Wiedergeburt des Widerrufsjokers?
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Ein viel beachtetes Urteil fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 26.3.2020 zum Aktenzeichen C-66/19: Er kassierte die Widerrufsbelehrung einer deutschen Sparkasse, deren Wortlaut mit dem der meisten deutschen Banken und Sparkassen identisch ist.
Ein deutscher Staatsangehöriger finanzierte über seine Sparkasse seine Immobilie und wurde über sein bestehendes Widerrufsrecht belehrt. Hierbei nutzte die Sparkasse folgenden Wortlaut: "Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat …".
Der Darlehensnehmer widerrief den Vertrag und berief sich darauf, dass der Wortlaut der Belehrung ihn nicht hinreichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärte. Dies sah die Sparkasse naturgemäß anders, sodass der Verbraucher Klage erhob.
Das Landgericht Saarbrücken sah wegen der europarechtlichen Vorgaben des deutschen Widerrufsrechts die Möglichkeit, die Angelegenheit dem obersten europäischen Gericht vorzulegen, um strittige Fragen im Sinne des Europarechts zu entscheiden.
Der EuGH kam nun in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass die Information zur Berechnung der Widerrufsfrist in klarer, prägnanter Form anzugeben ist. Eine Verweisung in der Widerrufsbelehrung auf Vorschriften des nationalen Rechts genügt diesen Anforderungen nicht. Der von den Fachleuten als Kaskadenverweis bezeichnete Verweis ist demnach unwirksam.
Ist somit wieder die Möglichkeit des sogenannten Widerrufsjokers, insbesondere bei Immobiliendarlehen, eröffnet? So einfach ist die Sache nicht, denn der Bundesgerichtshof entschied im November 2016, dass ebendiese Widerrufsbelehrung klar und verständlich sei (Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15).
Die Entscheidung erging zu einem Immobiliendarlehen. Es erscheint nun wenig wahrscheinlich, dass das oberste deutsche Gericht diese Rechtsauffassung aufgibt, gerade weil die den deutschen Vorschriften zugrunde liegende europäische Richtlinie Immobiliendarlehen explizit von ihrem Geltungsbereich ausnimmt.
Die Entscheidung des EuGH ist auf jeden Fall bedeutsam für alle Autokredite oder Leasingverträge von Verbrauchern. Aber auch bei Immobiliendarlehen ist sie geeignet, zumindest die Verhandlungsposition gegenüber den Banken und Sparkassen zu verbessern.
(MS)