Spielautomaten: Umsatzsteuerpflicht auf dem Prüfstand
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Online-Glücksspiele und virtuelle Automatenspiele sind umsatzsteuerfrei. Auf die Umsätze von sogenannten terrestrischen Geldspielautomaten in Spielhallen und Kneipen muss dagegen Umsatzsteuer abgeführt werden. Warum ist das so – und darf das so bleiben? Das FG Münster hat Zweifel.
In Gang gebracht wurde die Diskussion von einem Spielhallen-Betreiber, der bei der Abgabe seiner Umsatzsteuervoranmeldung für August 2021 geltend machte, dass seine Glücksspielumsätze nach Art. 135 MwStSystRL umsatzsteuerfrei seien.
»MwStSystRL« steht für Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Der komplette Name dieser europarechtlichen Regelung ist »Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem«.
Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie besteht aus über 400 Artikeln und zwölf Anhängen, in denen die Vorgaben der EU über die Ausgestaltung der nationalen Umsatzsteuergesetze zusammengefasst sind. Die Mitgliedstaaten der EU müssen ihre nationalen Umsatzsteuergesetze in Übereinstimmung mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie erstellen.
Bei Konflikten ist die Mehrwertsteuersystemrichtlinie das »stärkere« Gesetz und überstimmt die nationale Regelung.
Das Finanzamt setzte demgegenüber eine Umsatzsteuervorauszahlung fest und lehnte den im hiergegen geführten Einspruchsverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Besteuerung von Glücksspiel in Deutschland
Virtuelle Automatenspiele und Online-Glücksspiele fallen in Deutschland unter das Rennwett- und Lotteriegesetz und sind daher nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei.
Auf Umsätze mit terrestrischen Geldspielautomaten in Bars, Kneipen, Spielhallen usw. fällt dagegen Umsatzsteuer an.
FG Münster: Steuerpflicht von Geldspielautomatenumsätzen ist zweifelhaft
Das FG Münster nahm sich der Sache an und erklärte schließlich, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für August 2021.
Die Richter erkannten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität, weshalb sich der Betreiber der Spielhalle unmittelbar auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen könne. Nach dieser Regelung sind Glücksspiele und Glücksspielgeräte grundsätzlich von der Steuer zu befreien.
Die Mitgliedstaaten blieben aber dafür zuständig, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen, wobei sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten hätten. Maßgeblich hierfür sei die Gleichartigkeit der Tätigkeiten aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers.
Der Gesetzgeber habe virtuelle Geldspielumsätze nicht anders behandeln dürfen als terrestrische Geldspielumsätze. Für einen Durchschnittsverbraucher, dem es auf das Spielerlebnis und den erzielbaren Gewinn ankomme, spiele es keine Rolle, ob er virtuell oder terrestrisch spiele (FG Münster, Beschluss vom 27.12.2021, Az. 5 V 2705/21
Das FG Münster hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Ob diese eingelegt wurde, ist bisher nicht bekannt.
(MB)