Wann kommt es zur Doppelbesteuerung?
Bis 2004 wurden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus dem bereits versteuerten Nettoeinkommen der Arbeitnehmer bezahlt. Im Gegenzug fiel später für die Rentenzahlungen keine Steuer mehr an.
Aus dem Umstellungsprozess von der vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung von Renten kann sich eine Doppelbesteuerung ergeben.
Wechsel zur nachgelagerten Besteuerung und Übergangszeit
Durch das Alterseinkünftegesetz wird seit 2005 das System der Rentenbesteuerung auf die nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Konkret heißt das:
- Rentenbezüge werden schrittweise steuerpflichtig.
- Rentenbeiträge, die während des Arbeitslebens in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt werden, können in der Steuererklärung geltend gemacht und als Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich abgesetzt werden.
Die Neuregelung umfasst insbesondere die sogenannte Basisversorgung. Dazu gehören
- die gesetzliche Rentenversicherung,
- die landwirtschaftlichen Alterskassen,
- berufsständische Versorgungseinrichtungen (zum Beispiel Ärzteversorgung) und
- die sogenannte Rürup-Rente.
Wie hoch der steuerpflichtige Anteil (sog. Besteuerungsanteil) ist, also: wie viel von der Rentenzahlung der Einkommensteuer unterliegt, hängt ab vom Jahr des Rentenbeginns. 2005 lag der Besteuerungsanteil der gesetzlichen Rente bei 50%; seitdem steigt er schrittweise an, bis er zum Beispiel bei einem Renteneintritt im Jahr 2023 bei 83% liegt.
2040 ist diese Übergangsphase beendet: Wer ab 2040 in Rente geht, muss 100% der Rente versteuern.
Im Gegenzug werden die Rentenbeiträge stufenweise steuerfrei gestellt – allerdings mit einer Deckelung der Altersvorsorgeaufwendungen nach oben (2023: maximal 26.528 Euro bei Einzelveranlagung bzw. maximal 53.056 Euro für zusammen veranlagte Ehepaare).
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Vorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung
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Wen betrifft die Doppelbesteuerung?
Die mögliche Doppelbesteuerung kann vor allem Rentner betreffen, die während des Systemwechsels von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Rentenbesteuerung in Rente gehen: Wer als Rentner nicht mindestens so hohe Auszahlungen steuerfrei erhält, wie er während seines Arbeitslebens steuerpflichtig in die gesetzliche Rentenkasse einbezahlt hat, zahlt doppelt Steuern.
Konkret kommt es zur Doppelbesteuerung (Zweifachbesteuerung), wenn mehrere, aber nicht zwangsläufig alle, dieser Voraussetzungen erfüllt sind:
- du bist erst vor Kurzem in Rente gegangen,
- du warst selbstständig tätig, hast also keine steuerfreien Arbeitgeberanteile erhalten,
- du bist unverheiratet,
- du bist männlich, denn dann ist deine statistische Lebenserwartung kürzer.
Tipp Ehemalige Arbeitnehmer sind eher nicht von einer Zweifachbesteuerung der Rente betroffen. Letztendlich kommt es aber natürlich immer auf den individuellen Fall und die individuelle Erwerbsbiographie an.
Wie kann man sich gegen die Doppelbesteuerung der Rente wehren?
Gegen die Doppelbesteuerung von eingezahlten Rentenbeiträgen und darauf beruhenden Rentenzahlungen kann man sich erst dann wehren, wenn man in Rente geht – vorher ist man nicht betroffen, sagt der BFH.
Man kann aber bereits bei Beginn des Rentenbezugs dagegen vorgehen – es darf nicht unterstellt werden, dass am Anfang zunächst nur solche Rentenzahlungen geleistet werden, die sich aus steuerentlasteten Beiträgen speisen. Das hat der BFH klar und deutlich entschieden (BFH-Urteil vom 21.6.2016, Az. X R 44/14).
Wer gegen die zweifache Versteuerung vorgehen möchten, muss nachweisen, dass eine solche im konkreten Fall vorliegt. Wenn das gelingt, kann aus verfassungsrechtlichen Gründen »ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase« gewährt werden.
Das sind jedoch gleich zwei Probleme:
- Den Nachweis muss der Steuerzahler/Rentner bringen – und das ist nicht unbedingt einfach.
- Wie eine Milderung des Steuerzugriffs konkret aussieht, ist nirgends definiert.
Welche Urteile gibt es zur Renten-Doppelbesteuerung?
Ende Mai 2021 wurden die lang ersehnten wegweisenden BFH-Urteile zur Doppelbesteuerung von Renten veröffentlicht. In beiden Fällen wurde inzwischen beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. 2 BvR 1143/21 und 2 BvR 1140/21).
Worum es in den Renten-Urteilen des Bundesfinanzhofs geht, wen sie betreffen und welche Auswirkungen sie auf deinen Steuerbescheid haben, erklären wir in den folgenden Abschnitten.
Steuerbescheide ergehen jetzt hinsichtlich der »Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung« vorläufig – und zwar bei sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2005, in denen eine Leibrente oder eine andere Leistung aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Einkommensteuergesetz (EStG) erfasst wird. Das hat das Bundesfinanzministerium mit BMF-Schreiben vom 30.8.2021 bekannt gegeben.
Tipp Ein Vorläufigkeitsvermerk bewirkt, dass der Einkommensteuerbescheid insoweit so lange offen bleibt, bis über den Streitpunkt endgültig entschieden wurde. Betroffene profitieren daher automatisch von positiven Urteilen und haben bei negativem Ausgang keine Nachteile zu befürchten. Ziehen sich die Verfahren über Jahre hin, wird die Steuererstattung verzinst.
Bei der Doppelbesteuerung von Renten gilt dabei jedoch eine Besonderheit, denn eine Überprüfung durch die Finanzämter ohne Mitwirkung der betroffenen Steuerpflichtigen ist nicht möglich. Daher wird in Steuerbescheiden, die den Vorläufigkeitsvermerk enthalten, zusätzlich folgender Hinweis aufgenommen:
»Wichtiger Hinweis: Sollte nach einer künftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Seite 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuerbescheid nicht ändern, weil mir nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen.«
Das steht in den BFH-Urteilen
Wegweisend dürfte vor allem das Urteil vom 19.5.2021, Az. X R 33/19 sein. Darin wurde konkret darüber verhandelt, wie die Summe der steuerfreien Rentenbezüge konkret berechnet werden muss:
- Die Bundesregierung rechnet neben dem Rentenfreibetrag auch den steuerlichen Grundfreibetrag und selbst getragene Krankenversicherungsbeiträge und Pflegeversicherungsbeiträge mit ein. Begründung: Der Grundfreibetrag sichert das Existenzminimum für alle Bürger, nicht nur für Rentner. Deshalb muss er in die Berechnung mit einbezogen werden.
- Die Kläger hielten es für falsch, den Grundfreibetrag bei der Berechnung der nicht versteuerten Rentenbezüge einzubeziehen.
Es geht dabei nicht um die Besteuerung der Renten nach der Umstellungsphase von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Besteuerung, also die Besteuerung ab dem Jahr 2040. Es geht nur um die Besteuerung während der Übergangsphase und die Frage, ob es dabei zu einer Doppelbesteuerung kommt.
Die Revision wurde zurückgewiesen, es liegt keine Doppelbesteuerung (Zweifachbesteuerung) der Rente vor. Der Bundesfinanzhof hält die Übergangsregelung an sich weiterhin für verfassungsmäßig, neue Argumente dagegen seien vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht erkennbar.
Erstmals wurde aber vom Gericht eine konkrete Berechnungsformel festgelegt für die Ermittlung, ob eine doppelte Besteuerung einer Rente vorliegt.
Dabei wurde klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.
Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als »steuerfreien Rentenbezug« in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings unberücksichtigt. Das bedeutet, dass insbesondere auch der Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung unberücksichtigt bleibt.
Ebenfalls unberücksichtigt bleiben der Sonderausgabenabzug für die selbst getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, der Werbungskosten-Pauschbetrag (der bei Rentnern 102 Euro beträgt) sowie der Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 Euro.
Insgesamt stellt das Gericht fest, dass nach dieser Berechnungsformel künftige Rentner häufiger von einer doppelten Besteuerung betroffen sein werden. Gegenwärtige Rentnerinnen und Rentner betrifft dies nur in Einzelfällen.
Berechnung nach dem Nominalwertverfahren
Es gilt: Eine doppelte Besteuerung ist nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlich zufließenden Rentenbeiträge mindestens so hoch ist wie die eingezahlten Beiträge. Zur Berechnung wird dabei das sog. Nominalwertverfahren angewendet. Dabei wird die Summe der steuerlich nicht entlasteten Beitragszahlungen der Summe der steuerfreien Renteneinnahmen gegenübergestellt.
Als Rentenbezüge werden bereits erhaltene sowie nach der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartende Rentenzahlungen berücksichtigt. Verglichen wird also die Summe der steuerlich belasteten Altersvorsorgeaufwendungen mit der Summe der zu erwartenden steuerfreien Rentenbezüge. Sind die steuerlich belasteten Altersvorsorgeaufwendungen höher, liegt eine doppelte Besteuerung vor.
Inflation wird nicht berücksichtigt: Der Auffassung der Kläger im Verfahren X R 33/19, nach der die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Bezug der Rente eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen sei, folgte der Bundesfinanzhof nicht.
Für eine solche Abweichung vom sog. Nominalwertprinzip sah er weder im Einkommensteuerrecht noch im Verfassungsrecht eine Grundlage. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen – besteuert werden.
Private Renten: Keine Doppelbesteuerung möglich
Im BFH-Urteil vom 19.5.2021, Az. X R 20/19, wurde die Revision ebenfalls zurückgewiesen, es liegt keine Doppelbesteuerung (Zweifachbesteuerung) der Renten vor.
Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder Rürup-Rente sind nach Auffassung des Gerichts auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht – wie von den Klägern begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen. Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung.
Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (private Renten) werden – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert. Hier kann der Bundesfinanzhof im Urteil X R 20/19 keine doppelte Besteuerung feststellen.
Genau gesagt: Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.
Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwillig gesetzlich rentenversichert. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung.
Die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente sind, so der BFH im aktuellen Urteil, als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern. Dass die Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, sei unerheblich.
Öffnungsklausel nur auf Antrag
Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme hatte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel angewendet. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die Rürup-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz.
Das hatte der Kläger hier aber gar nicht beantragt. Die Öffnungsklausel hätte hier also gar nicht angewendet werden dürfen.
Trotzdem blieb die Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten: Die ihm durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre.
Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offen bleiben.
Berücksichtigung der Hinterbliebenenrente
Der BFH stellte zudem klar, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.
Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren – bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen – Witwenrente der Ehefrau des Klägers zu berücksichtigen.
Wen betreffen diese Rentenurteile?
Auch der Bundesfinanzhof entscheidet immer nur über Einzelfälle. Das bedeutet für die hier beschriebenen Urteile: Bei der Entscheidungsfindung werden die individuellen Situationen der Kläger betrachtet und geprüft, ob im konkreten Einzelfall eine doppelte Besteuerung vorliegt.
Tipp Das bedeutet aber nicht, dass die Entscheidungen für alle außer den konkret Beteiligten egal sind – im Gegenteil! Viele Entscheidungen sind über den Einzelfall hinaus bedeutsam und für die Finanzverwaltung bindend. Das Finanzamt muss sich dann bei anderen Steuerzahlern an die Entscheidung des Bundesfinanzhofs halten.
Diese Entscheidungen werden im vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Teil II des Bundessteuerblatts veröffentlicht.
Das wird – so vermuten wir – auch mit diesen Urteilen passieren, sodass diese nicht nur für die klagenden Steuerzahler Bedeutung haben, sondern für alle.
Tipp Das Gericht entscheidet ausdrücklich nicht über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung aller Rentnerinnen und Rentner! Es entscheidet auch nicht über die Rechtmäßigkeit der Rentenbesteuerung für Rentnerjahrgänge ab 2040, die ihre Renten voll zu versteuern haben, ihre Beiträge hierfür aber nur in den Jahren 2025 bis 2039 bis zum gesetzlichen Höchstbetrag ohne prozentuale Beschränkung abziehen konnten.
Konkret betroffen sind gesetzlich Rentenversicherte, die 48 Jahre alt oder jünger sind. Sie bekommen keinen Rentenfreibetrag mehr, haben aber jahrelang Beiträge aus ihrem versteuerten Einkommen in die Rentenkasse eingezahlt.
Die vorsitzende Richterin des entscheidenden 10. Senats des BFH präzisierte dazu:
- Selbstständige werden stärker betroffen sein als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da sie ihre Rentenversicherungsbeiträge in voller Höhe selbst tragen und versteuern müssen.
- Männer werden stärker betroffen sein als Frauen, da sie eine kürzere Lebenserwartung haben.
- Ledige werden stärker betroffen sein als Verheiratete, da bei Unverheirateten nicht auch die Freibeträge des Partners bzw. der Partnerin berücksichtigt werden müssen.
Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Das Bundesfinanzministerium kündigte schnell an, die Rentenbesteuerung ändern zu wollen. Und tatsächlich wurde die eigentlich erst ab dem 1.1.2025 vorgesehene volle Absetzbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen auf den 1.1.2023 vorgezogen. Somit sind Rentenversicherungsbeiträge bereits ab 2023 zu 100 % als Sonderausgaben absetzbar (statt zu 96 %). Den Höchstbetrag für Altersvorsorgeaufwendungen gibt es aber weiterhin.
Hintergrund: Ausgangssituation und zu klärende Streitfragen
In beiden Verfahren ging es um die Frage, ob eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung der Renteneinkünfte vorlag. Was erst einmal ähnlich klingt, stellte sich in vielen Einzelheiten allerdings sehr unterschiedlich dar.
BFH-Verfahren Az. X R 33/19, Vorinstanz: Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.10.2019, Az. 8 K 3195/16
Situation:
Der Kläger war als Angestellter zunächst in der Rentenversicherung pflichtversichert. Er blieb dies auf Antrag auch während seiner späteren Tätigkeit als Freiberufler. Er bezieht seit Ende des Jahres 2007 eine gesetzliche Altersrente, die das beklagte Finanzamt im Streitjahr 2008 mit dem Besteuerungsanteil von 54 % berücksichtigte.
Im Hinblick auf seine hohen Beitragsleistungen in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sogenannte Öffnungsklausel an. Sie ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen für einen Teil der Altersrente die steuerlich günstigere Ertragsanteilsbesteuerung beanspruchen zu können. Im Streitfall führte das dazu, dass knapp die Hälfte der gesetzlichen Rente mit einem Ertragsanteil von nur 20 % erfasst wurde. Die Rürup-Renten wurden mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz gebracht.
Im Verfahren zu klärende Fragen:
- Kommt es bei einem Steuerpflichtigen, der in der Einzahlungsphase als freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherter Selbständiger langjährig den jeweiligen Höchstbeitrag gezahlt, keinen steuerfreien Arbeitgeberanteil erhalten hat und dessen Vorsorgeaufwendungen-Vorwegabzüge durch die Anrechnung der steuerfreien Arbeitgeberanteile des Ehegatten weitestgehend aufgezehrt wurden, durch das Alterseinkünftegesetz bei einem Renteneintritt im Jahr 2007 zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung?
- Darf bei der Ermittlung der in den Jahren bis 2004 aus versteuertem Einkommen geleisteten Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung der steuerlich abzugsfähige Höchstbetrag der Sonderausgaben für Vorsorgeaufwendungen gleichrangig nach Maßgabe aller Sozialversicherungsbeiträge aufgeteilt werden?
- Ist die Lebenserwartung der jüngeren Ehefrau im Hinblick auf eine ihr möglicherweise künftig zufließende Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen?
- Ist der für die Veranlagungszeiträume bis 2004 gewährte Sonderausgabenabzug zwischen den Ehegatten gleichmäßig im Verhältnis der von ihnen geleisteten und geltend gemachten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen und dann der anteilig auf die Rentenversicherungsbeiträge des betroffenen Ehegatten entfallende Anteil am Sonderausgabenabzug zu ermitteln oder ist eine hälftige Aufteilung des Vorwegabzugs sachgerecht?
BFH-Verfahren Az. X R 20/19, Vorinstanz: Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28.05.2018, Az. 7 K 2456/14
Situation:
Der Kläger war freiberuflich tätig und daher Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Außerdem blieb er freiwillig gesetzlich rentenversichert. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere Rürup-Renten und zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten.
Im Hinblick auf seine hohen Beitragsleistungen in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sogenannte Öffnungsklausel an. Sie ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen für einen Teil der Altersrente die steuerlich günstigere Ertragsanteilsbesteuerung beanspruchen zu können. Im Streitfall führte das dazu, dass knapp die Hälfte der gesetzlichen Rente mit einem Ertragsanteil von nur 20 % erfasst wurde. Die Rürup-Renten wurden mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz gebracht.
Im Verfahren zu klärende Fragen:
- Ist eine Leibrente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung abweichend von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Einkommensteuergesetz (EStG) nur mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a Doppelbuchst. bb EStG zu besteuern, wenn der Steuerpflichtige neben seinen verpflichtenden Beitragszahlungen in ein berufsständisches Versorgungswerk freiwillig Beiträge in eine gesetzliche Rentenversicherung erbringt, allerdings bereits die Beitragszahlungen in das berufsständische Versorgungswerk den Sonderausgabenabzug erschöpfen, so dass die Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung als aus versteuertem Einkommen erbracht anzusehen wären?
- Sind Beiträge in ein berufsständisches Versorgungswerk hierbei als stets vorrangig anzusehen?
- Kann der Steuerpflichtige zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von Beitragszahlungen und Rentenbezügen - auch und gerade in Fällen einer Höherversicherung - nach Maßgabe von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG die Anwendung der Öffnungsklausel beantragen?
- Kann sich bei Renten aus privaten Versicherungsverträgen, die nicht der Basisvorsorge i.S. der "ersten Schicht" dienen und daher - steuerlich günstiger - gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem Ertragsanteil zu besteuern sind, systematisch überhaupt das Problem einer doppelten Besteuerung stellen?
- Sind Bardividenden in die Ertragsanteilsbesteuerung mit einzubeziehen und - wenn ja - mit welchem Ertragsanteil?
Auslöser: Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur unterschiedlichen Besteuerung von Pensionen und Renten
2002 hat das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten für verfassungswidrig erklärt (BVerfG, Urteil 6.3.2002, Az. 2 BvL 17/99). Es musste also eine neue Regelung geschaffen werden.
Dazu stellte das Bundesverfassungsgericht gleich klar: »In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.«
Einfacher ausgedrückt: Eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung muss vermieden werden.