also so getan, als ob alle Versicherten ihre Möglichkeiten zur privaten Vorsorge per Riester ausschöpfen. Das hat in den Nuller-Jahren zu mehreren Nullrunden bei der gesetzlichen Rente (also zum Ausbleiben einer Rentenerhöhung) geführt – und dazu, dass das vielfach von Politikern und Experten erwähnte Rentenniveau von 53 % auf 48 % gesunken ist.
Rentenniveau: Was ist das eigentlich?
Wichtig zu wissen ist, dass es sich beim Rentenniveau um eine statistische Messgröße handelt. Der Begriff bedeutet nicht, dass Rentner im Ruhestand 48 % dessen erhalten, was sie vorher als Arbeitnehmer verdient haben. Das Rentenniveau ist das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten – und verglichen werden dabei jeweils die Netto-Werte ohne Berücksichtigung der Steuerabzüge.
Da Rentner im Verhältnis weit weniger Steuern zahlen als Arbeitnehmer, würde das Rentenniveau bei Berücksichtigung der Steuerabzüge etwas höher liegen – im Schnitt wohl bei rund 55 %. Wer früh in Rente geht oder "leere Jahre" auf seinem Rentenkonto hat, kommt auf weit geringere Werte. Eine verlässliche Info finden Versicherte ab 27 in ihrer Renteninformation. Wie viel man im Alter braucht, ist natürlich individuell verschieden. Experten setzen den Versorgungsbedarf im Ruhestand auf rund 80 % des vorherigen Nettoeinkommens an – dieses Ziel verfehlt die gesetzliche Rente deutlich.
Wer als Arbeitnehmer zuletzt in Vollzeitarbeit 2.000,– € netto verdient hat, sollte im Ruhestand möglichst rund 1.600,– € netto zur Verfügung haben. Winkt dann nur eine Altersrente von 1.100,– € (= 55 %), so bleibt eine Rentenlücke von 500,– €. Bei einem Arbeitseinkommen von 4.000,– € netto fällt die Lücke mit 1.000,– € doppelt so hoch aus.
Wer sich im Alter seine Wünsche (Reise, Theater, Restaurant …) erfüllen möchte, muss diese Lücke durch private Zusatzvorsorge füllen. Nach dem jüngsten Alterssicherungsbericht der Bundesregierung betreiben 34,5 % der Arbeitnehmer zwischen 25 und 65 jedoch keinerlei zusätzliche Altersvorsorge. Und diejenigen, die Vorsorge betreiben, klotzen vielfach nicht, sondern kleckern nur.
Altersvorsorge: früh und viel
Genauso viel wie Arbeitnehmer selbst als Arbeitnehmeranteil in die gesetzliche Rente einzahlen, sollten sie in ihre zusätzliche Altersvorsorge investieren – und zwar so früh wie möglich.
Bei einem Bruttogehalt von 2.000,– € sollten es also monatlich 186,– € sein, rechnet der Finanzmathematiker und Rentenexperte Werner Siepe vor und ergänzt: "Natürlich nur, wer es kann".
Für die Art der Vorsorge gibt es kein für alle gleichermaßen gültiges Rezept. Als lebenslang fließende Zusatzrenten kommen vier Möglichkeiten infrage: Riester-Rente und Rürup-Rente sowie Betriebsrente und Privatrente.
All diese Vorsorgeformen weisen Vorteile und Nachteile auf, und da man ohnehin jeden Vorsorge-Euro bloß einmal anlegen kann, sollte man sich vorher genau ausrechnen, auf welche Weise am Ende die höchste Auszahlung herauskommt, und zwar einschließlich der steuerlichen Auswirkungen sowohl in der Einzahlungsphase als auch in der Auszahlungsphase.
Ausführliche Vergleichsberechnungen finden Sie im Ratgeber von Finanzmathematiker Werner Siepe Die Rentenlücke schließen: Welche Zusatzrente ist für Sie die beste?
(MS)