Steuerzinsen verfassungswidrig: Absenkung auf 0,15% pro Monat beschlossen
Sechs Prozent Steuerzinsen sind verfassungswidrig.

Steuerzinsen verfassungswidrig: Absenkung auf 0,15% pro Monat beschlossen

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Die Höhe der Zinsen auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen des Finanzamts ist verfassungswidrig, bis Ende Juli 2022 muss eine Neuregelung getroffen werden. Das ist jetzt geschafft: Heute hat der Bundesrat einem neuen Zinssatz von 0,15% pro Monat oder 1,8% pro Jahr zugestimmt.

 

Inhalt

 

Zinsen auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen: Höhe ab 1.1.2014 verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Verfahren die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 % (6 % im Jahr) auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen des Finanzamts für verfassungswidrig erklärt hat.

Die Kläger hatten geltend gemacht, dass der gesetzliche Zinssatz im Vergleich zum viel niedrigeren Marktzinssatz für Geldanlagen stark überhöht sei, was die Finanzverwaltung bisher bestritten hatte.

Die Verfassungsrichter haben in ihren Beschlüssen vom 8.7.2021 (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) die Höhe des in § 238 Abs. 1 AO festgelegten gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 als verfassungswidrig eingestuft. Das betrifft insbesondere die Einkommensteuer, aber auch die Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer usw.

Die Verzinsung von Steuernachzahlungen mit einem realitätsfernen Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des betreffenden Steuerjahres stellt für das BVerfG eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern gegenüber jenen dar, deren Steuer bereits vorher vom Finanzamt endgültig festgesetzt worden ist und die deshalb keine Zinsen ans Finanzamt zahlen müssen. Diese Ungleichbehandlung sieht das BVerfG für die Jahre 2010 bis 2013 als noch verfassungsgemäß an, ab dem Jahr 2014 aber nicht mehr. Vielmehr sei eine Verzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz erforderlich.

Achtung: Diese Unvereinbarkeit der Verzinsung mit dem Grundgesetz umfasst umgekehrt auch die Erstattungszinsen, die das Finanzamt einem Steuerpflichtigen zahlt, der erst nach 15 Monaten seine Steuererstattung erhält.

Bundesverfassungsgericht: Senkung des Zinssatzes rückwirkend ab 1.1.2019

Ein Wermutstropfen für Steuerpflichtige, die Nachzahlungen leisten mussten, ist, dass das Verfassungsgericht die bisherige Vorschrift in der Abgabenordnung trotz ihrer Verfassungswidrigkeit nicht rückwirkend ab 2014 als nichtig ansieht, sondern bis einschließlich 2018 für weiter anwendbar erklärt hat.

Der bisherige Zinssatz gilt also letztmals für in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume. Das bedeutet, dass für Verzinsungen ab 1.1.2019 der Zinssatz von monatlich 0,5 % nicht mehr vom Finanzamt angesetzt werden darf.

So sieht die Neuregelung aus

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Steuergesetzgeber keinen konkreten Zinssatz vorgegeben, sondern diesen nur verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Diese muss sich dann rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstrecken und alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide erfassen.

Das Finanzamt muss also die Zinsen rückwirkend ab 2019 neu berechnen, sodass es bei Steuernachzahlungen zu einer teilweisen Zinserstattung an die Steuerpflichtigen kommen kann. Bei Steuererstattungen wird dagegen eine Rückzahlung der zu hohen Zinsen an das Finanzamt fällig. Steuerpflichtige, deren Zinsbescheide den vom Bundesfinanzministerium im Mai 2019 verfügten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, können die gesetzliche Neuregelung einfach abwarten.

Heute hat der Bundesrat dem »Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung« zugestimmt. Dieses Gesetz enthält die Neuregelung zur sogenannten Vollverzinsung und setzt den Zinssatz für Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen neu fest. Das Gesetz kann damit nach Unterzeichnung durch den Bundesspräsidenten verkündet werden – es soll noch im Juli in Kraft treten.

Der Zinssatz für Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen nach § 233a AO wird dann rückwirkend ab dem 1.1.2019 0,15 % pro Monat (= 1,8 % pro Jahr) betragen.

Einen flexiblen Zinssatz hatte die Bundesregierung abgelehnt: Bei sehr häufigen Zinssatzänderungen werde die Verständlichkeit von Zinsbescheiden erheblich vermindert. Die Regierung hatte auch erläutert, warum sie die Verzinsung nicht völlig abschafft. Davon würden vor allem solche Steuerpflichtige profitieren, die unvollständige und unrichtige Steuererklärung abgeben oder den Abschluss von Betriebsprüfungen hinauszögern würden. Als weiteres Argument war genannt worden, dass die Wiedereinführung einer Vollverzinsung bei steigendem Zinsniveau mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre (Bundestag, hib-Meldung 315/2022 vom 22.6.2022).

Steuerberaterverband: Vorschläge zur Neuregelung der Finanzamt-Zinsen

Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) hatte im Vorfeld Vorschläge dazu veröffentlicht, wie man die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen neu regeln könnte. Die Lösung soll transparent, planungssicher und nach Aussage des DStV auch bürokratiearm sein.

Die ausführliche, vollständige Stellungnahme des DStV, in der dieser auch noch weitere Anpassungen im Kontext der Verzinsung anregt, können Sie hier als PDF lesen.

Aus Sicht des DStV sind drei Punkte bei der Reform der Vollverzinsung nach §§ 233a, 238 der Abgabenordnung (AO) besonders wichtig:

  • Die Neuregelung sollte transparent langfristige Zinsentwicklungen abbilden.

  • Die Regelungen zur Vollverzinsung sollten einheitlich sein und einer gewissen Kontinuität unterliegen.

  • Die Reform sollte für Betroffene möglichst bürokratiearm ausgestaltet sein.

Diese Voraussetzungen können, so der DStV, unter anderem mit diesen Maßnahmen erreicht werden:

Anknüpfen an Basiszinssatz

Die neue Zinsregelung soll transparent langfristige Zinsentwicklungen abbilden und einer gewissen Kontinuität unterliegen. Vor diesem Hintergrund spricht sich der DStV für ein Anknüpfen der Neuregelung an einen variablen Zinssatz aus. Konkret regt der DStV an, die Verzinsung zugunsten wie zulasten dynamisch an den Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzupassen.

Gleichzeitig gibt der DStV jedoch zu bedenken, dass die halbjährliche Aktualisierung des Basiszinssatzes in diesem Fall nicht zu einer halbjährlichen Zinsanpassung führen dürfe: das wäre wenig praxistauglich. Vielmehr, so der DStV in seiner Stellungnahme, sollte eine Anpassung nur jahresbezogen erfolgen.

Änderungskorridor für erhöhte Planungssicherheit

Kleinteilige Veränderungen in der Zinshöhe will der DStV vermeiden, um eine gewisse Beständigkeit und damit Planungssicherheit für die Praxis zu gewährleisten.

Konkret lautet der Vorschlag, eine Anpassung des Zinssatzes zum Folgejahr erst dann durchzuführen, wenn die Änderung des Zinssatzes zum 1.7. den Korridor von 0,5 %-Punkten über- bzw. unterschreitet – verglichen zum jeweils geltenden Zinssatz.

Im Falle eines negativen Basiszinssatzes oder eines, der bei null liegt, sollte die Zinshöhe – ohne Berücksichtigung des Korridors – auf 0 % gedeckelt sein.

Zeitliche Begrenzung des Zinslaufs

Insbesondere im Rahmen von Steuernachzahlungen nach Betriebsprüfungen können hohe Zinsen auflaufen. Die betroffenen Steuerpflichtigen bzw. ihre Beraterinnen und Berater können die zu erwartende Zahllast zwar spätestens mit der Schlussbesprechung hinreichend bestimmen, bis die endgültigen Steuerbescheide eintreffen, dauert es jedoch oft mehrere Jahre. Und das, während der Zinslauf läuft und läuft und läuft und die Zinslast entsprechend steigt. Daher regt der DStV an, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass die von Steuerpflichtigen bereits im Rahmen von Betriebsprüfungen geleisteten Vorauszahlungen den Zinslauf stoppen.

Ungeachtet dessen spricht sich der DStV für eine generelle Begrenzung des Zinslaufs auf vier Jahre aus. Der DStV hofft, dass Betriebsprüfungen dann deutlich näher an die betroffenen Veranlagungszeiträume gezogen würden, was zu mehr Planungs- und Rechtssicherheit sowie Bürokratieabbau führen würde.

(Quelle: dstv.de)

Bayerischer Finanzminister Füracker: Steuerzins gänzlich abschaffen

Bayerns Finanzminister Albert Füracker war einen großen Schritt weiter gegangen und hatte an den Bund appelliert, »hier die transparenteste, unbürokratischste und einfachste Lösung umzusetzen und den Steuerzins abzuschaffen.«

Ein sich ständig ändernder Zinssatz sei nicht nur intransparent, sondern auch mit viel Bürokratie verbunden und sehr komplex umzusetzen. Die Menschen müssten nachvollziehen können, wie der Zinsbetrag für Erstattungen oder Nachzahlungen zustande komme.

Und wer jetzt denkt, dass dem Staat durch diese Idee Geld entgehen würde, den weist er darauf hin, dass die öffentliche Hand in den letzten Jahren ohnehin mehr Zinsen gezahlt als über die Zinsen eingenommen habe.

(Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, Pressemitteilung vom 15.2.2022).

(AW, MB)

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