Steuerhinterziehung: Meldung von Steuerbetrug ist kein Verrat
-
Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat ein anonymes Hinweisgeberportal freigeschaltet, und ein Aufschrei geht durchs Land. Warum eigentlich? Ist Steuerhinterziehung plötzlich ein Kavaliersdelikt?
Anonymes Hinweisgeberportal: Hintergrund und Ziel
Bevor wir zum emotionalen Teil kommen, hier erst einmal ein paar Fakten. Wir zitieren dabei das Finanzministerium Baden-Württemberg, die Hervorhebungen sind von uns.
»Mit dem anonymen Hinweisgebersystem der Steuerverwaltung Baden-Württemberg können Sie den baden-württembergischen Finanzämtern diskret, sicher und anonym Anzeigen von Steuerstraftaten oder sonstigen Verfehlungen gegen Steuergesetze melden. Zudem besteht für Sie die Möglichkeit, über ein Postfach auch nach der Abgabe der Anzeige mit der zuständigen Steuerfahndungsstelle anonym zu kommunizieren.«(Quelle)
Finanzminister Dr. Danyal Bayaz: »So können wir Steuerbetrug besser verfolgen und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen.« (Quelle)
»Anonyme Anzeigen nimmt die Steuerverwaltung in Baden-Württemberg bisher direkt entgegen. [...] Häufig fehlen dabei wesentliche Informationen und aufgrund der Anonymität sind keine Rückfragen möglich. Durch das neue webbasierte Hinweisgebersystem können Bürgerinnen und Bürger künftig auch digital, sicher und trotzdem anonym und diskret mit der Steuerverwaltung kommunizieren. Der Zugriff auf personenbezogene Daten der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers ist ausgeschlossen.« (Quelle)
»Steuerbetrug verursacht schätzungsweise jährlich bundesweit einen Schaden von 50 Milliarden Euro. Geld, das für Investitionen in gute Bildung, Infrastruktur und Sicherheit fehlt, weil Einzelne sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.« (Quelle, dort im Bereich FAQ)
»Die Angaben in der abgegebenen Meldung müssen schlüssig formuliert, wahre Angaben und konkrete Informationen enthalten. Deshalb sind Details wichtig, die sich nachprüfen lassen. Die bloße Behauptung, jemand habe Steuern hinterzogen, reicht nicht aus!« (Quelle, dort im Bereich FAQ)
Steuerhinterziehung: Illegal, moralisch verwerflich – und hoch emotional
Was musste man zum Hinweisgeberportal hören und lesen? Hier eine kleine Auswahl:
-
Steuerpranger, Denunziantentum (Markus Blume, CSU)
-
Mögliche[s] Denunziantentum unter Nachbarn (Christian Lindner, FDP)
-
Blockwartmentalität (Michael Theurer, FDP)
-
Steuerpranger (Thorsten Frei, CDU)
-
Kultur des Misstrauens, der Missgunst, Unterstellung und Denunziation (Lothar Binding, SPD)
-
Steuer-Stasi (Bild-Zeitung)
-
Bürger sollen Nachbarn und Bekannte anschwärzen (Bild-Zeitung)
Die Möglichkeit, das Finanzamt anonym auf Steuersünder hinzuweisen, gibt es schon immer: einfach anrufen, einen Brief schreiben oder einen Zettel in den Briefkasten werfen.
Neu ist eigentlich nur, dass die Meldung über ein Online-Portal erfolgen kann. Das wiederum ist auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 zurückzuführen, mit der sogenannte Whistleblower (Hinweisgeber) geschützt werden sollen → mehr dazu hier auf der Internetseite der EU-Kommission.
»Warum die Aufregung?«, frage ich mich als ehrliche Steuerzahlerin. Alle, die Geld verdienen, tragen etwas zu den allgemeinen Ausgaben bei – so funktioniert unser Staat trotz aller (zum Teil sicher auch berechtigten) Kritik doch eigentlich ganz gut.
-
Kostenlose Schulen – zahlt der Steuerzahler.
-
Subventionen für Theater, Orchester und so vieles, was uns im »Land der Dichter und Denker« zum Glück noch immer lieb und teuer ist: Danke, Steuerzahler!
-
Polizei und Feuerwehr sind schnell zur Stelle, wenn Sie Hilfe brauchen? Woher das Geld dafür wohl kommt?
-
Straßen, Bürgersteige und Radwege...
-
Ein nicht zu verachtender Steuerzuschuss, der unser Rentensystem am Leben hält...
Wer noch mehr Beispiele braucht, möge einfach mal einen Tag mit offenen Augen durchs Leben gehen, denn von der Allgemeinheit getragene Kosten begegnen einem überall!
Wenn alle ehrlich sind, dann geht es allen besser
Wer jetzt also von »Steuer-Pranger« spricht, von »Steuer-Stasi« und »anschwärzen«, oder Denunziantentum wittert, hat eines nicht verstanden: Wenn alle ehrlich sind, geht es allen besser.
Denn wenn die einen Steuern hinterziehen, wird der Staat langfristig nicht darum herumkommen, die Steuern zu erhöhen. Was dann aber nur an den ohnehin schon ehrlichen Steuerzahlern hängen bleibt.
Steuerhinterziehung ist verboten, und das aus gutem Grund. Denn nur dank der Steuern können wir uns Deutschland mit all seinem Komfort und Luxus (und damit meine ich nicht den Bentley Ihres Nachbarn) leisten. Und darum gilt auch: Jede und jeder muss mitmachen.
Ich bin durchaus dafür, die legalen Möglichkeiten auszunutzen. Auf entsprechende Möglichkeiten hinzuweisen, das ist unser Job bei Steuertipps, und den machen wir gerne! Und wenn der Gesetzgeber schlampige Gesetze macht mit Lücken, dann muss er damit leben, dass diese Lücken ausgenutzt werden. Solange er nicht nachbessert, ist das Ausnutzen höchstens moralisch verwerflich. Aber das muss dann jede und jeder für sich selbst entscheiden.
Ich bin aber dagegen, Steuern zu hinterziehen! Nein, Belege dürfen nicht von mehreren Personen eingereicht werden. Nein, der neue Fernseher ist kein Monitor und hat bei den Werbungskosten nichts zu suchen. Nein, der Restaurantbesuch mit der Gattin gehört nicht zu den Betriebsausgaben.
Diese Beispiele mögen »Peanuts« sein im Vergleich mit dem, was sich in (großen) Firmen abspielt. Für den Otto-Normal-Steuerzahler sind sie aber anschauliche Beispiele, denn wer blickt bei den Steuer-Konstrukten großer Firmen oder Konzerne schon durch?!
Jeder Steuerzahler sollte gegen Steuerhinterziehung sein!
Und darum verstehe ich nicht, warum jetzt plötzlich von Denunziantentum und Steuer-Pranger die Rede ist.
Ist Steuerhinterziehung plötzlich zum Kavaliersdelikt geworden? Haben Menschen Angst davor, dass der Nachbar das mit den Werbungskosten mitbekommen hat und sie beim Finanzamt anschwärzt? Oder dass sie ein Ex-Partner ohne Grund bei den Steuerbehörden meldet? Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
»Steuertipps« hilft Ihnen gerne dabei, dem Staat nicht mehr zu geben, als ihm zusteht. Für alles andere stehen wir nicht zur Verfügung. Und unsere Kundinnen und Kunden erfahrungsgemäß übrigens auch nicht!
(Ein Kommentar von Maike Backhaus)