Vorsteuerabzug bei Istversteuerung: Deutsches UStG verstößt gegen EU-Recht
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Ein Leistungsempfänger kann den Vorsteuerabzug auch dann im Voranmeldungszeitraum des Leistungsbezugs beanspruchen, wenn der leistende Unternehmer als Istversteuerer die Umsatzsteuer erst in einem späteren Voranmeldungszeitraum an das Finanzamt abführen muss. Zumindest noch, denn der EuGH ist hier anderer Meinung.
Die Vorsteuer, die Ihnen ein anderer Unternehmer in Rechnung stellt, wird Ihnen vom Finanzamt erstattet, wenn Sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Voraussetzung dafür ist nach dem UStG unter anderem, dass die Leistung ausgeführt wurde und Sie im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung sind. Dies gilt unabhängig davon, ob Sie oder der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten (Sollbesteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung) abführen.
Damit kann der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug auch dann im Voranmeldungszeitraum des Leistungsbezugs beanspruchen, wenn der leistende Unternehmer als Istversteuerer die Umsatzsteuer erst in einem späteren Voranmeldungszeitraum an das Finanzamt abführen muss.
Darum ging es vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH)
Nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH dürfte sich dies in Zukunft aber ändern (Urteil des EuGH vom 10.2.2022, Az. C-9/20 »Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136«). In dem entschiedenen Fall hatte die klagende Grundstücksgemeinschaft ein Gewerbegrundstück umsatzsteuerpflichtig vermietet, welches sie selbst umsatzsteuerpflichtig angemietet hatte. Sowohl die Grundstücksgemeinschaft als auch die Vermieterin versteuerten ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. Aufgrund einer Stundung der Miete zahlte die Grundstücksgemeinschaft die Miete für die Jahre 2009 bis 2012 erst in den Jahren 2013 bis 2016. Der Vorsteuerabzug wurde entsprechend den Zahlungszeitpunkten in den Umsatzsteuererklärungen 2013 bis 2016 geltend gemacht.
Nach einer Prüfung kürzte das Finanzamt diese Vorsteuerbeträge mit der Begründung, dass die Vorsteuer nicht erst bei Zahlung, sondern bereits in dem Zeitpunkt geltend zu machen sei, zu dem Leistung bezogen wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliege. Es ordnete die Vorsteuer daher den Jahren 2009 bis 2012 zu, die aber wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung teilweise nicht mehr geändert werden konnten. Damit ging der Grundstücksgemeinschaft der Vorsteuerabzug teilweise verloren. Sie klagte hiergegen vor dem Finanzgericht Hamburg und berief sich auf eine dem deutschen UStG widersprechende Regelung in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug dann entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
Die Richter des FG Hamburg legten den Fall dem EuGH vor, der nun zugunsten der klagenden Grundstücksgemeinschaft entschieden hat. Die Regelung im deutschen UStG widerspreche der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Dadurch werde die Unternehmerin benachteiligt und könne sich unmittelbar auf das günstigere EU-Recht berufen und sich die Vorsteuer in dem Voranmeldungszeitraum erstatten lassen, in dem die Zahlung erfolgt sei. Denn erst dann entstehe die Zahlungsverpflichtung beim leistenden Unternehmer.
Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil
Die Entscheidung des EuGH wird dazu führen, dass der Gesetzgeber die Regelungen zum Vorsteuerabzug anpassen wird. Hierbei wird er auch das Problem lösen müssen, dass der Leistungsempfänger in der Regel nicht weiß, ob der leistende Unternehmer Ist- oder Sollversteuerer ist.
Bis zur Neuregelung des Vorsteuerabzugs können Sie die Ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer weiterhin nach den bisherigen Grundsätzen als Vorsteuer abziehen. Denn Sie können sich entweder auf die geltende deutsche Rechtslage oder auf das günstigere EU-Recht berufen. Sofern das Finanzamt Ihnen Vorsteuerbeträge kürzen möchte, weil Sie diese erst im Zeitpunkt der Zahlung berücksichtigt haben, sollten Sie gegen die Steuerfestsetzungen Einspruch einlegen und auf die Rechtsprechung des EuGH verweisen.
Ratgeber rund um Umsatzsteuer, Vorsteuer und Istversteuerung
(AI)