Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG)
I. – Anspruchsberechtigte → A 4 – Kindergeldanspruch für Ausländer
Abschnitt A 4.2 DA-KG – Freizügigkeitsberechtigte Ausländer
(1) 1Die Erfordernisse nach § 62 Abs. 2 EStG gelten nicht für freizügigkeitsberechtigte Ausländer. 2Dabei handelt es sich um Staatsangehörige der EU- bzw. EWR-Staaten und ihre Familienangehörigen, deren Rechtsstellung vom FreizügG/EU erfasst ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU). 3Dies gilt für Staatsangehörige der Schweiz entsprechend. 4Zur EU bzw. zum EWR gehören neben der Bundesrepublik Deutschland folgende Staaten: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
(2) 1Britische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bereits vor dem 1.1.2021 in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der EU begründet haben, stehen nach dem Austrittsabkommen EU/VK einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger gleich. 2Dies gilt grundsätzlich, bis der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der EU aufgegeben wird. 3Hingegen müssen britische Staatsangehörige, die ihren inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt erst nach dem 31.12.2020 begründet haben, die Erfordernisse des § 62 Abs. 2 EStG erfüllen.
(3) 1Grundsätzlich ist bei Staatsangehörigen der EU- bzw. EWR-Staaten und der Schweiz von der Freizügigkeitsberechtigung auszugehen. 2Werden einer Familienkasse im Einzelfall konkrete Umstände bekannt, aufgrund derer Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung bestehen, wendet sie sich zwecks Überprüfung an die Ausländerbehörde. 3Solche Umstände können vorliegen, wenn der Berechtigte ohne Daueraufenthaltsrecht nicht erwerbstätig ist bzw. seinen Lebensunterhalt allein durch Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII sichert. 4Ferner können Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung auch in Fällen der Verwendung von gefälschten oder verfälschten Dokumenten oder bei Vorspiegelung falscher Tatsachen - etwa über ein tatsächlich nicht bestehendes Arbeitsverhältnis, einen tatsächlich nicht bestehenden Wohnsitz oder eine tatsächlich nicht bestehende familiäre Lebensgemeinschaft - bestehen. 5Ergibt die Abstimmung mit der Ausländerbehörde das Vorliegen der Freizügigkeitsberechtigung, ist bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen Kindergeld für sechs Monate befristet festzusetzen. 6Zum Ende des Zeitraums der befristeten Festsetzung ist das Fortbestehen des Anspruchs zu überprüfen und Kindergeld ggf. für weitere sechs Monate festzusetzen. 7Stellt sich heraus, dass die Freizügigkeitsberechtigung nicht besteht, hat die Familienkasse zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG vorliegen. 8Zur Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts nach dem FreizügG/EU sind ausschließlich die Ausländerbehörden befugt (vgl. BFH vom 15.3.2017, III R 32/15, BStBl II S. 963).
(4) 1Für Zeiträume ab August 2019 besteht für Berechtigte mit EU- bzw. EWR-Staatsangehörigkeit nach § 62 Abs. 1a EStG für die ersten drei Monate nach Begründung eines Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland grundsätzlich kein Kindergeldanspruch. 2Dies gilt nicht, wenn inländische Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt werden. 3Für Zeiträume ab dem vierten Monat nach Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes besteht ein Kindergeldanspruch, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder 3 des FreizügG/EU vorliegen. 4Für Arbeitsuchende i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. la FreizügG/EU besteht für Zeiträume ab dem vierten Monat nur ein Kindergeldanspruch, wenn vorher eine andere der in § 2 Abs. 2 des FreizügG/EU genannten Voraussetzungen erfüllt war. 5Die Prüfungskompetenz hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1a EStG i. V. m. § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU im Rahmen der Prüfung des geltend gemachten Kindergeldanspruchs obliegt der Familienkasse. 6Die Familienkasse hat die zuständige Ausländerbehörde über die ablehnende Entscheidung zu informieren. 7Eine Entscheidung über das Bestehen des Freizügigkeitsrechts selbst trifft die Familienkasse jedoch nicht.
(5) 1Wird einer Familienkasse aufgrund einer Meldung gem. § 18f AZRG bekannt, dass bei einem im Ausländerzentralregister geführten Unionsbürger das Nichtbestehen oder der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 7, § 5 Abs. 4 oder § 6 Abs. 1 FreizügG/EU gespeichert wurde, hat sie den Sachverhalt unter Beteiligung der zuständigen Ausländerbehörde aufzuklären. 2Ergibt die Prüfung, dass die Meldung zweifelsfrei einem Berechtigten zugeordnet werden kann, und bestätigt die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen oder den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 7, § 5 Abs. 4 oder § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, hat die Familienkasse zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG vorliegen. 3Sind auch die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 2 EStG nicht erfüllt, ist die Kindergeldfestsetzung ab dem Folgemonat der Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts aufzuheben.
(6) Gem. V 1.5.2 ist in diesen Fällen die Familienkasse der BA für die Festsetzung und die Auszahlung des Kindergeldes zuständig.