Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
VIII – Haftung → V 38 – Haftungsverfahren
Abschnitt V 38.1 DA-KG – Allgemeines
(1) 1Wer kraft Gesetzes für einen Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 AO). 2Der Haftungsschuldner hat persönlich und unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen für die Erfüllung des Haftungsanspruchs einzustehen. 3Im Aufgabenbereich der Familienkassen kommen als Haftungstatbestände die Haftung des Vertreters gem. §§ 69, 34, 35 AO (V 39.1) oder die des Steuerhinterziehers gem. § 71 AO (V 39.2) in Betracht.
(2) 1Der Haftungsanspruch entsteht, sobald der Haftungstatbestand verwirklicht ist. 2Er entsteht jedoch nicht vor Entstehung des Erstattungsanspruchs, für den der Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden soll. 3In Fällen von zu Unrecht gezahltem Kindergeld entsteht der Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO grundsätzlich erst mit Aufhebung der Kindergeldfestsetzung. 4Es genügt nicht, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf Kindergeld bestand. 5Die Sätze 2 bis 4 gelten nicht in Fällen einer Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO (V 39.2).
(3) 1Durch den Haftungsbescheid wird zwischen dem Haftungsschuldner und dem Schuldner des Erstattungsanspruchs ein Gesamtschuldverhältnis begründet (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). 2Jeder der Gesamtschuldner schuldet die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). 3Die Erfüllung des Anspruchs durch einen der Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner (§ 44 Abs. 2 Satz 1 AO).
(4) 1Die Haftungsschuld ist abhängig vom Erstattungsanspruch (Akzessorietät). 2Der Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld muss daher im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme noch existent sein. 3Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen, soweit die Kindergeldfestsetzung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr aufgehoben werden kann, Zahlungsverjährung eingetreten ist oder die Schuld erlassen wurde (§ 191 Abs. 5 Satz 1 AO). 4Dies gilt gem. § 191 Abs. 5 Satz 2 AO nicht in Fällen einer Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO (V 39.2).
(5) 1Gem. § 219 Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner grundsätzlich nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners des Erstattungsanspruchs ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde (Subsidiarität). 2Die Einschränkung des § 219 Satz 1 AO bezieht sich auf die Inanspruchnahme durch Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot), nicht hingegen auf den Erlass des Haftungsbescheides. 3Ein Haftungsbescheid ohne Leistungsgebot kann daher auch erlassen werden, bevor die Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO vorliegen. 4In Fällen einer Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO gilt die Einschränkung des Satzes 1 nicht (§ 219 Satz 2 AO), es kann jedoch der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entsprechen, sich zunächst an den Schuldner des Erstattungsanspruchs zu halten.