Steueridentifikationsnummer wird Bürger-Identifikationsnummer
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Die Steueridentifikationsnummer wird zum einheitlichen Identifikationsmerkmal, mit dem Behörden auf bei anderen Behörden vorliegende Personendaten zugreifen können: Nach dem Bundestag hat heute auch der Bundesrat dem Registermodernisierungsgesetz zugestimmt.
Die Bürger-Identifikationsnummer dient der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für Serviceleistungen von Bund und Ländern. Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten.
Mehr zum Onlinezugangsgesetz auf der Internetseite des Bundesinnenministerium (BMI)
Ziel: Weniger Aufwand für alle Beteiligten
Bei Kontakten mit der Verwaltung müssen grundlegende Daten wie Adresse oder Familienstand immer wieder angegeben oder bestimmte Dokumente wie etwa die Geburtsurkunde vorgelegt werden.
Diese Aufwände sollen verringert dadurch werden, dass die jeweilige Behörde die Basisdaten zu einer natürlichen Person über die neu geschaffene Registermodernisierungsbehörde direkt abrufen kann.
Das Gesetz regelt auch die Bedingungen für den Datenaustausch: Dieser ist nur auf gesetzlicher Grundlage bzw. mit Zustimmung des Einzelnen möglich. Mehr Transparenz soll ein so genanntes Datencockpit schaffen, in dem Bürger zukünftig nachsehen können, welche Behörde welche Daten zu welchem Zweck verarbeitet hat.
Kein Zugriff auf Steuerdaten durch andere Behörden
Durch die Verwendung der Steuer-ID als einheitliches Identifikationsmerkmal bedeute keinen Zugriff auf die Steuerdaten, versichert die Bundesregierung: Die Steuer-Identifikationsnummer ist eine »nicht-sprechende« Identifikationsnummer, wird also zufällig erzeugt, enthält selbst keine Informationen über den Bürger und lässt aus sich heraus auch keine Rückschlüsse auf diesen zu. Das Aufsetzen auf der Steuer-Identifikationsnummer bedeutet also keinen Zugriff auf Steuerdaten.
Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Gefahr?
Kritik am Registermodernisierungsgesetz übt beispielsweise die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. In einer Pressemitteilung vom 25.2.2021 (PDF) warnt sie vor der Verabschiedung des Gesetzes und äußert verfassungsrechtliche Bedenken: Durch die Schaffung eines einheitlichen und verwaltungsübergreifenden Personenkennzeichens – auch in Verbindung mit einer entsprechenden Infrastruktur zum Datenaustausch – bestehe die Gefahr einer missbräuchlichen Verknüpfung personenbezogener Daten und der Erstellung umfassender Persönlichkeitsprofile. Das Bundesverfassungsgericht hab der Einführung derartiger Personenkennzeichen enge Schranken auferlegt, schreibt die Datenschutzkonferenz weiter.
Erinnerungen an das »Volkszählungsurteil« von 1983
Und tatsächlich werden hier Erinnerungen wach an das »Volkszählungsurteil« des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983.
Damals sollten auf Grundlage des »Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung« (Volkszählungsgesetz) sämtliche Einwohner der Bundesrepublik Deutschland gezählt und statistisch erfasst werden. Das Gesetz enthielt Vorschriften darüber, wie und mit welchem Inhalt die dazu vorgesehenen Befragungen durchgeführt werden sollten, was nach den Befragungen mit den gewonnenen Informationen geschehen sollte und wie und wofür sie verwendet werden sollten.
Zum Fragenkatalog gehörten damals etwa Fragen wie »Besitzen Sie die deutsche Staatsangehörigkeit?«, »Welchen Beruf üben Sie aus?« oder »Welche Verkehrsmittel nutzen Sie?«.
Die so erhobenen Daten sollten die wirtschaftliche, demografische und soziale Struktur der Gesellschaft in der Bundesrepublik offenlegen und Aufschluss darüber geben, wo politischer Handlungsbedarf besteht – beispielsweise im Straßen- und Wohnungsbau. Das führte zur Angst vor dem »Gläsernen Bürger« (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung).
Zahlreiche Betroffene wehrten sich und zogen vor das Bundesverfassungsgericht.
Dieses erklärte mit Urteil vom 15.12.1983 Teile der geplanten Volkszählung für verfassungswidrig und verlangte, die Regierung müsse ihr Vorhaben datenrechtlich anpassen. Das komplette Urteil können Sie auf der Internetseite des Bundesverfassungsgerichts nachlesen.
Das sogenannte »Volkszählungsurteil« gilt heute als Meilenstein in der Geschichte des Datenschutzes: Hier etablierte das Bundesverfassungsgericht erstmals das »Recht auf informationelle Selbstbestimmung«, abgeleitet aus den beiden ersten Artikeln des Grundgesetzes – der Menschenwürde und dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Tenor des Urteils: Jeder Mensch hat grundsätzlich das Recht, selbst darüber entscheiden zu dürfen, wer Daten von ihm erhebt, speichert, verwendet und weitergibt. Eingeschränkt werden darf dieses Recht laut Urteil nur zugunsten eines überwiegenden Allgemeininteresses.
Droht jetzt ein »Registermodernisierungs-Urteil«?
Vermutlich wird das jetzt auch beim Registermodernisierungsgesetz und der Verwendung der Steuer-Identifikationsnummer für neue, andere Zwecke Thema werden.
Wir sind gespannt, wie lange es dauert, bis die ersten Klagen anhängig sind!
(MB)