Gesetzliche Erbfolge

In Deutschland gilt eine gesetzliche Erbfolge, die viele nicht kennen und die automatisch eintritt, wenn kein Testament vorliegt. Das kann manchmal zu unangenehmen Überraschungen führen.


Wer Erbe ist, ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften (§§ 1924 ff., 2064 ff. BGB) oder kann testamentarisch durch den Erblasser bestimmt werden.


Vom Erben ist der Pflichtteilsberechtigte abzugrenzen, dem aufgrund gesetzlicher Bestimmungen auch ohne testamentarische Verfügung ein Pflichtteil vom Vermögen des Erblassers zusteht.


Als Abkömmlinge gelten neben den leiblichen Kindern sowie den leiblichen Verwandten auch Adoptivkinder. Bei Adoption erlöschen bisherige Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes. An deren Stelle treten die neuen Verwandtschaftsverhältnisse. Ebenfalls erbberechtigt und den leiblichen Kindern gleichgestellt sind nichteheliche Kinder.


Definition: Was bedeutet »Erb­folge«?

Der Begriff »Erbfolge« besagt, wer nach dem Tod einer Person deren Erben sein sollen. Man unterscheidet zwischen der sogenannten gewillkürten und der gesetzlichen Erbfolge.


  • Bei der gewillkürten Erbfolge beruht diese auf einer vom Erblasser errichteten Verfügung von Todes wegen, also z.B. eines Testaments.
  • Bei der gesetzlichen Erbfolge legt unmittelbar das Gesetz fest, wer die Erben des Erblassers sein sollen.

Die gesetzliche Erbfolge gilt insbesondere, wenn keine Verfügung von Todes wegen also zum Beispiel in einem Testament getroffen wurde. Sie tritt daneben aber u.a. auch ein, wenn


  • die Verfügung nur einen Teil des Vermögens erfasst,
  • das Testament (z.B. wegen Formmangels) unwirksam ist,
  • eine Verfügung von Todes wegen nicht mehr existiert, weil sie widerrufen oder angefochten wurde,
  • zwar ein Testament vorliegt, darin aber kein Erbe eingesetzt wurde,
  • der eingesetzte Erbe die Erbschaft ausschlägt.

Welche Prinzipien liegen der gesetzlichen Erbfolge zugrunde?

Das gesetzliche Erbrecht will gewährleisten, dass das Vermögen des Erblassers in der Familie verbleiben und dort weitervererbt werden soll. Deshalb werden in erster Linie die Verwandten des Erblassers zu gesetzlichen Erben bestimmt. Nicht zu den Verwandten, wohl aber zur Familie gehört der überlebende Ehegatte des Erblassers. Deshalb wird diesem gesetzlich ein eigenes Erbrecht eingeräumt.


Das gesetzliche Erbrecht enthält aber so manche Überraschung. So ist beispielsweise die Vorstellung weit verbreitet, dass bei kinderlosen Ehepaaren der überlebende Ehegatte Alleinerbe ist. Tatsächlich aber erben neben dem Ehegatten noch die Eltern bzw. die Geschwister des Erblassers. Und auch bei Eheleuten mit Kindern hält sich die falsche Vorstellung, dass nach dem Tod eines Ehegatten zunächst der überlebende Ehegatte nach der gesetzlichen Erbfolge Alleinerbe ist und erst nach dessen Tod die Kinder erben. Tatsächlich entsteht aber im Falle des Todes des Ehegatten kraft Gesetzes eine Erbengemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern.


Wann und mit welchem Erb­teil die Verwandten erben

Gesetzliche Erben sind zunächst die Verwandten der verstorbenen Person. Bei der Auswahl der Verwandten folgt das Gesetz dem System der Ordnungen (Parentelen). Die Einstufung in eine Ordnung ist davon abhängig, ob die Verwandten vom Verstorbenen selbst, von seinen Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern abstammen. Daraus ergeben sich fünf Ordnungen (§ 1924 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, BGB):


  • Erben der ersten Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers
  • Erben der zweiten Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
  • Erben der dritten Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
  • Erben der vierten Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
  • Erben der fünften Ordnung: Ururgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge

Wichtig Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. Beispielsweise schließen also Kinder des Erblassers als Erben die Eltern des Erblassers aus.


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Erben der ersten Ordnung

Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge, also die Kinder, Enkel, Urenkel usw. des Erblassers (§ 1924 Abs. 1 BGB).



Erbrecht ehelicher Kinder

Die ehelichen Kinder des Erblassers gehören zu den Erben der ersten Ordnung. Hinterlässt der Verstorbene mehrere Kinder, so erben diese zu gleichen Teilen. Leben außer den Kindern bereits weitere Abkömmlinge, so erben nur die Kinder, nicht aber die Enkel. Lebende Kinder schließen also ihre eigenen Nachkommen von der gesetzlichen Erbfolge aus. Nur wenn ein Kind des Erblassers nicht mehr lebt, erben dessen Abkömmlinge, also die Enkel des Erblassers.


Beispiel: Der geschiedene A hinterlässt zwei Kinder B und C. Kind D, das bereits vor dem Erbfall verstorben ist, hinterlässt zwei Kinder, E und F. Es erben B und C jeweils ein Drittel, E und F jeweils ein Sechstel.


Wichtig Auch ein minderjähriges Kind, also ein Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann Erbe sein. Es wird bei der Annahme der Erbschaft durch seine gesetzlichen Vertreter, in der Regel durch die Eltern vertreten.



Erbrecht nichtehelicher Kinder

Gegenüber der Mutter ist das nichteheliche Kind immer erbberechtigt. Beim Erbrecht gegenüber dem Vater kommt es auf das zum Zeitpunkt des Erbfalls jeweils geltende Familienrecht an, das auch für das gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes maßgebend ist.


Für Erbfälle seit dem 1.4.1998 sind nichteheliche Kinder den ehelichen gleichgestellt. Das heißt, sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf alle Teile des Nachlasses und werden auch Mitglied einer Erbengemeinschaft.


Erbrecht adoptierter Kinder

Für das Erbrecht von Adoptivkindern muss unterschieden werden, ob eine minderjährige oder eine volljährige Person adoptiert wurde.


Das adoptierte minderjährige Kind erlangt die volle rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes. Es erbt also wie ein eheliches Kind. Das Verwandtschaftsverhältnis des adoptierten Kindes zu seinen leiblichen Verwandten erlischt. Das adoptierte Kind erbt also nichts von seinen blutsverwandten Eltern.


Die Annahme eines volljährigen Kindes begründet im Regelfall nur die Verwandtschaft zwischen dem Annehmenden und dem Adoptierten. Die adoptierte Person und ihre Abkömmlinge sind also Erben der ersten Ordnung gegenüber den annehmenden Eltern, nicht aber zu den Verwandten der Annehmenden (z.B. deren Eltern). Die erbrechtlichen Beziehungen zwischen der adoptierten volljährigen Person und ihrer leiblichen Eltern bleiben bestehen. Der adoptierte Erwachsene hat also bezüglich vier Elternteilen ein gesetzliches Erbrecht.


Erbrecht der Stiefkinder

Stiefkinder gehören nicht zu den gesetzlichen Erben des Stiefelternteils. Sie erben nur von ihrem leiblichen Elternteil.


Wer seinen Stiefkindern etwas zukommen lassen möchte, kann diese jedoch als Erben in im Testament oder Erbvertrag einsetzen oder ihnen ein Vermächtnis zuwenden.


Erben der zweiten Ordnung

Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Verstorbenen (Vater und Mutter) und deren Abkömmlinge (§ 1925 BGB). Sie kommen nur zum Zuge, wenn keine Erben der ersten Ordnung vorhanden sind.


Beispiel: A ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Wenn sie stirbt, erben ihre Eltern und, falls diese nicht mehr leben, ihre Geschwister. Leben auch die Geschwister nicht mehr, erben die Neffen und Nichten oder deren Abkömmlinge.


Erben der dritten Ordnung

Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern und deren Abkömmlinge (§ 1926 BGB). Leben zur Zeit des Erbfalls die Großeltern väter- und mütterlicherseits, so erben sie allein und zu gleichen Teilen. Lebt von einem Großelternpaar der Großvater oder die Großmutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge (Tanten, Onkel).


Sind keine Abkömmlinge vorhanden, so fällt der Anteil des Verstorbenen dem anderen Teil des Großelternpaars, und wenn dieser nicht mehr lebt, dessen Abkömmlingen zu. Lebt zur Zeit des Erbfalls ein Großelternpaar nicht mehr und haben die Verstorbenen keine Abkömmlinge, so erben die anderen Großeltern und deren Abkömmlinge allein.


Beispiel: Der geschiedene A hinterlässt vier Großeltern und eine Tante. Jeder Großelternteil erbt ein Viertel des Nachlasses. Die Tante ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, weil alle Großelternteile noch leben.


Erben der vierten und weiterer Ordnungen

Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern und deren Abkömmlinge (§ 1928 BGB). Sie erben erst dann, wenn kein Verwandter der vorhergehenden Ordnungen vorhanden ist. Lebt nur noch ein Urgroßelternteil, so erbt er allein und schließt alle Abkömmlinge der anderen vorverstorbenen Urgroßeltern aus.


Wichtig Ist der Erblasser verheiratet, schließt der überlebende Ehegatte ab der vierten Ordnung sämtliche Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge aus.



Gesetzliche Erben der fünften und der ferneren Ordnungen sind die entfernteren Verwandten des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1929 BGB).


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Wann und mit welchem Erb­teil erbt der Ehe­partner?

Neben den Verwandten ist der Ehepartner gesetzlicher Erbe (§ 1931 BGB). Die Höhe des Erbteils des überlebenden Ehepartners ist davon abhängig, welche Verwandten neben dem Ehepartner gesetzliche Erben sind und in welchem Güterstand die Eheleute gelebt haben. Die Regelungen gelten auch für eingetragene Lebenspartner.


Wichtig Die bloße Trennung der Eheleute führt nicht zum Ausschluss des Erbrechts des Ehegatten.



Voraussetzungen für das Erbrecht des Ehegatten

Stirbt einer der Ehepartner oder Partner der eingetragenen Lebenspartnerschaft, erbt der andere nur dann, wenn die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes noch bestand. Das ist insbesondere im Falle einer rechtskräftigen Scheidung nicht der Fall. Wer also rechtskräftig geschieden wurde, hat am Nachlass des verstorbenen Ex-Ehegatten keinen Anteil mehr.


Gesetzlicher Erbteil des Ehegatten

Die Höhe des Erbteils des Ehegatten richtet sich danach, ob und gegebenenfalls welche weiteren Verwandte des Verstorbenen erben.


Sind weder Erben der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte nach der gesetzlichen Erbfolge die ganze Erbschaft.


Einfluss des Güterstands auf den gesetzlichen Erbteil des Ehegatten

Für die Höhe des Erbteils des überlebenden Ehegatten ist auch der Güterstand maßgebend, in dem die Eheleute während ihrer Ehe gelebt haben.


Der Güterstand bezeichnet die Vermögensverhältnisse der Eheleute untereinander. Er regelt, wem das Vermögen gehört, welches die Eheleute in die Ehe eingebracht haben, wer dieses verwaltet und wer für eventuelle Schulden haftet.


Der praktisch wichtigste gesetzliche Güterstand ist die Zugewinngemeinschaft, aber auch die Gütertrennung ist relativ weit verbreitet.


Der Pflicht­teil

Gesetzlich steht es dem Erblasser – also demjenigen, der etwas zu vererben hat – frei, eine letztwillige Verfügung darüber zu treffen, was mit seinem Nachlass und Vermögen nach dem Tod geschehen soll. Er kann durch ein Testament oder einen Erbvertrag den oder die Erben bestimmen, aber auch seinen Ehegatten oder Verwandte von der Erbfolge ausschließen.


Diese Testierfreiheit mittels eines Testaments wird allerdings beschränkt durch den sogenannten Pflichtteil, mit dem das Gesetz im Erbrecht seinen nächsten Familienangehörigen als Erben einen Mindestanteil am hinterlassenen Vermögen garantieren will.


In aller Regel hat der Erblasser ein Interesse daran, seine von ihm im Testament bestimmten Erben vor Pflichtteilsansprüchen zu schützen und unter Umständen Pflichtteilsansprüche der Berechtigten zu reduzieren. Andererseits sind die Pflichtteilsberechtigten nach dem Eintritt des Erbfalls daran interessiert, ihren Pflichtteilsanspruch zu sichern, zuverlässige Informationen über den Wert des Nachlasses zu erhalten und ihren Mindestanteil am Nachlass gegen den oder die Erben geltend zu machen.


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Pflichtteilsberechtigt sind nur die nächsten Familienangehörigen des Erblassers; das sind seine Abkömmlinge, seine Eltern und sein Ehegatte.


  • Abkömmlinge: Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB), also die ehelichen und nichtehelichen Kinder sowie angenommene Kinder.
  • Eltern: Auch den Eltern steht ein Pflichtteilsrecht zu. Sie werden aber nur berücksichtigt, wenn kein nach der gesetzlichen Erbfolge vorgehender Abkömmling vorhanden ist, der den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene nicht annimmt (§ 2309 BGB).
  • Ehegatte: Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten setzt voraus, dass eine rechtsgültige Ehe besteht. Kein Pflichtteilsrecht hat der Partner einer geschiedenen Ehe (§ 1933 Satz 1 BGB).

Wichtig Nicht pflichtteilsberechtigt sind die entfernteren Verwandten des Erblassers, insbesondere seine Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten. Auch dem nichtehelichen Lebenspartner steht kein Pflichtteil zu.


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