Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
VI. – Abzweigung und Erstattung → V 34 – Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG
Abschnitt V 34.2 DA-KG – Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG bei nachrangigen Leistungen
(1) 1Eine Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfordert grundsätzlich, dass ein Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes für einen Zeitraum in der Vergangenheit besteht, für den ein Sozialleistungsträger bei nachrangiger Leistungsverpflichtung
dem Berechtigten selbst,
dem Berechtigten für seine Kinder bzw.
den Kindern unmittelbar
Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes erbracht hat. 2Ein Anspruch des Sozialleistungsträgers auf Erstattung von nachträglich festgesetztem Kindergeld setzt voraus, dass das Kindergeld zum Einkommen der Hilfeempfänger gehört, denen der Sozialleistungsträger Leistungen erbracht hat (vgl. BFH vom 17.4.2008, III R 33/05, BStBl 2009 II S. 919). 3Kindergeld für Kinder, die nicht im Haushalt des Berechtigten leben, gehört zum Einkommen des Kindergeldberechtigten, es sei denn, das Kindergeld wäre an das Kind abzuzweigen oder würde dem Kind zumindest tatsächlich zufließen. 4In diesem Fall gehört es zum Einkommen des Kindes.
Beispiel 1 (Sozialleistungen für den Berechtigten)
Der kindergeldberechtigte Vater erhält seit Juli Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Das Kind lebt in einer eigenen Wohnung. Die Familienkasse setzt im November rückwirkend Kindergeld ab Juli fest. Für den Zeitraum von Juli bis November hat der Sozialleistungsträger wegen der für den Vater erbrachten Leistungen einen Erstattungsanspruch geltend gemacht.
Das Kindergeld gehört zum Einkommen des Kindergeldberechtigten. Es ist für den Zeitraum von Juli bis November an den Sozialleistungsträger zu erstatten. Dies gilt unabhängig davon, ob das Kind selbst Leistungen nach dem SGB II bezieht.
Beispiel 2 (Sozialleistungen für das Kind)
Das in einer eigenen Wohnung lebende Kind erhält seit Juli Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die kindergeldberechtigte Mutter erhält seitdem ebenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Kindergeld wurde weder bei den Leistungen an die Kindergeldberechtigte noch bei den Leistungen an das Kind angerechnet. Die Familienkasse setzt im November rückwirkend Kindergeld ab Juli fest. Für den Zeitraum von Juli bis November hat der Sozialleistungsträger wegen der für das Kind erbrachten Leistungen einen Erstattungsanspruch geltend gemacht.
Das Kindergeld gehört zum Einkommen der Kindergeldberechtigten. Ein Erstattungsanspruch wegen Leistungen nach dem SGB II für das Kind besteht daher nicht.
Variante
Die Festsetzung des Kindergeldes erfolgt aufgrund einer Antragstellung im berechtigten Interesse nach § 67 Satz 2 EStG mit einem damit verbundenen Abzweigungsantrag des Kindes.
In diesem Fall ist das Kindergeld als Einkommen des Kindes zu betrachten, Kindergeld ist dem Sozialleistungsträger wegen der für das Kind gewährten Leistungen zu erstatten.
Beispiel 3 (Sozialleistungen für das Kind)
Das Kind lebt in einer eigenen Wohnung und erhält seit Juli Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Kindergeldberechtigte selbst bezieht keine Leistungen. Die Familienkasse setzt im November rückwirkend Kindergeld ab Juli fest. Für den Zeitraum von Juli bis November hat der Sozialleistungsträger wegen der für das Kind erbrachten Leistungen einen Erstattungsanspruch geltend gemacht.
Das Kindergeld gehört nicht zum Einkommen des Kindes. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht.
Die Variante zu Beispiel 2 gilt entsprechend.
5Für aktuelle Anspruchszeiträume ist eine Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, da der Leistungsträger das Kindergeld unmittelbar bei seiner Leistungserbringung berücksichtigen kann. 6Ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt ferner Gleichartigkeit der Leistungen voraus. 7Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Sozialleistungen, für die der Leistungsträger die Erstattung begehrt, demselben Zweck wie das Kindergeld dienen. 8Das Kindergeld dient nach § 31 Satz 1 und 2 EStG der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes sowie der Förderung der Familie (vgl. O 1.1). 9Es ist somit zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs des Kindergeldberechtigten oder des Kindes bestimmt. 10Gleichartigkeit liegt z. B. bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, dem Arbeitslosengeld II und den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vor, nicht jedoch bei der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. 11Die Leistungen der Jugendhilfeträger sind von einem maßnahmebezogenen Zweck geprägt. 12Aufgabe der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ist es - im Unterschied zum Kindergeld -, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft einzugliedern (§§ 90 ff. SGB IX).
(2) 1Nach § 33b BVG erhalten Schwerbeschädigte für jedes Kind einen Kinderzuschlag in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes, wenn für das betreffende Kind kein Ansprach auf Kindergeld bzw. rentenrechtliche Kinderzulage oder Kinderzuschuss besteht. 2Wird Kindergeld rückwirkend für einen Zeitraum zuerkannt, für den bereits Kinderzuschläge nach dem BVG gezahlt worden sind, steht diese Nachzahlung gem. § 7 1b BVG i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X dem Träger der Kriegsopferversorgung zu. 3Der Träger der Kriegsopferversorgung hat deshalb nach § 74 Abs. 2 EStG einen Erstattungsansprach gegenüber der Familienkasse. 4Wird der Familienkasse bekannt, dass der Berechtigte Kinderzuschläge nach dem BVG bezieht, ist das zuständige Versorgungsamt über Höhe und Beginn des festgesetzten Kindergeldes zu unterrichten und unter Fristsetzung um Bekanntgabe der Höhe des Erstattungsanspruchs zu ersuchen.